Pressegespräch

Caritasverband bemängelt Schieflage bei der Finanzierung von Hilfsangeboten

Immer mehr freiwillige Leistungen der Kommunen und des Landes würden gestrichen oder ausgesetzt. Die zweite Tranche für das Mehrgenerationenhaus Bensheim wurde trotz Fälligkeit noch nicht überwiesen.

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Pressegespräch des Caritasverbandes in Bensheim: (v.l.) Caritasdirektor Winfried Hoffmann, Andreas Waldenmeier, Leiter Caritaszentrum Bensheim, und Johanna Leichtweiß, Leitung Migrationsdienst. © Caritasverband

Bergstraße. Der Caritasverband Darmstadt sieht sich vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits würden gesellschaftliche Problemlagen und die Nachfrage nach Beratung, Unterstützung und Begleitung stetig zunehmen. Andererseits gerieten die finanziellen und strukturellen Grundlagen dieser Arbeit immer stärker ins Wanken.

„Unter dem Leitmotiv der diesjährigen Kampagne des Deutschen Caritasverbandes „Caritas öffnet Türen“ möchten wir nicht nur einen Einblick in die vielfältige Arbeit unserer Einrichtungen geben, sondern auch auf die dramatischen Entwicklungen hinweisen, die sich durch fast alle Kommunen und Leistungsbereiche ziehen“, sprach Caritasdirektor Winfried Hoffmann bei einem Pressegespräch im Caritas Zentrum Franziskushaus in Bensheim die seines Erachtens gefährliche Schieflage konkret an.

Dass der Bundeshaushalt noch nicht verabschiedet wurde, habe auch unmittelbare Konsequenzen für die Arbeit der Caritas: So sei dem Caritasverband zum Beispiel die zweite Tranche für das Mehrgenerationenhaus Bensheim trotz Fälligkeit noch nicht überwiesen worden. Immer mehr freiwillige Leistungen der Kommunen und des Landes würden gestrichen oder ausgesetzt. „Eigentlich müssten manche unserer Türen schließen, denn uns fehlt komplett die Planungssicherheit“, so Caritasdirektorin Stefanie Rhein. „Auch bei der Migrationsberatung für Erwachsene (MBE) muss der Verband trotz staatlicher Zuständigkeit regelmäßig Eigenmittel einbringen, um die Förderung zu erhalten. Gleichzeitig steigen die Anforderungen: mehr Aufgaben, mehr Menschen in Not, mehr Bürokratie – bei weniger finanzieller Absicherung.“

Angebote der Caritas in Bensheim

  • Insgesamt treffen sich regelmäßig 38 verschiedene Gruppen im Caritas Zentrum Franziskushaus in Bensheim.
  • Rund 55 ehrenamtliche Mitarbeitende engagieren sich freiwillig in unterschiedlichen Projekten im Bereich Mehrgenerationenhaus.
  • Beim offenen Mittagstisch im Café Klostergarten gehen täglich von montags bis freitags rund 100 Mittagessen über die Theke.
  • Insgesamt hat das Haus mit den Sportangeboten in der Kapuzinerhalle, den Mietern im Betreuten Wohnen für psychisch erkrankte Menschen und den Beratungsdiensten im Haus einen täglichen Durchlauf von ca. 230 Menschen.
  • In Bensheim betreibt die Caritas folgende Einrichtungen: Angebote der Caritas in Bensheim: Caritasheim St. Elisabeth; Louise-de-Marillac-Haus (Wohngemeinschaft für ältere Menschen) Klinik Schloss Falkenhof (Klinik für suchtkranke Männer), Mehrgenerationenhaus, Caritas Zentrum Franziskushaus/ Familienzentrum, Zuverdienstprojekt für psychisch kranke Menschen. red

Johanna Leichtweiß, Leiterin des Migrationsdienstes im Kreis Bergstraße weist auf die prekäre Lage der Frauenintegrationskurse hin. „Die Finanzierung steht auf wackeligem Boden, obwohl die Kurse ein zentraler Schlüssel zur Teilhabe von Frauen mit Migrationsgeschichte sind. Wenn hier – auf dem Rücken derer, die oft schon am Rand unserer Gesellschaft stehen – weiter gespart wird, drohen enorme Rückschritte in der Integration.“

Verträge werden gekündigt

Nicht rund sei es es auch im Bereich der Schuldnerberatung gelaufen. 2024 hatte der Kreis Bergstraße die Verträge mit den Schuldnerberatungsstellen der Caritas gekündigt und bietet diese seit 2025 selbst an. Das sei bedauerlich. Für Wohlfahrtsverbände bedeute dies noch weniger Planbarkeit, noch mehr Unsicherheit, keine verlässlichen Strukturen, so der Caritasvorstand. Für Menschen, die sich in existenziellen Krisen befinden, sei es zudem schwer zu verstehen, dass sie im Caritaszentrum Heppenheim, welches viele Hilfen unter einem Dach anbietet, keine Schuldnerberatung mehr wahrnehmen können und wieder weggeschickt werden müssten. „Unsere Mitarbeitenden sind die erste Anlaufstelle. Sie sind hochqualifiziert und engagiert und erleben trotz alledem gerade große Unsicherheiten auch in Hinblick auf die eigene Stelle, wenn diese projektfinanziert ist und unsicher ist, ob das Angebot weiterhin aufrechterhalten werden kann“, hieß es bei dem Pressegespräch.

Besonders dramatisch sei es bei freiwilligen Angeboten wie dem Baby- und Müttercafé in Viernheim oder dem Babycafé in Heppenheim. „Sie sind niedrigschwellige, lebensnahe Orte der Begegnung – und könnten 2026 mangels Finanzierung wegfallen. Das wäre ein herber Verlust für viele Familien und Kinder“, so der Caritasdirektor. Angebote wie Babycafés, Demenzgruppen oder präventive Beratung wirkten nachhaltig. Wenn sie wegbrächen, entstünden Lücken, die später teuer, belastend und schwer zu schließen seien. Die Finanzierung durch das Bistumsprojekt „Netzwerk Leben sei bereits in diesem Jahr ausgelaufen. Der Verband könne solche Projekte aber nicht mehr aus Eigenmitteln finanzieren. „In den letzten fünf Jahren gab es ca. 25 Prozent Tarifsteigerungen umzusetzen, nicht alle dieser Kosten werden refinanziert. Die Menschen sind da – aber das Geld fehlt. Die Caritas öffnet Türen – aber sie kann und darf nicht die alleinige Verantwortung für das soziale Netz tragen“, sagte Hoffmann.

Das Mehrgenerationenhaus im Caritas Zentrum Franziskushaus zeige, was durch Netzwerkarbeit von Wohlfahrtsverbänden, Kirchengemeinden, Ehrenamtlichen, Stadt und Kreis auf die Beine gestellt werden könne. „Das Zentrum ist ein lebendiger Ort der Begegnung, Beratung und Bildung, ein offener Raum für alle Generationen mit vielfältigen Angeboten. Wir sind da, für Menschen, die unsicher, überfordert oder in Not sind. Soziale Angebote sind keine Extras – sie sind Grundpfeiler des Miteinanders“, so Andreas Waldenmeier, der Leiter des Caritaszentrums in Bensheim.

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