Bergstraße. Einen Joint in der Öffentlichkeit zu rauchen, ist seit April unter bestimmten Bedingungen bundesweit erlaubt. Besitz und Anbau der Droge sind zwar ausschließlich für Volljährige zum Eigenkonsum möglich. Da Altersbeschränkungen aber Jugendliche nicht per se vom Konsum abhalten, setzt der Kreis Bergstraße auf Prävention in den Schulen.
Am Dienstag startete die kreisweit erste Veranstaltung des Präventionsprojektes – Motto: „Kiffen, bis der Arzt kommt?“ – an der Alfred-Delp-Schule in Lampertheim. Dabei klärte der Mediziner Karl-Wilhelm Klingler Schülerinnen und Schüler nicht nur über Wirkung und Risiken des Cannabis-Konsums auf; auch beantwortete der Kardiologe konkrete Fragen der Siebtklässler.
Prävention soll mögliche Folgen des ungeliebten Gesetzes mildern
So wies Klingler darauf hin, dass das menschliche Gehirn erst im Erwachsenenalter vollständig entwickelt ist. Bis zu diesem Zeitpunkt könne der berauschende Wirkstoff THC in die Entwicklung eingreifen und daher für Jugendliche und junge Erwachsene gefährlich sein. Generell machte der Arzt klar, dass er Abstand zu Suchtmitteln empfiehlt: „Ihr braucht das Rauchen und das Kiffen wirklich nicht.“ Indes drehten sich etliche Fragen der jungen Zuhörer nicht nur um Cannabis, sondern auch um andere Substanzen wie etwa Tabak, E-Zigaretten oder Alkohol. So wollte ein Schüler beispielsweise wissen, ob Kinder rauchender Väter oder Mütter später ebenfalls zum Glimmstängel greifen. Auf jeden Fall sei die Hemmschwelle niedriger, selbst zur Zigarette zu greifen, antwortete der Lampertheimer Mediziner. Auch bestätigte er, dass der Konsum berauschender Substanzen eine aktuell vorherrschende Stimmung verstärken kann.
Im Anschluss an die Veranstaltung mit etwa 50 Schülerinnen und Schülern, äußerten sich Lehrer, Vertreterinnen des Kreises und Lampertheims Bürgermeister Gottfried Störmer (parteilos) noch einmal zur Notwendigkeit der Prävention. Es zeigte sich, dass etwa Erste Kreisbeigeordnete Angelika Beckenbach (CDU) mit Skepsis auf die neue Gesetzeslage blickt: „Für mich persönlich ist es eine ungute Entscheidung, Cannabis teilweise zu legalisieren.“ Dadurch entstehe der Eindruck, der Konsum von Cannabis sei „nicht so schlimm“. Umso wichtiger sei daher die Aufklärung. Das Präventionsprojekt soll auch in weiteren Schulen dazu beitragen, Jugendliche zu sensibilisieren.
Auch das Thema Alkoholsucht soll weiterhin im Fokus bleiben
Auch Rathauschef Störmer äußerte sich kritisch zur teilweisen Legalisierung von Hanf und argumentierte ähnlich wie seine Vorrednerin. Gleichwohl wies der frühere Kriminalbeamte darauf hin, dass mögliche gesundheitliche Probleme der Konsumenten von der Allgemeinheit getragen werden müssten. „Insofern bin ich nicht glücklich über die Legalisierung von Cannabis.“
Gleichwohl bestand Einigkeit darüber, dass auch der von jeher legale Konsum alkoholischer Getränke zu enormen gesundheitlichen Folgen führen kann, zumindest wenn er mit einer Suchtkrankheit einhergeht. Katja Möhrle von der Landesärztekammer wies darauf hin, dass in Sachen Alkohol das Präventionsprojekt „Hackedicht – besser geht es dir ohne“ über Gefahren des Alkoholismus aufklärt. Konrektorin Petra Popp wies auf den jährlichen Präventionstag der Delp-Schule hin, bei dem das Thema Alkoholsucht viel Raum einnehme.
Kritik am Cannabis-Gesetz wird noch immer laut
Zum Abschlussgespräch waren auch zwei Schüler und eine Schülerin eingeladen. Ihren Berichten zufolge, gibt es schon unter den relativ jungen Siebtklässlern zahlreiche Mädchen und Jungen, die unterschiedliche Substanzen konsumieren. Das sei bedenklich.
Auch über als ein halbes Jahr nach der teilweisen Legalisierung von Cannabis wird noch immer Kritik an dem Gesetz laut. Befürworter argumentieren, dass es mit Hilfe der Änderung gelingen soll, den Schwarzmarkt deutlich zurückzudrängen und Gefahren des Konsums zu reduzieren, da kein Erwachsener mehr gestrecktes oder hochpotentes Gras vom Dealer an der Ecke kaufen müsse.
Mit Blick auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen herrscht aber beispielsweise noch Skepsis. So argumentieren etwa Fachleute, das Gesetz sei übereilt beschlossen worden. Wie die Berater der Lampertheimer Suchtberatungsstelle Prisma jüngst in einem Interview mit dieser Redaktion sagten, sei eindeutig festgelegt, dass Konsum von Cannabis im Beisein von Kindern und Jugendlichen verboten ist. Doch sei unklar, wer sich um die Einhaltung dieser Regeln kümmern muss. „Auch die Frage, wie wir als Gesellschaft mit Jugendlichen umgehen, die Cannabis konsumieren, ist zurzeit offen“, hieß es im Interview.
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