Infrastruktur

Bauwerksprüfer: „Brücken im Kreis Bergstraße sind sicher“

2023 wurden von Bund, Land und Kreis für Brückeninstandsetzungen und -sanierungen im Landkreis rund 3,8 Millionen Euro ausgegeben.

Von 
Angela Schrödelsecker
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Die Brücken, für die Hessen Mobil zuständig ist, werden alle drei Jahre überprüft – im Wechsel stehen eine einfache Prüfung und eine umfangreiche Hauptprüfung an. © Thomas Zelinger

Bergstraße. In der Nacht auf Mittwoch in der vergangenen Woche blickten viele auf Dresden, denn dort geschah etwas, was viele in Deutschland für undenkbar hielten: Ein Teil der Carolabrücke stürzte ein. Verletzt wurde dabei niemand – dennoch hat das eine Diskussion ausgelöst, wie sicher unsere Brücken tatsächlich sind.

Der Bauwerksprüfer Mario Böhmer prüft mit dem Hammer jeden erreichbaren Quadratmeter der Brücke – anhand des Geräuschs weiß er, ob der Beton in Ordnung ist. © Thomas Zelinger

In Südhessen – dazu zählt der Odenwaldkreis, die Landkreise Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau und Bergstraße – gibt es 675 Brückenbauwerke: 347 auf Bundesstraßen, 199 auf Landesstraßen und 129 auf Kreisstraßen. 2023 wurden nur für die Brückeninstandsetzungen-und -sanierungen im Kreis Bergstraße von Bund, Land und Kreis rund 3,8 Millionen Euro investiert. Im Regelfall werden die Brücken alle drei Jahre einer Kontrolle unterzogen. Im Wechsel gibt es eine einfache Prüfung und eine Hauptprüfung.

Jede Brücke wird alle drei Jahre überprüft

An der Überführung auf der B 460 bei Lorsch über die B 47 fand vor rund einem Jahr eine Hauptprüfung statt, wie der Brückenbauwerksprüfer von Hessen Mobil Mario Böhmer vor Ort erklärt. Mit einem Hubsteiger hat er jeden Quadratmeter der Brücke mit einem Hammer abgeklopft: „Hoher Klang ist gut, so wie man das jetzt hier hört. Das sagt mir, dass der Beton, die Struktur, an dieser Stelle intakt ist.“ Während er das demonstriert, erklärt er weiter, dass ein dumpfes Geräusch nicht gut wäre. Er prüft zusätzlich auf Sicht, ob es Beschädigungen oder Risse gibt.

Risse wiederum prüft er mit einem speziellen Lineal und alles ab 0,2 Millimeter wird repariert. Die große Gefahr geht vor allem vom Streusalz aus. Der Sachgebietsleiter Bauwerksprüfung Südhessen von Hessen Mobil, Marco Schmidt, spricht von „aggressivem“ Wasser, das durch Risse in die Brücke eindringen kann und dort dann die Spannglieder aus vergütetem Stahl beschädigen kann. Deshalb seien Risse im Bereich der Fahrbahn deutlich gefährlicher als in anderen Bereichen der Brücke. Alle Mängel werden von Böhmer in seinen Prüfberichten dokumentiert – auch die genaue Lage der Risse anhand von Fotos.

Böhmer prüft mit einem speziellen Lineal die Breite der Risse. © Thomas Zelinger

An der Brücke in Lorsch hat er kleine Aufprallschäden an der Kante – vermutlich durch LKW verursacht – festgestellt. Auch Schäden an einem Pressenansatzpunkt, die für Instandsetzungsmaßnahmen wichtig sind, dokumentiert er. Böhmer hat in den Prüfbericht ebenfalls aufgenommen, dass der Übergang zwischen Brücke und Straße löchrig ist, weswegen Wasser und Schmutz von oben durchlaufen: „Auch hier können durch ein Wasser-Streusalz-Gemisch im Winter Schäden an der Brücke entstehen.“

Schmidt ergänzt: „In den kommenden drei bis fünf Jahren werden wir die Brücke instandsetzen und dann werden wir auch solche Mängel, wie bei der Übergangskonstruktion, beseitigen. Die hält normalerweise zwischen 25 und 40 Jahre. Irgendwann kommt der Zeitpunkt der Reparatur.“ Auch ein Rohr für die Entwässerung und die dazu gehörigen Befestigungsstäbe sind verrostet und werden in diesem Zuge ausgetauscht.

Aktuelle und geplante Instandsetzungen und Sanierungen von Brücken im Kreis



L 3398 Fußgängerunterführung bei Heppenheim: Die Kappen und die Abdichtung werden aktuell zurückgebaut und neu hergestellt. In stark beschädigten Bereichen wird der Beton großflächig abgetragen und ersetzt. An der Unterseite wird freiliegende Bewehrung entrostet und teilweise ersetzt. Auf die Betonfläche wird ein Oberflächenschutz aufgetragen, zudem erhält die Brücke ein neues Geländer. Die Baukosten belaufen sich auf rund 300 000 Euro. Ende Oktober soll das Projekt abgeschlossen sein.

B 47 Fußgängerunterführung Bensheim: Baubeginn ist für Ende Oktober geplant. Durchgeführt werden einfache Instandsetzungsarbeiten am Bauwerk, Betoninstandsetzungen unterhalb der Brücke und Erneuerung des Geländers sowie der Kappen.

B 460 Verdolung Stadtbach bei Heppenheim: Die bestehende Verdolung des Stadtbaches unter der dicht bebauten Siegfriedstraße (B 460) soll in mehreren Bauabschnitten in städtebaulich schwieriger Lage erneuert werden. Der konkrete Bauablauf ist noch unklar. Derzeit müssen noch einige offene Fragen unter anderem zur Planung und zum Grunderwerb geklärt werden. Auch die Abstimmungen mit Kommune, Verkehrsbehörde, Polizei und Rettungskräften sind noch nicht abgeschlossen. Geplant ist es, dass 2025 mit der Sanierung des ersten Streckenabschnittes, dem Bau der Querung der Verdolung am östlichen Ende zu beginnen. Die geplante Bauzeit des östlichen Abschnittes beträgt 14-18 Monate. Der Bau des westlichen Abschnittes der Verdolung wird nicht vor Mitte 2027 beginnen. Genauere Angaben werden erst im Rahmen der Bauprogrammsvorstellung von Hessen Mobil im Frühjahr 2025 bekanntgeben.

Weitere geplante und laufende Baumaßnahmen an Brücken im Kreis sind: B 44, Nibelungenstraße, Bürstadt (geplantes Ende Dezember) – Wehrbrücke, Hirschhorn (geplantes Ende 2026) – B 47, Wasserwerkstraße, Bürstadt (Start Oktober) – Ulfenbach, Grasellenbach (Start September/Oktober) – Liebersbach, Birkenau (2025) – OEG und Stadtstraße, Viernheim (2025) – B 47, Fußgänger Überführung, Bürstadt (2025)

„Die Brücke ist an sich in einem guten Zustand. Sie hat im Prüfbericht die Note 2,5 auf einer Skala bis 4,0. Das heißt, wir wissen, dass die Brücke instandgesetzt werden muss, aber sie ist sicher. Die Haupttragkonstruktion ist sehr gut.“ Zur Einordnung: Die Brücken, die aktuell saniert werden oder in nächster Zeit für Instandsetzungen vorgesehen sind (siehe Infobox), haben den Angaben von Hessen Mobil meist Bewertungen zwischen 2,7 und 2,9.

In zwei Jahren wird an der Brücke in Lorsch eine einfache Prüfung durchgeführt. Dann wird Böhmer oder einer seiner Kollegen den Prüfbericht von 2023 als Basis nehmen und schauen, wie und ob sich die Schäden verändert haben. Er wird vor allem auf Sicht, aber auch wieder mit seinem Hammer die Brücke prüfen.

Die Übergangskonstruktion zwischen Straße und Brücke ist löchrig. © Thomas Zelinger

Besondere Herausforderung und Anlass für Sonderprüfungen sind zum Beispiel Unfälle und Brände, wie Böhmer erlebt hat: „Vor etwa 15 Jahren gab es einen Heuballen-Brand unter einer Brücke in Nieder-Liebersbach. Da waren die Pfeiler schwarz. Da haben wir dann auch Proben entnommen, um festzustellen, ob die Brücke noch sicher ist.“

Schmidt erklärt, dass auch die LKW heute deutlich schwerer sind als noch zu den Zeiten, in denen viele der Brücken gebaut wurden. Deshalb würde man in regelmäßigen Abständen die Statik von Brücken überprüfen, so dass man sicher sein kann, dass sie der veränderten Belastung im Dauerbetrieb auch standhalten können. Bei Bedarf könnten Brücken dann entsprechend zusätzlich abgestützt werden.

Unglück von Dresden kann auch Folgen für den Kreis haben

Was letztendlich zum Teil-Einsturz der Carola-Brücke in Dresden geführt hat, muss noch geklärt werden. Wie das Straßen- und Tiefbauamt mitteilt, seien bei Prüfungen an der Einbruchstelle Korrosion festgestellt worden. Die Stahllitzen, die sich als Stützkonstruktion im Beton der Brücke befinden, seien zum Teil schon korrodiert gewesen. Auch an den noch stehenden Teilen würden jetzt Untersuchungen durchgeführt.

Dieses Entwässerungsrohr unter der Brücke ist verrostet. © Thomas Zelinger

Schmidt wünscht sich eine genaue Aufklärung der Unglücksursache. Denn das erhöht wiederum die Sicherheit aller Brückenbauwerke in Deutschland – auch im Kreis: „Diese Erkenntnisse könnten wir möglicherweise dann für die Überprüfung unserer Brücken berücksichtigen, um so etwas verhindern.“

Als Beispiel nennt Schmidt den Fall der „Schwangeren Auster“ in Berlin. Hier stürzte 1980 ein Teil des Daches ein. Eine Ursache war, neben Fehler in Planung und Statik, auch korrosionsbedingte Brüche von Spanngliedern: „Danach wurde geprüft, wo überall dieses Material verbaut wurde. Das sind die Brücken, wo wir dann jedes Jahr eine Prüfung ansetzen. Eines der betroffenen Bauwerke war zum Beispiel die alte Salzbachtalbrücke auf der A 66.“ Sie war schließlich akut einsturzgefährdet und musste 2021 gesprengt und durch eine neue Brücke ersetzt werden.

Bauwerksprüfer Böhmer und der Sachgebietsleiter für Bauwerksprüfung Südhessen Schmidt sind von der Sicherheit der Brücken in Hessen überzeugt. © Thomas Zelinger

Über Brücken, in denen dieser sogenannter „sprödbruch gefährdeter Spannstahl“ verbaut wurde, weiß man: „Von einer Rissbildung bis hin zum ernsthaften Schaden hat man deutlich weniger Zeit zu reagieren. Deshalb auch die kürzeren Prüf-Intervalle. Aber im Kreis Bergstraße ist in unserem Verantwortungsbereich keine Brücke mit einem solchen Stahl gebaut worden.“

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Kommentar von
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