Bergstraße. Es gibt 16 „Botschafter der Bergstraße“. Lediglich sechs Repräsentanten nahmen an der diesjährigen Weinlese für den offiziellen Botschafterwein teil. Die Original Blütenweg Jazzer haben die Quote in siebenköpfiger Besetzung zumindest rein äußerlich deutlich gesteigert.
Am Ende kommt es aber ohnehin nicht auf Masse an, sondern auf die Qualität. In dem speziellen Wingert der Heppenheimer Familie Rau sahen die Trauben so aus, als ob sie schon sehnsüchtig auf Rebschere gewartet haben: reif und prall und trotz des schwierigen Weinjahrs in einem bemerkenswert guten Zustand. Auf rund 800 Quadratmetern wachsen in diesem Teil der Lage Steinkopf rund 50 autochthone historische Rebsorten wie Blauer Willbacher, Roter Riesling, Elbling und Weißer Orleans. Als autochthon bezeichnet man einheimische, alteingesessene Rebsorten, die in einem bestimmten Anbaugebiet beheimatet sind.
Noch nie in Vollbesetzung
In der finalen Cuvée sind über einhundert Sorten enthalten. Der Wein, der mittlerweile selbst als Botschafter gilt, ist als Rotling klassifiziert: ein Verschnitt aus roten und weißen Trauben, die zusammen gekeltert werden und farblich einem Rosé ähneln. In den vergangenen Jahren wurden zwischen 600 und 800 Flaschen des in der Regel feinherb ausgebauten Weins abgefüllt. Auf dem Etikett sind die Signaturen aller Botschafter abgedruckt – auch jener, die sich bislang im Weinberg noch nicht haben blicken lassen. In dieser Woche kamen die, die immer da sind. Fußballtrainer Klaus Schlappner vorneweg, der sich bei dem Termin bislang nur 2019 hat entschuldigen lassen. Aber auch der Gründer der Brain AG in Zwingenberg, Holger Zinke, die Olympia-Goldkanutin Nicole Reinhard und die Original Blütenweg Jazzer gehören zu denen, die ihren Botschafter-Titel richtig ernst nehmen. „Irgendwann kommen wir in Vollbesetzung“, so Bruno Weis bei einem Ständchen an der „ Winzerrast“ im Steinkopf, wo die Formation zur Ouvertüre ein süffig verjazztes „My Bonnie“ angestimmt hat.
Geballte Kompetenz
Auf einen guten Tropfen hoffen auch die Deutsche Weinprinzessinnen 2015/16 Caroline Guthier und der Unternehmer Franz-Josef Fischer, der 2018 in die Riege der Botschafter aufgenommen wurde. Mit Manfred Rau, dem Geschäftsführer der Winzer eG Patrick Staub und dem Rebveredler Reinhard Antes war geballte Weinkompetenz vertreten. Der von ihm initiierte und konzipierte Erlebnispfad „Wein und Stein“ wurde im April 2007 eingeweiht. Seither steht der Weinberg der Familie Rau unter der Patenschaft des Bergsträßer Landrats.
Für Christian Engelhardt war es die sechste Weinlese in diesem Kontext. Es gehe dabei auch die Pflege des Miteinanders unter den Botschaftern, sagte er. Und nicht zum ersten Mal konnte das Einbringen der Trauben in einem sonnigen Intermezzo zwischen tiefdunklen Regenwolken über die Bühne gehen, was den Genossenschafts-Vorstand Antes zu der Bemerkung hingerissen hat, den Landrat künftig als Wetterfrosch der Bergsträßer Winzer eG verpflichten zu wollen.
Gerade in diesem Jahr hätten die Winzer handfeste Prognosen gut gebrauchen können. Wegen des kühlen Frühlings und nassen Sommers hatte sich die Vegetation im Vergleich zum trocken-heißen Vorjahr rund 14 Tage verzögert. Damit begann auch die Weinlese an der Hessischen Bergstraße etwas später. Noch ist die Ernte in vollem Gange.
Laut Reinhard Antes wird 2021 aufgrund der durchschnittlichen Kühle eher ein Weißweinjahr. Die Säurewerte seien gut ausgeprägt und rangieren höher als 2020. Besonders schwere und gehaltvolle Rotweine seien aber nicht zu erwarten. Bei den roten Sorten mussten die Winzer zudem reaktionsschnell agieren, weil die Kirschessigfliege in diesem typisch deutschen Herbst wieder stärker unterwegs ist.
Erntemenge knapp unter Vorjahr
Und mit dem Regen und der Kälte kam der Falsche Mehltau. Peronospora machte sich breit. Auf der anderen Seite gab es keine Trockenschäden oder Unwettereinflüsse zu vermelden. Insgesamt geht Antes für die Winzer eG von einer Erntemenge knapp unter dem Vorjahresniveau aus. In anderen Weinregionen sieht die Situation ähnlich durchwachsen aus. Von Frostschäden und Hagel wie in Franken und Württemberg blieb die Bergstraße verschont. Mit Pilzbefall hatten alle Anbaugebiete zu kämpfen. An der Ahr kam die schlimme Flutkatastrophe hinzu. Einige Bergsträßer Winzer unterstützen die Kollegen in der Rotweinregion nach Kräften. Viele haben alles verloren oder stehen vor dem Aus. Von den insgesamt 50 Weinbetrieben sind nur vier nicht von der Flut betroffen, meldet der Verein Ahrwein. Viele sind komplett zerstört. Für die Weinlese mangelt es an Geräten und Lagerkapazitäten. Reinhard Antes nutzte die Botschafter-Weinlese, um auf die Existenznot aufmerksam zu machen. Die Genossenschaft hat unter anderem ein großes Weinmarkt-Zelt für 600 Personen an die Ahr geschickt.
Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/region-bergstrasse_artikel,-bergstrasse-botschafter-der-bergstrasse-als-erntehelfer-im-wingert-_arid,1861598.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/zwingenberg.html