Naturschutz - Es mehren sich die Zeichen, dass der Nager wieder in Südhessen heimisch wird / Beobachtungen in Biblis, aber auch schon in Einhausen, Lorsch und Bensheim

Biber sind in Südhessen auf dem Vormarsch

Von 
Stephen Wolf
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Der Biber ist in Südhessen auf dem Vormarsch. Die fleißigen Nager hinterlassen Spuren – wie hier in Biblis. Der Wohnort des Bibers liegt an der Weschnitz. © Stina Tucker/sm

Bergstraße. Für Stina Tucker war die Entdeckung eines abgenagten Baumstammes vor einigen Tagen ein klarer Hinweis: „Ich wusste, es konnte sich dabei nur um die Spur eines Bibers handeln“, sagt sie über das angeknabberte Gehölz, das sie an der Weschnitz fotografierte. Denn schon im vergangenen Jahr habe sie dort beim Spaziergang mit ihrer Familie einen Biber aus der Nähe beobachten können. „Ich war ganz baff“, sagt die Erzieherin aus Biblis. Wie aus dem Lehrbuch habe das Tier mit dem flachen Ruderschwanz ausgesehen, erinnert sie sich an die damalige Begegnung zwischen Riedsee und Nordheim.

Nabu: Tierart wieder zurück

Wie andere Beobachter auch, so hatte die 40 Jahre alte Frau ein Foto des angenagten Baums in einer Facebook-Gruppe veröffentlicht. Nicht jeder Nutzer gab sich überzeugt davon, dass es sich dabei um das Werk des emsigen Nagetiers handelte: „Es gibt keine Biber bei uns“, schrieb etwa ein Mann. Der Schaden am Baum sei vermutlich von Nutrias verursacht worden, fügte er hinzu.

Das sieht der Umweltverband Nabu anders. „Am Altrhein bei Biblis-Nordheim ist der Biber schon seit mehreren Jahren ansässig“, bestätigte der Landesvorsitzende des Nabu, Gerhard Eppler auf Anfrage dieser Redaktion. „Ich glaube, es war 2017, als wir am Rhein bei Nordheim auch ein totes Tier gefunden haben. In Hessen haben wir bereits etwa 1000 Tiere“, fügt er hinzu. „Der Biber ist derzeit überall in Deutschland dabei, seine alten Lebensräume zurückzuerobern“, betont auch Herwig Winter vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Auch in Südhessen mache sich der kleine Nager breit. „Vielleicht ist der Biber in Biblis ja die Vorhut“, sagt er.

„Tendenz steigend“

Ulrich Götz-Heimberger, Bibermanager des Darmstädter Regierungspräsidiums, geht davon aus, dass es alleine im Regierungsbezirk etwa 200 Biberreviere mit ungefähr 660 Tieren gibt – „Tendenz steigend“. Das sei grundsätzlich verbunden mit Vorteilen für Gewässer und angrenzende Flächen. In einzelnen Fällen könnten sich aber auch Nachteile ergeben.

Tatsächlich leisten die Tiere, die bis zu 20 Jahre alt werden können, an Bächen und stehenden Gewässern ganze Arbeit. Mit ihren Vorderzähnen fällen die kleine Vegetarier Bäume und bauen Dämme, was dort dann die Gefahr von Überschwemmungen erhöht. Auch können die Tiere beispielsweise beim Bau ihrer Höhlen die Wege im Uferbereich destabilisieren. Volker Scheib, Bürgermeister von Biblis, sagt, er habe selbst noch keines dieser Tiere gesehen. „Aber der Biber wäre natürlich erst einmal eine ökologische Auszeichnung für Biblis“, fügt er hinzu.

Schließlich renaturieren die Tiere Bäche und Auen. Damit tragen sie zur Wasserversorgung der Landschaft selbst in Dürresommern bei und schaffen darüber hinaus Lebensraum für Vogel- und Fischarten. Allerdings, so weiß auch Scheib, könnten auch Zerstörungen zunehmen. „Grundsätzlich stehen wir dem Biber aber positiv gegenüber und setzen auf friedliche Koexistenz“, sagt der Rathauschef.

Das dürfte nicht immer einfach sein, wie das Beispiel Babenhausen zeigt. In der Stadt südwestlich von Aschaffenburg hat sich der Biber angesiedelt und sorgt dort für den einen oder anderen umgestürzten Baum oder für Überflutungen. „Es sind auch schon Wege in Ufernähe eingebrochen“, sagt Katharina Freckmann, zuständig für Bau- und Stadtentwicklung in Babenhausen. Ihren Angaben zufolge hat die Kommune drei Dutzend Warnschilder geordert, um auf aktive Nager hinzuweisen: „Wir möchten Spaziergänger, Radfahrer und Reiter daher für mögliche Gefahren sensibilisieren.“

Unter Naturschutz

Mit Skepsis dürften vor allem Grundstücksbesitzer und Landwirte auf die Bautätigkeit des unter Naturschutz stehenden Tieres blicken. Biber benötigen für den Schutz ihres Baus und für den Transport von Nahrung eine gewisse Wassertiefe. Daher befinden sich Eingänge von Biberburgen stets unterhalb der Wasseroberfläche. Damit die Bauwerke und der Nachwuchs durch das Wasser vor Raubvögeln oder etwa Füchsen geschützt sind, stauen Biber mit den Dämmen das Wasser auf. Doch es gibt auch Wege, die Hochwassergefahr zu bannen, ohne den Artenschutz zu gefährden.

Überflutungen durch Dammbau

Dass der Biber für Überschwemmungen in Biblis sorgen könnte, sieht Florian Schuhmacher vom Gewässerverband Bergstraße so bald nicht. So seien die Gewässer für die Bauten der Tiere tief genug. Daher müssten die Nager auch nicht so viele Dämme bauen. „Es ist jedenfalls realistisch, dass der Biber in der Region dauerhaft heimisch wird“, sagt der Techniker aus Einhausen, der sämtliche Rheinauen, Flüsse und Bäche in Südhessen kennt.

Bei seiner Arbeit erfahre er stets, wo sich die findigen Tierchen niedergelassen haben. So habe der Biber Gebiete rund um die Altrheine in Beschlag genommen, sei die Weschnitz hochgeschwommen und nun in Lorsch, Einhausen oder Bensheim zu finden. Der Nager komme zum einen über den Neckar; zum anderen aber auch über den Rhein. Am Biedensand in Lampertheim sei er ebenso aktiv wie am Kühkopf bei Riedstadt. 

Der Biber



Die stark angewachsene Population der Biber in Hessen ist zum größten Teil der Erfolg der Wiederansiedlung Ende der 1980er Jahre, heißt es von Fachleuten. Weil das Fell des Bibers begehrt war, wurde das Säugetier in früheren Zeiten erbarmungslos gejagt.

Schließlich galt das Nagetier seit Ende des 16. Jahrhunderts auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Hessen als ausgerottet. Heute gibt es nach Angaben des Umweltministeriums wieder mehrere hundert Biber-Reviere im Land. Und die Population wächst aus eigener Kraft um bis zu 20 Prozent im Jahr.

Gejagt wurde der Nager vor allem wegen seines begehrten Fells. Auch die Kirche war für die menschengemachte Ausrottung des Holzbaumeisters verantwortlich. Da Fisch eine Fastenspeise war, wurden die Tiere aufgrund ihres schuppenartigen Ruderschwanzes einfach zu Fischen erklärt und landeten ausgenommen und gehäutet im Topf oder in der Pfanne.

Heute ist die größte Gefahr für den Biber der Straßenverkehr. Unter und auf dem Wasser sind die Tiere flott. Auf trockener Fläche sind die Biber eher langsam und träge. Da die Nager nicht immer in ihren Revieren bleiben, stellen die Touren auf dem Asphalt das größte Risiko dar. wol/sm

Redaktion

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