Bergstraße. Bei der Jagd nach der Asiatischen Tigermücke ist es ein bisschen so wie mit der Hydra. Wenn dem Ungeheuer aus der altgrieschichen Mythologie ein Kopf abgeschlagen wird, wachsen gleich zwei neue nach. Ganz so schlimm stellt sich die Situation bei der Auslöschung von Mücken-Populationen in der Rhein-Neckar-Region zwar nicht dar. Dennoch kommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) derzeit kaum noch hinterher, wie der Wissenschaftliche Direktor Dirk Reichle im Gespräch mit dieser Redaktion berichtet. „Es gibt zwar immer wieder Erfolge und Gebiete, die wir rausnehmen können. Dem gegenüber stehen aber wachsende und neue Bereiche“, berichtet er. „Bei der Bekämpfung der Tigermücke sind wir derzeit am Anschlag.“
Insgesamt 19 Populationen zählt die Aktionsgemeinschaft derzeit in der Region. Dabei haben die surrenden Plagegeister längst den Vormarsch in die Großstädte geschafft. So wurden sie im vergangenen Jahr in einem kleinen Gebiet im Mannheimer Stadtteil Almenhof nachgewiesen. In der Ludwigshafener Melm ist die Tigermücke nun schon seit einigen Jahren heimisch, in Heidelberg sogar noch etwas länger. „Im Almenhof ist die Population zum Glück noch überschaubar“, sieht Reichle gute Bekämpfungschancen. Neu begonnen wurde mit der Jagd auf die Blutsauger in diesem Jahr im südhessischen Bürstadt. Die Fläche dort sei verhältnismäßig groß.
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Sämtliche Mitarbeiter der KABS seien derzeit im Einsatz gegen die Asiatische Tigermücke, die ursprünglich aus Südostasien stammt und daher auch ihren Namen trägt. Auch 150 Saisonkräfte wurden für die Jagd auf die Stechmücken eingestellt. „Die Bekämpfung der Tigermücke ist enorm aufwendig, zeit- und personalintensiv“, erläutert der Experte. Anders als bei den gewöhnlichen Schnaken sind die Brutstätten bei dem einstigen Exoten extrem kleinteilig. „Das kann eine Regentonne sein, ein Aschenbecher, in den es reingeregnet hat, ein hohler Zaunpfosten, ein Gully und so weiter und so fort“, erklärt Reichle.
Auf Mithilfe angewiesen
Das mache es sehr schwierig, zumal man für die konsequente Bekämpfung stark auf die Mithilfe der Bürgerinnen und Bürger angewiesen sei. „Die müssen uns auf ihre Grundstücke lassen, wenn es dort Brutstätten gibt“, sagt Reichle. Insgesamt sei die Unterstützung der Bevölkerung zwar sehr groß, es gebe aber auch immer wieder Fälle, in denen der Zutritt aufs Gelände verweigert wird. „Gibt es dort Massenbrutstätten, ist das natürlich ein Problem für die gesamte Bekämpfung in den jeweiligen Gebieten.“
Aktuell hätten zudem die häufigen Regenfälle der vergangenen Wochen den Schnakenjägern einen Strich durch die Rechnung gemacht. „Das bedeutete immer wieder Nachschub für die Brutstätten.“ Diese werden von Mitarbeitern der KABS mit dem biologischen Wirkstoff B.t.i. (Bakterium Bacillus thuringiensis israelensis) bearbeitet. Dieser wird per Hand ausgebracht und tötet nach Angaben der KABS „hochselektiv“ die Larven weniger Mückenarten ab. Für andere Tiere und Menschen sei der Wirkstoff unbedenklich.
Um auf die steigende Zahl von Tigermücken-Populationen in der Region zu reagieren, hat die KABS im Jahr 2020 eine Task Force gebildet, die sich allein um die Überwachung und Bekämpfung dieser Art widmet. Dennoch müssen nach Reichles Angaben in den kommenden Jahren die Strukturen weiter angepasst werden. „Sonst können wir den Vormarsch der Tigermücke nicht stoppen“, sagt er. Derzeit sei die Lage so angespannt, dass die Mitarbeiter in den wichtigen Positionen 150 bis 200 Prozent arbeiten müssten. Gerade die jährliche Suche nach Saisonkräften sei eine Herausforderung, für die sich Reichle in Zukunft festere Strukturen wünscht.
Während die Lage bei der Tigermücken-Bekämpfung also ernst ist, gibt es bezüglich der Rheinschnaken Positives zu vermelden. „Die Bekämpfung im Frühjahr und vor allem im Mai war ein großer Erfolg“, sagt der Wissenschaftliche Direktor. So habe eine größere Plage verhindert werden können. „Es war insgesamt ein normales Jahr“, bilanziert Reichle. Ein Selbstläufer sei aber auch das nicht gewesen. Insbesondere der Mai war seinen Angaben nach arbeitsreich. „Wir hatten am Rhein mehrere kurz aufeinander folgende Hochwasserspitzen. Das machte es uns sehr schwer, denn es ist sinnlos, in steigendes Wasser zu bekämpfen. Die Wirkstoffe werden einfach weggeschwemmt und verteilt“, erläutert er.
Drei Hubschrauber im Einsatz
Man habe also die ersten beiden Hochwasserspitzen abwarten müssen und dann nur einen sehr kurzen Zeitraum gehabt, in den Bruststätten die Wirkstoffe auszubringen. Die Larvenzahlen seien zu diesem Zeitpunkt „extrem hoch“ gewesen. „Die Dichte reichte teilweise bis über 1000 Larven pro Liter Wasser“, berichtet Reichle. Wegen des engen Zeitfensters habe man in dieser Phase alles mobilsiert. „Erstmals in der Geschichte der KABS waren drei Helikopter zeitgleich im Einsatz“, sagt er. „Daneben war alles auf den Beinen, was arbeiten kann“, schildert er. Der Aufwand habe sich gelohnt.
Und auch der Blick in die nächsten Wochen veranlasst Reichle zu vorsichtigem Optimismus. „Die Pegel sind tendenziell fallend. Wenn die Prognosen stimmen, dürfte da nichts Größeres mehr zu erwarten sein.“ Während in Sachen Tigermücke also die Alarmglocken schrillen, besteht Hoffnung auf ein ruhiges Ende der „normalen“ Schnakensaison, die in der Regel bis in die zweite Septemberhälfte dauert. /ü
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