Bergstraße. Tausende Schutzmasken für Pflegepersonal werden derzeit von freiwilligen Helfern an der Bergstraße genäht. „Ich für Dich“ heißt die Aktion, die im Rahmen der „Wir sind Bergstraße“-Initiative ins Leben gerufen wurde. Das Nichtstun während des aufgrund der Corona-Pandemie verordneten Kontaktverbots bewegte hunderte Bergsträßer nach einer öffentlichen Ankündigung, ihre Mitarbeit und Unterstützung anzubieten.
Der Aufruf richtete sich an alle, die bereit waren Schutzmasken für Pflegepersonal und Ärzte zu nähen. Die Resonanz ist überwältigend, sagen Bianca Scholz und Annalena Homa, Initiatorinnen der Initiative. Als „Hilfe zur Selbsthilfe“ verschickte der Hausärzteverband eine Nähanleitung für einen behelfsmäßigen Nasen-Mund-Schutz. Dieser ist allerdings weder geprüft noch zertifiziert und stellt lediglich ein Hilfsmittel dar.
Immer neue Ideen
Dennoch stellt sich für die Organisatorinnen nicht die Frage nach dem „Ob und Warum“. Noch fehlen die sehnlichst erwarteten FFP2-Masken. Ärzte und das Pflegepersonal helfen sich selbst, rationieren und verwenden Einmal-Artikel mehrfach.
Innerhalb von nur zwei Tagen bildete sich ein engagiertes Team von mittlerweile mehr als 20 Freiwilligen, die seitdem mit der Organisation und Koordination der Masken beschäftigt sind. Es entstehen immer neue Idee, von denen viele in einem immer größeren Netzwerk an der Bergstraße auch prompt umgesetzt werden. Bis Donnerstag wurden mehr als 300 Näh-Sets für 7200 Masken in den Räumlichkeiten der Nähwerkstatt „Hereinspaziert“ im Materialwert von 5200 Euro unter Mithilfe von vielen Ehrenamtlichen zusammengestellt und verteilt. Dieser Betrag wird von „Hereinspaziert“ der Scholzpharma GmbH in Bensheim gespendet. Dennoch benötigt die Initiative zusätzliche Spendengelder. Weitere 420 Sets mit Material für jeweils 24 Masken sind bereits gerichtet und werden nach Angaben der Initiatoren in diesen Tagen verteilt.
Die Nähschule „Genaehtes“ in Lorsch, der Online-Shop „Leni & Emma“ in Mannheim und das Stoffgeschäft „Der Zentimeter“ in Darmstadt nähen bereits seit vergangener Woche im Ehrenamt für das Alten- und Pflegeheim in Groß-Rohrheim auf Bitten des Pflegepersonals, das die noch corona-freien Patienten vor dem Virus schützen möchte.
Die 22 Gemeinden des Kreis Bergstraße haben sich entschlossen, das Projekt zunächst mit 11 000 Euro zu unterstützen. Genäht wird, solange Material da ist und sich ausreichend Freiwillige finden.
Seit vergangenen Montag gibt es eine eigene Facebook-Seite der „Ich für Dich“-Initiative mit allen Informationen rund um die selbstgenähten Schutzmasken. Nach der ersten Berichterstattung über das Projekt in der vergangenen Woche habe das Telefon nicht mehr stillgestanden, berichten die Initiatorinnen. Eine Flut von Nachrichten habe die eigens eingerichtete Telefon-Hotline und das E-Mail-Postfach info@schutzmaske-bergstrasse.de erreicht.
Um die Verteilung von selbstgenähten Masken möglichst schnell zu ermöglichen, hatte Ulrike Schürmann die Idee, fertige Nähsets mit den notwendigen Materialien für je 24 Masken in Teamarbeit zusammenzupacken und an die freiwilligen Helfer zu verteilen. Ein Tutorial wurde von Sonia Witte in Kooperation mit Julia Wegner passend zum Set aufgezeichnet und auf der Online-Video-Plattform Youtube veröffentlicht. Das Video wurde außerdem ins Englische und auf Hindi übersetzt und wird in dieser Form demnächst ebenfalls auf Youtube verfügbar sein. Geplant ist laut „Wir sind Bergstraße“ eine „systematische Verteilung des Tutorials über bekannte Netzwerke in Afrika und Indien“.
Fünf Abhol- und Abgabestellen
Fünf Abhol- und Abgabestellen wurden in der Kürze der Zeit eingerichtet: Bürgerbüro Heppenheim, die Nähschule „Genaehtes“ in Lorsch, T. Guthier, Weschnitzstr. 7, Bensheim, E. Kretzschmar, Karlstraße. 34a, Zwingenberg und V. Baumbusch, Europaring 25, Lampertheim.
Einen Fahrdienst gibt es ebenfalls. So fährt Uwe Behling aus Lampertheim seit Freitag zu den verschiedenen Einrichtungen und verteilt fertige Masken, aber auch Nähsets an die Ehrenamtlichen und vor allem die vielen nähfreudigen Seniorinnen an der Bergstraße, die das Haus derzeit nicht verlassen sollen. „Wir wollen schnell sein und handeln“, so Ulrike Schürmann und Bianca Scholz. Verteilt wird streng nach den Vorgaben an Pflegedienste, Altenheime, Hospiz-Einrichtungen, Arztpraxen sowie karitative Einrichtungen. „Über die Verteilung wird genau buchgeführt“, betont die Initiative.
Erste Übergabe am Freitag
Am Freitag waren über 1000 Masken in Heimarbeit genäht worden – von Lautertal über Rimbach bis nach Hirschhorn. Mehrere Generationen holten die Nähmaschinen aus dem Keller. 700 der so entstandenen Masken konnten dann am Freitag bereits an das Hospiz Bensheim, an Pflegedienste und Seniorenheime verteilt werden. Für jeden Mitarbeiter wurden zwei Masken ausgegeben. Die im Rahmen der Aktion hergestellten Schutzmasken sind waschbar bei 95 Grad und daher wiedereinsetzbar – allerdings nicht zertifiziert und nicht medizinisch oder anderweitig geprüft.
Die erhofften zertifizierten Schutzmasken der FFP2-Qualität, die auch Ärzte und das Pflegepersonal vor dem Virus schützen, sind aber noch nicht dort angekommen, wo sie dringend gebraucht werden. FFP2-Masken werden in zahleichen Branchen als Staub und Partikelschutz bei der Produktion getragen. Die Initiatoren von „Wir sind Bergstraße“ appellieren dringlichst an alle Unternehmen in der Region, die vorhandenen Lagerbestände der FFP2-Masken an Ärzte und Pflegepersonal zu spenden.
„Diese Krise fordert den Schulterschluss von allen Bürgern. Jede Idee und jedes Netzwerk hilft nun, diesen Ausnahmezustand hoffentlich bald wieder in den Griff zu bekommen und nicht sehenden Auges Teil einer furchterregenden Statistik zu werden. Wir brauchen unsere Ärzte und das Pflegepersonal. Wir müssen Sie vor der Erkrankung schützen“, sagt Bianca Scholz.
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