Bergstraße. Logo, Absender und Inhalt wirken täuschend echt. In der E-Mail wird man darum gebeten, seine Kontodaten zu erneuern. Ansonsten drohe ein massiver Datenverlust. Doch wer dem Link folgt, öffnet Kriminellen Tür und Tor.
Phishing (Aussprache: Fisching) findet nicht an Flüssen und Seen statt, sondern in den Untiefen des weltweiten Netzes. Darunter versteht man Versuche, über gefälschte Webseiten, E-Mails oder Kurznachrichten an die persönlichen Daten eines Internet-Nutzers zu gelangen.
Einschlägige Betrugsmaschen aus dem Bereich Cybercrime haben auch die Polizei in Südhessen immer wieder beschäftigt. Darunter Rechnungs-E-Mails im Namen großer Provider, in die ein Banking-Trojaner eingebettet sein könnte, mit dem man Kontodaten ausspionieren kann. Egal, ob pdf, jpeg oder doc-Datei: Hinter solchen Anhängen verbergen sich oftmals Schadprogramme, die ausgeführt werden, wenn man den Anhang öffnet oder auf die Festplatte kopiert.
Verschlüsseltes Paralleluniversum
„Viele E-Mail-Adressen werden im Darknet gehandelt“, so Kriminalhauptkommissar Michael Rühl, Fachberater Cybercrime (Computerkriminalität) und erfahrener Ermittler beim Polizeipräsidium Südhessen in Darmstadt.
In diesem verschlüsselten Paralleluniversum treiben sich abseits der konventionellen Suchmaschinen neben rechtschaffenen Akteuren auch eine Menge böser Buben herum. Wer seinen Computer vor ihnen schützen will, sollte wissen, wer und was sich hinter digitalen Besuchern so alles verbergen könnte.
Informationen aus erster Hand
Termingerecht zum „Safer Internet Day“ am vergangenen Dienstag hatten die Polizei Südhessen mit dem Kreis Bergstraße und der Senioreninitiative 50plus-aktiv ins Haus am Maiberg eingeladen, um aus erster Hand über Gefahren im Netz zu informieren – und darüber, wie man kriminelle Absichten erkennt und man sich schützen kann.
Gemeinsam mit der Verbraucherzentrale Hessen wurde der „Tatort Internet“ ausgeleuchtet und die wichtigsten Delikte erklärt. Bildungsreferent Titus Möllenbeck moderierte. Für die Veranstalter waren Reinhild Zolg, Gesundheitspräventionsbeauftragte des Kreises Bergstraße, und Kreisbeigeordneter Philipp-Otto Vock beim Maibergforum dabei, das mit gut 50 Teilnehmern sehr gut besucht war.
Rühl betonte in Heppenheim, dass der Verkauf von E-Mail-Adressen oder Telefonnummern keineswegs illegal sei, sondern diese Daten meist nur für Werbezwecke genutzt werden. Allerdings sollte jedem Internetnutzer bewusst sein, dass er durch sein persönliches Klick- und Surfverhalten mehr oder weniger zulässt, wie viel von seiner digitalisierten Persönlichkeit er ins offene Netz entlässt. Schon ein einziger Klick auf einen infizierten Anhang kann einen Virus ins System schleusen oder den kennwortgesicherten Zugang zum PC überwinden.
Gefährliche Eindringlinge
Über einen Hyperlink (Verknüpfungsschaltfläche) werden meist Downloads – oft unsichtbar – ausgeführt, die gefährliche Eindringlinge hereinlassen. Auf diese Weise können Daten ausspioniert und missbraucht werden. Rühl empfiehlt, diese E-Mails sofort zu löschen.
Andere Internetkriminelle nutzen Verschlüsselungs-Trojaner, um Rechner zu sperren. Für die Entsperrung verlangen sie Lösegeld, meist als Bitcoin. Betroffene sollten auf keinen Fall die geforderte Summe zahlen, sondern Anzeige erstatten, so der Cybercrime-Profi. Um sich vor solchen Schadprogrammen (Locky heißt eine bekannte, als Rechnung getarnte Software) zu schützen, sollte man regelmäßig Updates der Software und des Betriebssystems durchführen und eine aktuelle Anti-Viren-Software nutzen.
Auch Datenbackups vom Netzwerk auf getrennten Speichermedien bringen Daten in Sicherheit – und sind auch dann noch verfügbar, wenn die Festplatte geentert wird. Wenn das passiert, sollte man am besten das Gerät vom Stromnetz trennen und einen Experten zurate ziehen, der retten kann, was noch zu retten ist.
Für die Polizei ist Vorsicht besser als Nachsicht: Denn die Anzahl der virtuellen Straftaten ist enorm gestiegen, während die Aufklärungsquoten stagnieren, so Michael Rühl. Experten gehen davon aus, dass etwa 70 Prozent der Fälle ungelöst bleiben. Weil viele Betrugs- und Erpressungsdelikte nicht in Deutschland stattfinden, fließen sie nicht in die nationale Polizeistatistik ein. Die Dunkelziffer sei entsprechend hoch, so der Hauptkommissar.
Auch Geldwäsche findet im Internet statt. Und zwar besonders clever: Die Anrede klingt seriös, die Unterschrift ebenso und der „Nebenverdienst“ erscheint richtig lukrativ.
Erst Hirn, dann Rechner hochfahren
Ein Beispiel: Jemand überweiset einen Geldbetrag an einen Kontoinhaber, der dadurch ohne sein Wissen in die illegalen Machenschaften eingebunden wird. Dieser Betrag wird von den Tätern unter einem Vorwand (irrtümliche Überweisung) zurückgefordert, wobei der als Finanzagent missbrauchte Kontoinhaber für die entstandenen Unannehmlichkeiten einen Teil des Geldes behalten darf. Die Rücküberweisung soll allerdings nicht auf das Ursprungskonto gehen, sondern auf ein anderes Konto – oftmals im Ausland – transferiert werden. Dort verliert sich die Spur.
„Ruck zuck sind Sie im Visier der Ermittler“, sagt auch Nicole Hensel von der Verbraucherzentrale Hessen. Die Juristin erläuterte in Heppenheim, was man tun kann, wenn man zum Opfer geworden ist. „Die Online-Betrugsfälle häufen sich“, so Hensel in Heppenheim. Ihr Tipp: Alles kritisch hinterfragen – auch wenn es noch so glaubwürdig klingen mag. Sicherer surft, wer vor dem Rechner das Hirn hochfährt.
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