Invasive Art

Wegen Asiatischen Hornissen mit Rasierschaum und Säge angerückt

Die Asiatische Hornisse macht sich über heimische Bienen-, Wespen- und Wespenarten her. Die schnelle Verbreitung ist auch an der Bergstraße ein Problem.

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Nicole König und ihre Assistentin Maike Rothenheber haben vor Kurzem ein Nest invasiver Asiatischer Hornissen bei Sirona in Bensheim entfernt. © Ernst Lotz

Bensheim. „Es brennt. Als würde man sich eine heiße Nadel in den Körper stecken und sie nicht mehr rausziehen.” Nicole König hat ein Lachen auf den Lippen, als sie diesen Satz sagt. „Der letzte Stich ging glatt durch meine beiden Handschuhe durch.” Nicole König aus Bürstadt ist Hornissenberaterin. Und über eines kann sie sich momentan nicht beschweren: zu wenig Arbeit.

Zur aktuellen Jahreszeit sind kaum noch heimische und gemeine Wespen unterwegs. 80 Prozent der Wespen, die man jetzt noch im Freien anfindet, sind laut König Asiatische Hornissen. Die invasive Art, die den zungenbrecherischen Namen „Vespa velutina nigrithorax” trägt, hat sich auch an der Bergstraße breit gemacht. Für die Hornissenberaterin und ihre Kollegin Maike Rothenheber bedeutet das, dass es jede Menge zu tun gibt.

Die Plattform des Hubsteigers hebt sich langsam an. Die zwei Frauen, in dicke Schutzkleidung gehüllt, Masken und Schutzbrillen tragend, nähern sich langsam dem Nest, das in mehreren Metern Höhe in den Baumwipfeln hängt. Mit einem langen Rohr und Rasierschaum ausgestattet machen sie sich daran, das Nest der Hornissen zu verschließen. Mit einer kleinen Akku-Säge bereiten sie sich dabei einen Weg durch das Astwerk, ehe sie die Hornissen im Nest mit einem Spray betäuben.

Danach sägen die beiden Frauen den Ast, auf dem das Nest sitzt, ab und packen ihn samt Nest in eine große Tüte. Dabei sind sie konstant umschwärmt von um die zwei Zentimeter großen Hornissen, die mit der spontanen Umsiedlung ihres Zuhauses alles andere als zufrieden sind.

Die Entfernung des Nestes auf dem Firmengelände von Sirona läuft dennoch schnell und problemlos ab. Keine zehn Minuten dauert der Einsatz in der Baumkrone. „Wir hatten allerdings auch schon Nester, die schwieriger lagen und nicht so einfach zu erreichen waren. Da kann sich die Entfernung dann auch schon mal in die Länge ziehen.” Das ganze Vorhaben findet dabei stets in einem umweltschonenden Rahmen statt. Der Rasierschaum, der zum Versiegeln der Eingänge genutzt wird, ist wasserlöslich. Und auch das Betäubungsmittel hat auf die Umwelt keinen negativen Einfluss.

Nach dem Entfernen und Verpacken des Nestes wird es zur weiteren Auswertung an ein Bieneninstitut abgegeben. Dort werden Faktoren wie die Größe des Nestes und der Umfang der Brut ausgewertet, bevor die restlichen Hornissen abgetötet und entsorgt werden.

Suche und Entfernung von Hornissen-Nestern

Seit Juli ist Nicole König als Hornissenberaterin im Auftrag der Regierungspräsidien Darmstadt und Heidelberg unterwegs. Als sie sich in diesem Jahr Bienenstöcke in den Garten stellte, zogen dort auch die ersten Asiatischen Hornissen ein. Zuerst informierte sich König über die invasive Art und begab sich auf die Suche nach Nestern. Aus ihrem Interesse an der Natur und an Insekten heraus fand die 36-jährige gelernte Restaurantfachfrau ihre Berufung zum Schutz des heimischen Ökosystems und der Suche und Entfernung der Nester.
Eine Asiatische Hornisse. © dpa

Die Insekten vermehren sich schnell: Im vergangenen Jahr wurden acht Nester der invasiven Art an der Bergstraße entfernt. In diesem Jahr waren es bereits um die 90. Zwischen zehn und zwölf Nester die Woche haben Nicole König und Maike Rothenheber in letzter Zeit geborgen. „Die Hundert machen wir in diesem Monat ganz sicher noch voll.” Dass die Zahl ihrer Aufträge so stark gestiegen ist, liegt unter anderem daran, dass es nur wenige Fachkräfte für die Entfernung gibt.

Die Hornissennester befinden sich meist in mehreren Metern Höhe. Zu finden sind sie häufig in Bäumen, aber auch auf Dachböden, in Büschen und Hecken. Die grau-braunen Behausungen lassen sich gut an ihrer elliptischen Form und dem seitlichen Einflugloch erkennen. So wie das, das Nicole König und Maike Rothenheber am Freitagvormittag in Bensheim entfernt haben. „Das ist allerdings eher ein kleines Exemplar”, so König über das circa 40 bis 50 Zentimeter große Nest. Bis zu einem Meter groß können die Bauten der Tiere werden.

Wer ein Nest oder eine Hornisse entdeckt, ist dazu angehalten, einen genauen Blick darauf zu werfen. Die Asiatische Hornisse ist an ihrem überwiegend schwarzen Körper, dem dunklen Hinterteil mit orangenem Band und ihren gelben Beinen zu erkennen. Im Vergleich ist die Europäische Hornisse heller. Körper und Beine sind rötlich-braun, das Hinterteil ist gelb.

Tiere beim Land melden

Wichtig beim Monitoring der invasiven Art ist, dass Nester und Beobachtungen von Tieren gemeldet werden. Das kann man auf der Homepage des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (www.hlnug.de) oder per Mail (naturschutz@hlnug.hessen.de) tun. Wer auf dem eigenen Grundstück ein Nest findet, muss sich nicht davor scheuen, es ebenfalls zu melden. Für die Anwohner ist das Entfernen der Nester mit keinerlei Kosten verbunden. Sie werden vom Regierungspräsidium Darmstadt getragen.

Martin Weyrauch, Erster Vorsitzender des Starkenburger Imkerkreises, weiß um die Wichtigkeit der Meldungen. Invasive Arten wie die Asiatische Hornisse haben häufig ein Beutespektrum, das sich aus heimischen Arten, etwa europäischen Wespen und Hornissen, zusammensetzt. Durch eine starke Verbreitung der invasiven Art droht somit eine Verdrängung der hier heimischen Arten. Und das ist ein Problem, stellen doch Wespen, Bienen und europäische Hornissen wichtige Bestandteile des Ökosystems dar. „Jeder sollte daher wissen, dass es die Asiatische Hornisse gibt, und dass sie gemeldet werden muss.”

Die Asiatische Hornisse ist wohl nicht aufzuhalten

Ein Aufhalten der Verbreitung der Asiatischen Hornisse hält Weyrauch für unwahrscheinlich. Es sei eine ganz einfache Rechnung: in einem Nest der Asiatischen Hornisse können sich zwischen 100 und 200 Königinnen der Art aufhalten. Und jede dieser Königinnen hat das Potenzial, im Folgejahr ein eigenes Nest zu etablieren, welches sich wieder mit 100 bis 200 Königinnen füllt. Ob es an der Bergstraße möglich sei, dieser Lage Herr zu werden, darüber ließe sich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Beurteilung machen. „Allerdings steuern wir wohl auf eine Situation zu, in der wir lernen werden müssen, uns mit der Asiatischen Hornisse zu arrangieren.” Für die Imker würde das ein Umdenken in ihren bisherigen Arbeitsweisen bedeuten.

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Denn sind die Bienen im Sommer unterwegs, werden viele von ihnen von den invasiven Hornissen aus der Luft gefangen und an ihre Brut verfüttert. Im Winter finden sich die Bienen innerhalb ihrer Stöcke zur sogenannten „Wintertraube” zusammen und halten sich gegenseitig warm. Die Asiatische Hornisse ist weniger kälteanfällig und zu diesem Zeitpunkt noch fleißig unterwegs. Daher ist es für sie auch ein Leichtes, sich an den zusammengeballten Bienen im Stock zu bedienen.

Eine Idee der Imker, das Bienen-Buffet für die Hornissen zu schließen, ist, die Eingänge der Stöcke zu verkleinern. Groß genug für Bienen, zu klein für Hornissen. „Es ist auf jeden Fall einen Versuch wert”, sagt Weyrauch. Doch wie sich die Lage weiter entwickeln wird, lasse sich momentan noch nicht sagen. Allerdings schwinge die Hoffnung mit, durch gezielte Entfernung der Nester die Verbreitung im Zaum halten zu können. fw

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