Apfelwein - Reinhard Bitsch berichtet in seiner Kelterei in Lindenfels Glattbach über den fruchtig-spritzigen Klassiker / Ebbelwoi im Wandel der Zeit

„Apfel-Cuvée“ aus Glattbach gibt es ab November

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Sina Roth
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Bergstraße/Glattbach. „Klar und honigfarben muss er sein und rund im Geschmack“, so beschreibt Reinhard Bitsch den für ihn perfekten Ebbelwoi. In der angrenzenden Kelterei an den Hof im Lindenfelser Stadtteil Glattbach entsteht das fruchtig-spritzige Getränk mit fünf bis sechs Prozent Alkoholgehalt. Im Gespräch mit dieser Zeitung berichtet er von den alltäglichen Arbeiten auf dem Hof und dem Image des Apfelweins im Wandel der Zeit.

Auch wenn man den ersten Ebbelwoi aus diesem Jahr erst im November genießen kann, gibt es hier immer etwas zu tun. „Momentan muss zum Beispiel gemäht werden, manche der Apfelbäume müssen beschnitten werden. Heute habe ich auch die jungen Bäume gewässert, da es sehr trocken ist.“ Vielleicht nicht unbedingt notwendig, so Bitsch, aber gerade bei den jüngeren Bäumen gehe er lieber auf Nummer sicher. Seit 1969 gibt es den Familienbetrieb. Wo früher noch Oma und Opa tatkräftig angepackt haben, sind jetzt hauptsächlich Reinhard Bitsch und seine Frau Tanja am Werk, aber auch die Kinder packen mit an. Zur Apfelwein-Saison bringen Kunden kleine bis große Mengen Äpfel vorbei. Die ganzen Äpfel werden maschinell gewaschen, grob zerkleinert – etwa halb so groß wie der Fingernagel eines kleinen Fingers – und landen dann in der sogenannten Packpresse.

Der ganze Apfel wird verwertet

Dort werden die Apfelstücke in Tücher eingepackt und mithilfe von Blechen gepresst. „Dadurch, dass der Saft durch die Maische durchläuft, klärt er sich übrigens quasi von selbst“, berichtet der Diplom-Geologe, der sich sein Wissen bei der Arbeit auf dem Hof, aber auch durch Kurse angeeignet hat. Für hundert Liter Saft benötigt man 150 Kilogramm Äpfel. Verwertet wird übrigens der ganze Apfel – was nach dem Pressen übrigbleibt, ist Viehfutter.

Tausende Liter Saft entstehen hier pro Saison. Wenn der Saft zum Apfelwein veredelt werden soll, dann muss er auf der Hefe so lange in den Fässern reifen, bis er geschmacklich überzeugt.

Verkauft wird der Wein aus Äpfeln auf dem Hof in Glattbach übrigens nicht in Flaschen oder in Kanistern, sondern in Kunststoff-Beuteln – unter anderem aus Gewichtsgründen. Zu haben ist der Liter bei ihnen für etwa einen Euro. „Eigentlich viel zu günstig, wenn man bedenkt, wie ähnlich der Arbeitsaufwand zu dem eines Winzers ist“, findet Bitsch.

Doch nicht nur im Preis, auch in der Anerkennung sei Apfelwein bislang hinter dem Wein aus Trauben auf der Strecke geblieben. „Und das, obwohl die Vielzahl an Geschmäckern mindestens genauso groß ist“, ergänzt Bitsch. Die Anerkennung hinsichtlich des Apfelweins könnte demnächst allerdings wachsen, wenn er es tatsächlich auf die Kulturerbeliste schafft. Lange Zeit war vor allem Bier gefragt, erinnert sich Bitsch, Eppler sei eine „Randbewegung“ gewesen. „Seit den 2000ern geht es wieder bergauf, Apfelwein ist wieder im Kommen“, berichtet Bitsch. Insgesamt bessere Qualität des Apfelweins und ein höherer Preis – das sei eine wünschenswerte Entwicklung.

Reifes Obst als Basis

Besonders lecker – so findet Bitsch – wird der Apfelwein, wenn der Saft verschiedener Äpfel verwendet wird. „Ein Apfel-Cuvée quasi. Außerdem müssen die Äpfel natürlich reif und gesund sein. Dann gibt es einen runden Geschmack.“

Das Hauptgeschäft ist allerdings nach wie vor der Apfelsaft. Diesen verkauft er an Privatkunden, aber vor allem auch an Kunden aus der Gastronomie – Einnahmen, die zur Zeit des Lockdowns teilweise weggebrochen sind. Doch nicht nur Saft aus Äpfeln gibt es hier, sondern auch aus Quitten, Holunder und Birnen.

An Stillstand ist auf dem Hof nicht zu denken. „Ich selbst will noch ein paar Jahre weiter machen und überlege, mir eine neue Presse anzuschaffen.“ Die Kinder haben ebenfalls Interesse an der Arbeit, wie Bitsch erzählt.

In den vergangenen Jahren hat er außerdem rund 900 Apfelbäume angepflanzt, teilweise noch sehr junge, die viel Pflege brauchen. Ab nächstem Jahr könnte hier maschinell geerntet werden – so die Überlegung. In den Herbstferien helfe aber die Familie noch bei der Ernte per Hand mit.

Digitalisierung auf dem Hof

„Bei uns ist inzwischen übrigens jeder Baum auch im Computer eingetragen. So kann man zum Beispiel vermerken, welcher Baum von Schädlingen befallen war und später überprüfen, ob die Maßnahmen zielführend waren.“

Den ersten Apfelwein des Jahres könne man voraussichtlich im November genießen – Kunden sollten sich vorab telefonisch bei der Familie anmelden.

Der Weg zum Kulturerbe

Aus Hessen hat es bisher nur der hessische Kratzputz auf die Bundesliste geschafft. Außer dem Apfelwein hat das Wissenschaftsministerium auch den Tabakanbau in Lorsch, das Uhrmacherhandwerk und die „Herbsteiner Foaselt“, eine Veranstaltung am Rosenmontag, für die Bundesliste nominiert.

Jetzt muss das Sekretariat der Kultusministerkonferenz über den hessischen Antrag entscheiden, das Expertenkomitee Immaterielles Kulturerbe, das von der Geschäftsstelle Immaterielles Kulturerbe der Deutschen Unesco-Kommission einberufen wird.

Anschließend müssen die Empfehlungen bestätigt werden. ssr

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