Einst das Zuhause eines echten Abenteurers in Bensheim

Das Haus Heidelberger Straße 21 in Bensheim wurde 1878 gebaut. Das ist seine Geschichte.

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tn
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Die Heidelberger Straße 21 damals.

© Thomas Neu

Bergstraße. Unsere erste Ausgabe der Bergsträßer Ansichtssachen im Jahr 2025 führt uns in die Heidelberger Straße 21 in Bensheim. Das 1878 erbaute Haus der Kindertagesstätte Sankt Albertus gehört seit dem Jahr 1909 zur katholischen Kirche – dass es zuvor das Zuhause eines echten Abenteurers war, hat der frühere Bensheimer Stadtarchivar Manfred Berg herausgefunden. Vorbesitzer war Cuno Damian Freiherr von Schütz zu Holzhausen, der mit seiner Ehefrau Paula, geborene Reichsfreiin Raitz von Frentz, bis zu seinem Tod am 23. Juni 1883 in dem Haus wohnte.

Der Freiherr war Forscher und Abenteurer und wollte unter anderem Auswanderer aus Deutschland und Österreich zur Gründung von Kolonien in Südamerika begeistern. Als Nachfahre eines nassauischen Hofrates hatte er in Gießen und Heidelberg studiert.

1846 verließ er für wissenschaftliche Exkursionen Europa, zunächst in Richtung Texas, um dann nach Kalifornien und Mexiko weiterzureisen. Mit dem Segelschiff „Champion of the Sea“ setzte er von dort nach Peru über. In Peru angekommen, untersuchte der spätere Wahl-Bensheimer, welche Siedlungsmöglichkeiten es in der Region gab. Zeitweise hatte sich sogar der Außenminister von Peru der Expedition des Deutschen angeschlossen.

In der Heidelberger Straße 21 ist heute die Kita St. Albertus zu finden.

© Thomas Neu

Nach einem kurzen Zwischenstopp in der deutschen Heimat zog es den Adelsmann Ende 1855 erneut nach Südamerika, wo er Kontakt mit dem späteren Staatspräsidenten von Peru aufnahm. Von Antwerpen aus machten sich dreihundert Menschen im Jahr 1856 auf die lange und gefährliche Reise und segelten mit von Schütz zu Holzhausen ums Kap Horn.

Die Aussiedler sollten an der Eisenbahntrasse von Lima zum Amazonas mitarbeiten. Er wollte eine Verbindung vom Atlantik zum Pazifik schaffen. Nur 160 Überlebende kamen in ihrer neuen Heimat an. Eine von ihm gegründete Siedlung in den Bergen von Peru existiert noch heute. Dort spricht man einen deutschen Dialekt und pflegt Tiroler Bräuche. Das Leben des Cuno Damian Freiherrn von Schütz zu Holzhausen würde sicher als Drehbuchvorlage für einen Abenteuerfilm taugen.

Nach der Rückkehr nach Deutschland heiratete der Weitgereiste die Reichsfreiin Paula. Nach Aufenthalten in Worms und Weinheim zog das Paar nach Bensheim und wohnte in der Heidelberger Straße 21, die damals noch Heppenheimer Straße 77 war.

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In Bensheim veröffentlichte der Abenteurer zahlreiche Bücher über seine Reisen, die zum Teil noch nach seinem Tod 1883 erschienen. Für 22 500 Reichsmark verkaufte die Witwe das Haus, wie eingangs erwähnt, im Jahr 1909 an die katholische Kirche, die ein Kinderasyl für Waisenkinder eröffnete, das von Hospitalschwestern und Ordensschwestern der Liebfrauenschule geleitet wurde. Elf Jahre später wurde dann erneut eine Krippe für 50 Kleinkinder eröffnet, die zunächst in der Ernst-Ludwig-Straße untergebracht war. 1955 erfolgte der Umzug in das jetzige Domizil in der Heidelberger Straße. Namensgeber des Albertus-Kindergartens war der frühere Mainzer Bischof Dr. Albert Stohr.

Die Informationen über das Haus verdanken wir dem ehemaligen Stadtarchivar Manfred Berg, der im Jahr 2016 im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Orte, Menschen und ihre Geschichten“ über die Historie des alten Gebäudes der Kita Sankt Albertus referiert hat. Das historische Foto verdanken wir Peter Scheid, der es uns aus dem Archiv seines Vaters Fritz Scheid zur Verfügung gestellt hat.

Erwähnenswert ist auch das unter Denkmalschutz stehende Wegkreuz vor dem Haus. Es stand früher an der Ecke Heidelberger Straße/Friedhofsstraße und stammt aus dem Jahr 1758./ tn

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