Wirtschaft - Das Stühlerücken bei Dentsply Sirona erreicht jetzt auch den Standort Bensheim / Mit Rainer Berthan geht der seitherige starke Mann

An der Siemensstraße wird eine Schallmauer durchbrochen

Von 
Karl-Heinz Schlitt
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Bensheim. Das große Stühlerücken in den obersten Etagen von Dentsply Sirona macht jetzt auch vor dem Standort Bensheim nicht Halt. Mit Rainer Berthan wird einer von zwei örtlichen Geschäftsführern zum Jahresende das Unternehmen verlassen.

Bereits im Sommer war das Top-Management ausgetauscht worden, allen voran CEO Jeff Slovin. Der US-Amerikaner war nach dem Zusammenschluss der beiden Firmen Dentsply und Sirona im Frühjahr vorigen Jahres so etwas wie der Bensheimer Brückenkopf in der Konzernzentrale. Bevor er zum Vorstandschef aufstieg, stand Slovins Schreibtisch an der Werner-von-Siemens-Straße. Sirona Bensheim kannte er wie seine Westentasche - kein schlechtes Gefühl für die 1700 Mitarbeiter am weltweit größten Produktions- und Entwicklungsstandort des globalen Marktführers für die Ausstattung von Zahnarztpraxen und Dentallabors mit Geräten und Verbrauchsmaterial.

Mit dem bisher als Vice President für den Bereich Produktion, Logistik und Prozessmanagement entlang der gesamten Wertschöpfungs- und Lieferkette zuständigen Rainer Berthan scheidet nun ein weiterer Sachwalter Bensheimer Interessen mit Sirona-Stallgeruch aus der Konzernspitze aus.

Das muss keine negativen Auswirkungen vor Ort haben. Die Kontinuität ist gewahrt. Als Geschäftsführer wird Michael Geil, der sich bisher diese Aufgabe mit Berthan aufgeteilt hatte, künftig alleiniger "Platzhirsch". Er erhält zudem erweiterte Zuständigkeiten. Außer am Standort trägt er die Verantwortung für das weltweite Geschäft mit Behandlungseinheiten für die Zahnarztpraxis.

Insgesamt steckt hinter der personellen Neuaufstellung in der Unternehmensleitung die Philosophie, die Führungsstrukturen zu verschlanken und die Entscheidungswege zu verkürzen. Eine wichtige Rolle spielt dabei Dominique Legros. Der ehemalige Dentsply-Manager leitet von Bensheim aus den einen von künftig zwei strategischen Geschäftsbereichen: nämlich das vorher von Sirona bestellte Technologiegeschäft - vom komplex ausgestatteten Zahnarztstuhl bis zu modernsten bildgebenden Geräten. Mit zum Portfolio gehören aus der alten Dentsply-Welt Implantate und Prothetik sowie Produkte und Dienstleistungen für die Urologie und Chirurgie.

An der Bergstraße hat sich der Manager, der auch hier wohnt, bestens eingelebt. So wurde der passionierte Handballfan schon wiederholt in der Weststadthalle bei den Heimspielen des Frauen-Bundesligisten Flames gesichtet. Michael Geil fungiert dort bekanntlich als ehrenamtlicher Geschäftsführer.

Die Chemie zwischen den beiden Führungskräften stimmt auch im Job. Der Plan, den Standort Bensheim auszubauen, bleibt vom Revirement in der Managementspitze von Dentsply Sirona unberührt. Zwischen den Jahren werden die ersten Kartons für den Umzug von Mitarbeitern ins ehemalige Gebäude der benachbarten Firma Tonbeller gepackt. Bis April soll die Immobilie bis unters Dach belegt sein. Im vor Kurzem ebenfalls erworbenen, westlich angrenzenden ehemaligen Verwaltungsgebäude der Sparkasse Bensheim sind die Umbauarbeiten in vollem Gange. Ab Februar sollen nach und nach die Büros bezogen werden.

Insgesamt werden bis Herbst 300 neue Mitarbeiter an der Siemens-Straße unterzubringen sein. Der Großteil kommt von anderen Standorten, unter anderem aus Mannheim. In der Quadratestadt hatte Dentsply vor dem Zusammenschluss ein Standbein, das im Zuge der Fusion mit Sirona und der damit verbundenen Umorganisation nicht mehr gebraucht wird. Dafür wird die Mitarbeiterzahl in Bensheim auf über 2000 steigen und damit eine Schallmauer durchbrochen.

Der Integrationsprozess läuft. Dass es dabei hin und wieder knirscht, ist ein offenes Geheimnis. Rainer Berthan, vier Jahre lang der starke Mann in Bensheim, wird damit nichts mehr zu tun haben. Unter seiner Führung war zuletzt kräftig in neue Gebäude und Produktionslinien investiert worden. Umso überraschender kam der Schnitt zum Jahreswechsel. Der Betriebswirt spricht vom "richtigen Zeitpunkt für neue Herausforderungen". So liest sich das immer, wenn über eine "einvernehmliche Trennung" berichtet wird. Bis vor Kurzem hatte Berthan noch ganz andere Zukunftspläne geschmiedet. So kurzlebig ist das Geschäft - und so dünn die Luft in den Chefetagen großer Unternehmen.

300 Köpfe mehr am Standort Bensheim

Mit der Tonbeller- und der Sparkassen-Immobilie an der Werner-von-Siemens-Straße wächst das Betriebsgelände des fusionierten Unternehmens Dentsply Sirona in Bensheim auf mehr als 200 000 Quadratmeter.

Mit aktuell 1700 und bald mehr als 2000 Mitarbeitern ist der Weltmarktführer der Dentalbranche nicht nur der mit Abstand größte Arbeitgeber in der Stadt und im Landkreis. Dentsply Sirona bleibt auch der beste Gewerbesteuerzahler - auch wenn sich hartnäckig Gerüchte halten, dass der warme Regen für die Bensheimer Stadtkasse geringer ausfallen wird.

Dafür herrscht bei den Aktionären eitel Sonnenschein. Nach ernüchternden Zahlen zu Beginn des Jahres meldet das Unternehmen für das dritte Quartal ein sehr gutes Ergebnis, das sich auch an der Börse niederschlägt. Der Ausblick aufs vierte Quartal lässt darauf hoffen, dass die positive Entwicklung anhält.

Aktuell notiert die Aktie bei um die 69 US-Dollar. Ein vorübergehender drastischer Kurssturz auf unter 53 Dollar im Sommer ist längst Schnee von gestern.

Zum Jahresende, so scheint's, befindet sich das fusionierte Unternehmen endlich auf Kurs. Das bringt auch Rückenwind für den Standort Bensheim als zentrale Drehscheibe für den deutschen und europäischen Markt. An der Werner-von-Siemens-Straße wird ein Drittel des Umsatzes erwirtschaftet.

Bensheim hat als Fertigungs- und Entwicklungsstandort Nummer eins für Hightech-Geräte und hochwertige Verbrauchsmaterialien für die Zahnmedizin daran maßgeblichen Anteil. sl

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