Bergstraße. Im Kreis Bergstraße passiert es im Durchschnitt 1400 Mal im Jahr – davon alleine in der größten Stadt Bensheim rund 335 Mal. Das bedeutet: Etwa alle sechs Stunden begeht ein Mensch im Kreisgebiet eine Verkehrsunfallflucht. Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort ist keine Bagatelle, betont Juliane Ries. „Es handelt sich dabei um strafrechtlich relevante Handlungen“, so die Leiterin der Polizeidirektion Bergstraße. Doch die Tragweite des Delikts ist wenigen bekannt.
Aufklären und sensibilisieren
Genau aus diesen Gründen hat die Polizeidirektion eine neue Präventions-Aktion ins Leben gerufen. In Zusammenarbeit mit Supermärkten und Geschäften im Kreisgebiet sowie dem Ärztezentrum in Auerbach sollen verschiedene Plakate und Banner an hoch frequentierten Parkplätzen über Verkehrsunfallfluchten aufklären und zur Sensibilisierung beitragen.
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Eine Station war zum Auftakt der Baumarkt-Parkplatz am Berliner Ring. Denn wo sich viele Fahrzeuge auf kleinem Raum bewegen, kommen Parkrempler mit Blech- und Lackschäden besonders häufig vor. Die Polizei betont: Im Falle eines Unfalls ist es wichtig, sofort die Polizei zu rufen und am Ort zu bleiben. Die Versicherung übernimmt den Schaden, der für die Opfer nicht selten beachtlich ist.
Verantwortung übernehmen
Wer sich aus dem Staub macht, muss mit ernsthaften rechtlichen Konsequenzen rechnen. Daher sollte jeder Einzelne Verantwortung übernehmen und an der Unfallstelle warten, bis der Besitzer des beschädigten Fahrzeugs zum Wagen kommt. Ein Zettel mit einer Telefonnummer oder Adresse am Scheibenwischer reicht nicht. Denn es ist nicht garantiert, dass die Notiz bis dahin am Fahrzeug bleibt.
Zudem wird ein großer Teil der Unfallfluchten von der Polizei durch akribische Ermittlungsarbeit aufgeklärt. Deshalb sollte sich kein Unfallflüchtiger sicher sein, dass er unentdeckt bleibt, so Juliane Ries. Die zuständige Sachbearbeiterin der Polizeistation Bensheim, Regina Engelberth, meldet eine Aufklärungsquote von annähernd 50 Prozent.
Polizeihauptkommissar Dirk von Hammel, Leiter der Polizeistation, will die Aufklärungserfolge weiter steigern. Um schnell und gezielt – auch mit kriminaltechnischen Methoden – ermitteln zu können, sei die Polizei aber auf die Mithilfe der Bürger angewiesen. Wer ein Delikt beobachtet, sollte dieses melden und als Zeuge zur Verfügung stehen.
Nein zum Vorschlag des Ministers
Den Vorschlag von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), der jüngst forderte, Unfallflucht ohne Personenschaden zu entkriminalisieren und als Ordnungswidrigkeit statt als Straftat einzustufen, lehnt von Hammel ab.
Die Rechtslage müsse bleiben, wie sie ist: Wer sich unerlaubt entfernt, begeht in jedem Fall eine Straftat. Es drohen eine Geld- oder Haftstrafe von bis zu drei Jahren. Je nach Höhe des Schadens mindestens zwei Punkte in Flensburg oder der Entzug der Fahrerlaubnis nicht unter sechs Monate. So steht es unter Paragraf 142 Absatz 1 im Strafgesetzbuch.
Verursacher müssen warten
Schon jetzt würden viele Unfallopfer auf Sachschäden sitzen bleiben. Eine Abschwächung des Delikts würde die Zahl wohl erhöhen, so der Polizeichef. Und wenn der Täter nicht erwischt wird, kann es für die Opfer teuer werden. Denn hier springt nur eine Vollkasko-Versicherung ein. Allerdings abzüglich der Selbstbeteiligung. Und beim Schadensfreiheitsrabatt werden auch die Opfer zurückgestuft.
Die Art der Fortbewegung spielt im Falle einer Kollision übrigens keine Rolle, sondern nur die Beteiligung am Unfall. Auch wenn man mit dem Einkaufwagen ein Auto rammt, greift das Gesetz. Falls ein Fußgänger oder Radfahrer einen Schaden verursacht, muss er oder sie wie alle anderen Verkehrsteilnehmer am Unfallort eine „angemessene Zeit“ (mindestes 20 bis 30 Minuten) warten, bis der Fahrzeugbesitzer kommt. Ist mit dessen Erscheinen nicht zu rechnen, muss der Unfallverursacher die Polizei verständigen.
Vielfältige Gründe
Die Gründe, weshalb Verkehrsteilnehmer Unfallflucht begehen, sind vielfältig: Man will nicht in der Versicherung hochgestuft werden, fährt betrunken oder unter Drogeneinfluss oder will sich nicht eingestehen, etwas falsch gemacht zu haben. Die Polizei rät: Wer sich seiner Verantwortung stellt, riskiert keine strafrechtliche Verfolgung. Dies gilt übrigens nicht nur für beschädigte Fahrzeuge, sondern auch für Verkehrs- oder Hinweisschilder sowie Leitplanken, Poller oder Bäume. In jedem Fall gilt allerdings, dass nur derjenige Unfallflucht begeht, der den Schaden bemerkt. Ansonsten ist kein Vorsatz gegeben.
Dirk von Hammel hält die Präventionskampagne für sinnvoll und wichtig. Gerade beim Thema Unfallflucht gebe es noch eine Menge Aufklärungsbedarf. Auch Juliane Ries hofft auf weniger Straftaten durch eine Sensibilisierung der Menschen. Deshalb geht die Polizei genau an jene Orte, an denen kleine Rempler am häufigsten passieren.
„Prävention ist der Schlüssel“, so die Leiterin der Polizeidirektion Bergstraße. Nach einem Jahr soll die Bensheimer Plakat-Kampagne („Unfallflucht hat Folgen!“) evaluiert werden. Supermärkte oder andere Geschäfte im Zuständigkeitsbereich der Polizeistation Bensheim sind eingeladen, sich an der Initiative zu beteiligen.
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