Bergstraße. Der Juni zählt bekanntlich nicht zu den besten Börsenmonaten. Hinzu kommt in diesem Jahr, dass das Hin und Her von US-Präsident Donald Trump in Sachen Zölle nicht gerade für planbare Rahmenbedingungen spricht. Umso verwunderlicher ist jedoch, dass sich die Aktienmärkte noch immer in der Nähe von Jahreshöchstwerten halten, allerdings mit Schwankungen, was wiederum Unsicherheit signalisiert.
Unterschiedlich entwickelt haben sich so auch die Depots im BA-Aktienranking. Während das Depot Bergstraße/Südhessen in den vergangenen vier Wochen um zwei Prozent an Wert verlor, legte das Depot Rhein-Neckar um zwei Prozent zu. Das Depot Rhein-Main verbuchte sogar einen Wertzuwachs von acht Prozent. Und immer waren es Einzelwerte, die das ganze Depot nach oben oder nach unten zogen.
Im Depot Bergstraße/Südhessen war vor allem die Merck-Aktie für die Gesamtverluste verantwortlich. Und das nicht erst seit kurzem. Seit Jahresbeginn hat das Papier um fast 20 Prozent an Wert verloren. Zuletzt drückten Drohungen des US-Präsidenten auf den Kurs. Der avisierte Zölle für europäische Pharmakonzerne auf dem US-Markt. Und der ist mit Abstand der mit den höchsten Margen. Zuletzt hatte Merck auch noch die Jahresprognose zurückgenommen, was den Kurs weiter drückte.
Neuer Antikörper gegen Dickdarmkrebs
Immerhin flammt unter den Finanzanalysten wieder etwas Hoffnung auf. Die auf einer Krebsforschertagung präsentierten Studiendaten zu einem Antikörper gegen Dickdarmkrebs zeigten eine weiterhin ermutigende Wirksamkeit, meint Richard Vosser von der US-Bank JPMorgan. Und Falko Friedrich von Deutsche Bank Research war nach einer Gesprächsrunde mit dem Merck-Management zufrieden. Ein Haar in der Suppe sei allerdings die Schwäche im Bereich Science & Lab Solutions (Laborausrüstung).
Drei Regionen – drei Depots: Das Aktienranking des Bergsträßer Anzeigers
Der Bergsträßer Anzeiger hat verschiedene regionale Aktiendepots zusammengestellt und berichtet in regelmäßigen Abständen über die Entwicklung dieser (fiktiven) Geldanlagen .
Im Depot Bergstraße/Südhessen sind die Anteilsscheine des Dentaltechnikweltmarktführers Dentsply Sirona enthalten, ebenso die Papiere von TE Connectivity. Beide Konzerne sind an US-Börsen notiert. Für den besseren Vergleich werden Euro-Wechselkurse verwendet. Mit von der Partie sind die Anteilsscheine des Flurfördertechnikunternehmens Jungheinrich und des Zwingenberger Biotechunternehmens Brain. Nicht fehlen darf natürlich der Dax-Konzern Merck aus Darmstadt.
Im Depot Rhein-Neckar liegen Aktien des Softwarekonzerns SAP, des Mannheimer Energieversorgers MVV, von Südzucker, dem Schmierstoffkonzern Fuchs Petrolub sowie der BASF.
Das Depot Rhein-Main enthält Papiere der Deutschen Bank und der Commerzbank, sowie von Lufthansa und Fraport. Hinzu kommt der Bad Homburger Fresenius-Konzern. mir
Die anderen beiden Schwergewichte im Depot Bergstraße/Südhessen, Dentsply Sirona und TE Connectivity entwickelten sich stabil. Nachdem sie seit Mitte April kräftig Wert gewonnen hatten. Dentsply Sirona scheint aus seinem tiefen Börsental langsam herauszukommen. Auf dem für den Standort Bensheim wichtigen deutschen Markt lieferte das Unternehmen zuletzt das dritte Wachstumsquartal in Folge. Hinzu kamen noch steigende Margen. Bis zu alten Höhen ist es aber noch ein weiter Weg. Vor einem Jahr war der Aktienkurs noch fast doppelt so hoch.
Mit viel Schwung kam der Aktienkurs von TE Connectivity aus seinem tiefen April-Tal und notiert wieder in bekannten Höhen. Dazu passt, dass die Kurzarbeit am Standort Bensheim Ende April auslief. Das Unternehmen hängt stark von der Konjunktur von Elektroautos ab. Es stellt unter anderem Steckverbindungen her, die den Fluss von Daten, Strom und Signalen in Autos steuern. Pläne der Bundesregierung E-Autos stärker zu subventionieren, dürfte TE Connectivity einen weiteren Schub geben.
Erneut keine guten Nachrichten von Brain aus Zwingenberg
Weniger Umsatz und höhere Verluste, das könnte die Standardüberschrift über Quartalberichten des Zwingenberger Biotech-Unternehmens Brain sein. So zuletzt auch vor wenigen Tagen. Gleichzeitig kündigte Brain an, den auf Enzyme und Starterkulturen für die Getränkeherstellung spezialisierten Standort in Büttelborn zu schließen. Die Anlage wurde im Dezember 2019 eingeweiht. Dort wurden Produkte wie Enzyme, Hefen und Prozesshilfsmittel zur Herstellung von Frucht- und Gemüsesäften, Wein, Bier sowie Bioethanol entwickelt und produziert. Die Produktion wird an den Standort in den Niederlanden verlagert, die Enzymsparte nach Zwingenberg.
Im Depot Rhein-Neckar war zum wiederholten Mal der Softwarekonzern SAP das große Zugpferd. Und es könnte noch weiter aufwärts gehen. Schon ist von einem „ewigen Aufschwung“ die Rede. Neun Finanzanalysten, die den Konzern regelmäßig beobachten, raten zum Kauf der Aktie. Stellvertretend für viele meint Johannes Schaller von Deutsche Bank Research, das SAP noch ganz am Anfang einer mehrjährigen starken Wachstumsphase stehen. Michael Briest von der Schweizer Großbank UBS berichtet von der jüngsten Kundenmesse „Sapphire“. Die habe gezeigt, dass trotz wirtschaftlichem Gegenwind die Nachfrage nach SAP-Produkten robust sei.
Einen Sprung nach oben machte auch das Papier des Schmierstoffkonzerns Fuchs Petrolub. Allerdings weist Oliver Schwarz vom Analysehaus Warburg Research darauf hin, dass US-Zölle den Umsatz bremsen können, aber niedrigere Rohstoffkosten den Margen helfen. Der Konzern selbst rechnet jedoch kaum mit einer direkten Belastung durch US-Zölle. Die könnten allerdings indirekt, bei der Fuchs-Kundschaft, etwa aus der deutschen Automobilindustrie, ins Kontor schlagen.
Flugreisenachfrage nutzt der Lufthansa wenig
Für Aufwind im Depot Rhein-Main sorgte der Flughafenbetreiber Fraport. Dessen Aktienkurs machte in den vergangenen Wochen einen Sprung von rund zehn Prozent. Harishankar Ramamoorthy von Deutsche Bank Research weist darauf hin, dass Risiken wie der mangelnde Kapazitätsausbau der Airlines inzwischen wohlbekannt sei. Offensiver argumentiert Dirk Schlamp von der DZ Bank. Er nennt die anhaltend robusten Nachfrage im Flugreiseverkehr, insbesondere im touristischen Segment, sowie der erwarteten saisonalen Belebung im Sommer. Der Frankfurter Flughafenbetreiber profitiere von Kapazitätsausweitungen - unter anderem durch Condor – und positiven Impulsen aus dem internationalen Beteiligungsportfolio in Griechenland, Lima und Antalya.
Die robuste Flugreisenachfrage nutzt hingegen der Lufthansa wenig. Auch wenn der Aktienkurs mal wieder die Marke von sieben Euro überwunden hat. Alex Irving vom US-Analysehaus Bernstein Research macht jedoch Hoffnung. Nicht nur Flugzeuge bestimmten über die Ertragskraft der Flugbranche, sondern auch die zunehmend wichtiger werdenden Start- und Landerechte. Denn für viele der wichtigsten europäischen Flughäfen sei der Zugang kapazitätsbedingt eingeschränkt. Diese Situation bringe für dominante Netzwerk-Fluggesellschaften strukturelle Vorteile, darunter eben auch Lufthansa. Skeptischer ist Dirk Schlamp von der DZ Bank. Auf den margenstarken Nordatlantikrouten zeigten sich erste Schwächesignale vor allem im preissensiblen Kundensegment.
Die Aktie der Deutschen Bank hält sich stabil in der Nähe ihres Fünfjahreshochs. Im aktuellen Wirtschaftsumfeld seit Jahresbeginn gebe es eine starke Divergenz zwischen der Entwicklung der erzielten Einnahmen im Handelsgeschäft und den Erträgen im klassischen Investmentbanking, also unter anderem der Beratung bei Börsengängen, Kapitalmarktemissionen oder Übernahmen, zählt Anke Reingen von RBC aus Kanada auf. Die im April entstandenen Börsenschwankungen hätten dies ausgelöst. Aktuell sei die Volatilität zwar gemildert, aber immer noch auf hohem Niveau.
Bundesregierung gegen Verkauf der Commerzbank
Ebenfalls im Bereich des Fünfjahreshochs notiert die Aktie der Commerzbank. Die Übernahmephantasie durch die italienische Unicredit, die den Kurs zuletzt beflügelte, schwindet so langsam. „Wie bereits mehrfach betont, setzt die Bundesregierung auf eine eigenständige Commerzbank“, schrieb Bundeskanzler Friedrich Merz in einem Brief an den Betriebsratsvorsitzenden der Bank. Des Weiteren ist von einem unfreundlichen Vorgehen der Italiener bei der systemrelevanten Commerzbank die Rede. Unicredit hält bereits 28 Prozent der Commerzbank-Aktien. Und kann auf Zeit spielen. Denn die Commerzbank muss nun den hohen Kurs durch eigene Gewinne rechtfertigen und nicht als Braut, die sich so teuer wie möglich verkaufen will.
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