Bergstraße. Extremer könnte der Kontrast nicht sein: In geselliger Runde stehen die Hundeführerinnen vom Bergsträßer Agility Club vor dem Training auf dem Hundeplatz in Biblis beisammen, um in Ruhe auf den Geburtstag einer Vereinskollegin anzustoßen. In großer Aufregung verfolgen dagegen ihre treuen Vierbeiner in gewissem Abstand den Umtrunk ihrer Frauchen. Sie sind völlig aus dem Häuschen, bellen und zerren an den Leinen. Denn sie können es kaum abwarten, auf den Parcours zu gehen – Vorfreude pur. Es dauert auch nicht lange, bis die Hundeführerinnen dem lautstarken Drängen nachgeben. Konzentriert absolvieren sie ihr Training mit dem festen Ziel vor Augen: Am Wochenende wollen sie erneut den Mannschaftstitel bei den Deutschen Meisterschaften erringen.
Vor genau einem Jahr 2023 schaffte der Club den bisher größten Erfolg in der Vereinsgeschichte: In Luthe bei Hannover standen die „BAC Fighter“, so nennt sich das Wettkampfteam des Agility Clubs, ganz oben auf dem Treppchen. Eine hervorragende Leistung, immerhin waren dort 500 Hunde am Start. Das Projekt „Titelverteidigung“ gehen die Sportlerinnen am heute und morgen in Hamburg an, allerdings nur mit fünf und nicht mit möglichen sieben Hunden. „Wir können uns leider keine Streichergebnisse leisten“, sagt Melanie Fidekke aus Riedrode. Sie ist nur als Zuschauerin dabei; ihr Hund kann aus gesundheitlichen Gründen nicht mitmachen. Trotz dieses Handicaps ist sich Melanie Fidekke sicher: „Wir holen uns den Titel noch einmal.“
Strecke wird von den Teilnehmern vor dem Start abgelaufen
Nebenbei: Der Bergsträßer Agility Club ist fest in Frauenhand. Hahn im Korb ist der Vorsitzende Arno Händschke, der selbst keinen Hund an den Start bringt, sondern sich „nur“ um die Organisation und das Wohl des Teams kümmert. Dieser Sport werde, das betont Marlene Fromm aus Lampertheim, von Frauen dominiert. „Für den Hund muss man sich zum Affen oder Idioten machen“, erklärt Trainerin Nina Händschke aus Reichenbach. Wenn es sein müsse, krabbele man auch mal durch die Röhre, um den Hunden zu zeigen, was verlangt werde. Männer würden sich damit schwertun, Hunde permanent zu animieren. Es fehle ihnen vor allem an Geduld, so die einhellige Meinung der Sportlerinnen. Apropos Geduld: Wer zu wenig Geduld, Einfühlungsvermögen oder keine enge Beziehung zu seinem Hund hat, ist beim Agility-Hundesport fehl am Platz. Die Übungen sehen für den Laien einfach aus, sind aber extrem anspruchsvoll. Vor allem die Abfolge der Parcoursaufgaben verlangt Hund und Frauchen alles ab. Und: Jeder Parcours besteht aus 22 Hindernissen und sieht bei jedem Wettkampf anders aus.
Keine Leine, keine Leckerlis während des Wettkampfs
Bevor die Teilnehmer an den Start gehen, wird daher die Strecke abgelaufen. Ein Abweichen vom korrekten Weg wäre fatal. Eingebaut sind Sprünge, das Durchlaufen von Röhren, die Bewältigung eines schmalen und zudem erhöhten Steges – die schwierigste Aufgabe – und eine Slalomstrecke.
Den Parcours müssen die Hunde möglichst fehlerfrei und in kürzester Zeit schaffen. Die Zweibeiner dürfen lediglich Kommandos geben. Eine Leinenführung ist ebenso tabu wie der Einsatz von Leckerlis, die es erst am Ende des Wettkampfs gibt. Fehler passieren im Nu: Im Eifer des Gefechts sprintet der Hund beispielsweise an den Slalomstangen vorbei, weil er bereits einen Tunnel im Blick hat, der einfach verlockender ist.
Damit ein solcher Fauxpas nicht passiert, ist ein intensives Training die Grundvoraussetzung. Dienstags und freitags nutzen die Frauen aus Bürstadt, Riedrode, Hofheim, Lampertheim, Bensheim und Lindenfels das Gelände des Schäferhundevereins Eintracht Biblis, um mit ihren Hunden permanent Parcourselemente zu üben.
Die einen suchen Nähe zum Tier, die anderen die Distanz
Jede Hundeführerin agiere anders, erklärt die Lampertheimerin Marlene Fromm: Manche suchten die Nähe zu ihrem Vierbeiner, um ihm intensiv auf dem Parcours zu begleiten, andere wählten die Distanz zu ihren Hunden und positionierten sich möglichst schnell an neuralgischen Punkten, um ihrem Partner Orientierung zu geben.
Eins wird beim Training schnell deutlich: Frauchen und Hunde haben einen Heidenspaß. Jetzt wird auch klar, weshalb es die Vierbeiner kaum abwarten konnten, mit den Übungen zu beginnen. Und auch die Hundeführerinnen sind im Nu im Wettkampfmodus. Sie sind völlig auf den Parcours und ihre Hunde fokussiert. Es ist faszinierend: Hund und Frau werden ein Duo, das sich nahezu blind versteht. Darin besteht die Faszination und das Besondere des Agility-Hundesports.
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