Bergstrasse. Der Kreis Bergstraße will eine Wohnraumagentur gründen. Damit soll der Wohnungsnot im Landkreis aktiv begegnet werden. Laut Landratsamt ist davon auszugehen, dass es künftig einen zusätzlichen Bedarf von insgesamt rund 1300 Wohnungen pro Jahr gibt. Viele Wohnflächen stünden aber leer, weil die Eigentümer eine Vermietung gerade an sozial schwächere Menschen als Risiko empfinden würden. Deshalb können sie ihre Wohnungen nun anstatt an Privatpersonen an die Wohnraumagentur vermieten, die dann wiederum untervermietet – und damit den Vermietern das befürchtete Risiko nimmt, heißt es aus dem Landratsamt.
Der Kreisbeigeordnete Karsten Krug meldet auf der Basis verschiedener Auswertungen eine aktuelle Leerstandsquote zwischen drei und vier Prozent. Dies würde bedeuten, dass mindestens 2000 Wohnungen leer stehen. Wahrscheinlich sind es deutlich mehr. Genau dieses Potenzial soll durch eine externe Agentur ausgeschöpft werden. Ein Modell, bei dem nicht der Kreis selbst oder eine Stadt als Zwischenmieter auftritt, sondern ein Dritter, der laut Krug genügend Erfahrungen und soziale Kompetenzen im Umgang mit der Zielgruppe mitbringt. „Ein klassischer Makler, dem es nur um Abschlüsse geht, hilft uns auf Dauer nicht weiter“, so der Sozialdezernent.
Dem Kreis gehe es neben der Akquise zuvorderst um eine langfristige Sicherung der Mietverhältnisse. Und genau hier kommt die Neue Wohnraumhilfe Darmstadt ins Spiel. Die gemeinnützige GmbH tritt als Zwischenmakler auf. In enger Zusammenarbeit mit den Kommunen, die sich kostenfrei beteiligen können und sollen, will sie Leerstände finden und anmieten. Die Kommune erhält dafür ein Belegungsrecht. Das heißt, sie kann diejenigen Personen oder Familien benennen, die ihrer Meinung nach einen besonderen Bedarf oder erhöhte Prioritäten haben. Durch diese Filterfunktion würde die Gefahr von Ausfällen und Mietschäden verringert, heißt es. Dennoch ist es so, dass die Gemeinde grundsätzlich die Risiken aus dem Mietverhältnis übernimmt.
Finanzieller Maßstab sind in erster Linie die vom Eigenbetrieb „Neue Wege“ festgelegten Angemessenheitssätze der Kosten der Unterkunft (KdU), die aktuell nach oben angepasst werden, so Karsten Krug beim Pressetermin in Heppenheim. Wenn alles nach Wunsch läuft, soll die Wohnraumagentur im Sommer ihren Betrieb aufnehmen.
Kreistag entscheidet am Montag
Die nächste Etappe ist die Kreistagssitzung am kommenden Montag. Das Gremium entscheidet über die Aufhebung eines entsprechenden Sperrvermerks, die dafür sorgt, dass die Grundfinanzierung seitens des Kreises in Höhe von jährlich 50 000 Euro für diesen Zweck erfolgen kann. Das Projekt ist politisch mehrheitlich gewollt, außerdem hätten rund drei Viertel der Städte und Gemeinden bereits ein positives Signal ausgesendet, so Krug: „Das bedeutet ein klares Go für den Kreis.“
Die Neue Wohnraumhilfe wurde vor gut 25 Jahren gegründet und ist Partner und Dienstleister sowohl für öffentliche wie auch für private Wohnraumanbieter. Als soziales Unternehmen verwaltet es rund 350 Wohnungen in Südhessen. Davon sind rund fünf Prozent Eigentum, der Rest ist angemieteter Wohnraum. Eigentümer sind Baugesellschaften, Baugenossenschaften, Privateigentümer sowie die Gesellschaft selbst.
Durch ihre Verwaltungs- und Beratungsleistungen will sie Mietverhältnisse langfristig sichern sowie Mietrückstände vermeiden und verringern. „Wir agieren an der Schnittstelle von Sozialarbeit und Wohnungswirtschaft“, erklärte Geschäftsführerin Doreen Petri in Heppenheim. Die GmbH wolle künftig auch ein Ansprechpartner und Berater für Kreis und Kommunen an der Bergstraße sein.
Hier sind laut Krug aktuell circa 1800 dringend wohnungssuchende Haushalte gelistet. „Die Zahl hat sich in den vergangenen drei Jahren um rund 30 Prozent erhöht.“ Der Wohnraum ist da. Doch viele Vermieter zögern, ihre Objekte an Arbeitslose oder Menschen mit geringfügigem Einkommen zu vermieten. Die Agentur soll durch eine aufsuchende soziale Kommunikation dafür sorgen, Vorbehalte zu reduzieren und das Wohnungsangebot auf dem Markt zu erhöhen. Die dabei anfallende Verwaltungspauschale soll mit dem Eigenbetrieb verrechnet werden. Sollte es zu finanziellen Problemen kommen, agiert die Agentur als Mittler und deeskalierender Schlichter. Michèle Andiel, Referentin der Geschäftsführung, betonte in Heppenheim, dass es kaum jemals zu ernsthaften Problemen komme. In der Regel verliefen die Mietverhältnisse recht lautlos, kleinere Zahlungsverzögerungen könnten schnell geklärt werden.
Viernheim als positives Beispiel
Karsten Krug verweist auf Viernheim. Dort sei das Konzept „Vermiete doch an die Stadt“ vor drei Jahren erfolgreich gestartet, mittlerweile seien 40 Wohnungen an- und untervermietet. Bislang habe es keinerlei finanzielle Ausfälle oder Sachschäden gegeben. In anderen Bergsträßer Kommunen, die das Modell anbieten, – etwa in Bensheim – läuft es dem Vernehmen nach weniger rund.
Nach Viernheimer Vorbild soll das Prinzip nun mit der Neuen Wohnraumhilfe als Partner flächendeckend umgesetzt werden. In den kommenden Monaten sollen entsprechende Vereinbarungen zwischen Kreis, Kommunen und Wohnraumagentur festgezurrt werden. Gleichzeitig will das Landratsamt vor Ort die Initiative bewerben. Die Darmstädter suchen indes selbst auf dem hiesigen Immobilienmarkt. Nicht nach einer Wohnung, aber nach einem Büro. Der Bergsträßer Standort der Agentur ist noch unklar. Heppenheim würde aber bevorzugt.
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