Prozess

Ärztin wegen Masken-Attesten vor Gericht

Eine Ärztin aus Weinheim soll 4374 falsche Masken-Atteste ausgestellt haben. Die Staatsanwaltschaft fordert nun eine lange Haftstrafe

Von 
Iris Kleefoot
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Justitia © dpa

Weinheim. Drei Jahre und sechs Monate soll eine in Weinheim niedergelassene Ärztin ins Gefängnis. Darüber hinaus soll ein dreijähriges Berufsverbot ausgesprochen werden. Das forderte zumindest die Staatsanwaltschaft Mannheim am Ende des ersten Prozesstages vor dem Weinheimer Amtsgericht. Auf der Anklagebank saß eine Allgemeinmedizinerin, der vorgeworfen wird, während der Corona-Pandemie in 4374 Fällen falsche Maskenatteste ausgestellt zu haben – und zwar ohne die Patienten gesehen oder eine Diagnose gestellt zu haben.

Für die Ausstellung der Atteste soll die Ärztin, die eine Praxis für Allgemeinmedizin mit Schwerpunkt für Naturheilkunde betreibt, jeweils fünf Euro gefordert haben. Entsprechende Überweisungen wurden getätigt. Das dafür verwendete Konto wurde von den Ermittlern überprüft, der nachvollziehbare Gesamterlös durch das Ausstellen der Atteste beläuft sich – für den Zeitraum von Anfang Mai 2020 bis Ende Januar 2021 – auf exakt 28 410,21 Euro.

Dem Plädoyer vor dem Schöffengericht vorangegangen war eine Hauptverhandlung, die gespickt war mit dem Gedankengut von Querdenkern, in deren Kreisen sich die Angeklagte bewegt. Unter anderem war die Ärztin bei mindestens einer Kundgebung dieser Gruppierung im Weinheimer Schlosspark öffentlich aufgetreten. Schon am Morgen hatten sich zahlreiche Gleichgesinnte vor dem Gerichtsgebäude versammelt. Gegner der Corona-Maßnahmen hielten Schilder mit der Aufschrift „Krank durch Masken: Pilze, Bakterien, Mikroplastik“ hoch. Für Unmut sorgte, dass nur wenige Unterstützer dem Prozess aufgrund der begrenzten Zahl von Besucherplätzen im Sitzungssaal folgen konnten.

Masken als „Supergau“

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wurden von den Angeklagten grundsätzlich eingeräumt. Allerdings berief sich die Ärztin auf das „Genfer Gelöbnis“, eine Deklaration des Weltärztebundes, in dem es heißt: „Ich werde, selbst unter Bedrohung, mein medizinisches Wissen nicht zur Verletzung von Menschenrechten und bürgerlichen Freiheiten anwenden.“ In ihrer kämpferischen Einlassung betonte sie die schädlichen Auswirkungen des Maskentragens – physisch wie psychisch. „Masken sind eine massive Einmischung in die körperliche Unversehrtheit“, sagte sie, „man wird automatisch dadurch krank.“ Aus Sicht der Psychoneuroimmunologie wäre das Tragen von Masken ein „Supergau“. Als Ärztin sei es ihre Pflicht, die Menschen vor diesen Auswirkungen zu schützen.

Außerdem sei bereits zu Beginn der Pandemie immer wieder deutlich geworden, dass die Materialien, aus denen Mund-Nasen-Bedeckungen gefertigt werden, „problematisch“ seien. Sie habe die Atteste zwar aus medizinischen Gründen ausgestellt, allerdings sieht sie die Gründe bei den Masken und nicht bei den Patienten. „Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Das Patientenwohl lag mir immer am Herzen“, erklärte die Angeklagte. Ivan Künnemann, Rechtsanwalt der Allgemeinmedizinerin, verwies auf eine Studie des Kasseler Arztes Zacharias Fögen, die eine höhere Covid-Sterblichkeit durch Masken belegen soll.

Durchsuchung im Januar 2021

Im Lauf der Beweisaufnahme wurden vier Polizeibeamte gehört, die bei der Durchsuchung der Praxisräume im Januar 2021 dabei waren. Vorausgegangen war eine Anzeige der Bundesärztekammer, die von der Ausstellung der Atteste „auf Zuruf“ aus dem Internet erfahren hatte. Bei der Befragung der Zeugen durch die Vorsitzende Richterin Eva Lösche ging es vor allem um die Sicherstellung der Akten und E-Mails der Menschen aus ganz Deutschland, die Atteste angefordert und bekommen hatten. Geklärt werden sollte die Frage, ob Gründe für die Attestierung abgefragt worden waren. Die Polizisten bestätigten, das sei überwiegend der Fall gewesen. Auch wenn der verlesene E-Mail-Verkehr der Ärztin mit ihren Patienten den Verdacht nahelegt, dass die Gründe von den Kunden selbst ausgesucht wurden. Darunter Atemnot und psychische Probleme, aber auch das Anlaufen der Brille und der Wunsch, beim Indoor-Sport keine Maske tragen zu müssen.

Staatsanwältin Anna Herting-Vogel sah dem Tatbestand des „Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse“ erfüllt vor dem Hintergrund, dass ein Attest laut BGH (Bundesgerichtshof) bereits dann als falsch gilt, wenn ein Zeugnis über einen Befund ausgestellt wird, ohne dass eine erforderliche Untersuchung stattgefunden hat. Das sei bei den aufgeführten Attesten der Fall gewesen. Am vorsätzlichen Handeln gebe es keinen Zweifel. „Schon die private Abrechnung zeigt, dass sie hier den Deckel draufhalten wollte“, so die Staatsanwältin. Das hohe Strafmaß – das Strafgesetzbuch sieht in diesen Fällen eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstraße von bis zu zwei Jahren vor – begründete sie mit der großen Menge an Attesten, die auf eine kriminelle Energie schließen lasse. Außerdem führte Herting-Vogel die „geschäftsmäßige Vorgehensweise eines lukrativen Geschäftsmodelles“ ins Feld.

Zuvor hatten die Verteidiger eine ganze Flut an Beweisanträgen gestellt, unter anderem um nachzuweisen, dass eine körperliche Untersuchung vor Ausstellung eines Attestes in Zeiten von Telemedizin nicht mehr zeitgemäß ist und dass Masken grundsätzlich gesundheitsschädlich sind. Alle Anträge wurden von Richterin Eva Lösche als „offenkundig überflüssig“ zurückgewiesen. Weil sich die Verteidigung mehr Zeit für ihre Plädoyers erbat, wurde ein weiterer Verhandlungstag festgesetzt. Die Verhandlung findet am Montag, 12. Dezember, um 9 Uhr ihre öffentliche Fortsetzung.

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