Olaf Scholz warnt vor Rentenkürzungen durch CDU und CSU. „Ich sage ganz bewusst Rentenkürzung“, sagt der Kanzler und SPD-Kanzlerkandidat bei der Erklärung seiner Vertrauensfrage im Bundestag. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz kontert: „Der Bundeskanzler weiß, dass das falsch ist.“ Merz in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur weiter: „Es hat in Deutschland noch nie Rentenkürzungen gegeben und sie wird es auch in Zukunft nicht geben.“ Was ist wahr? Was versprechen die Parteien zur bevorstehenden Bundestagswahl zur Rente?
Rentenkürzungen - ja oder nein?
Der Kanzler begründete seinen Vorwurf unter anderem so: Die Konservativen wollten die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren abschaffen. Das sei „hochgradig ungerecht“. Die SPD wirft der Union auch immer wieder direkt oder indirekt vor, an der Schraube des Rentenalters generell drehen zu wollen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte der dpa vor dem Hintergrund des rot-schwarzen Rentenstreits zwei Monate vor der Bundestagswahl: „Dass die CDU versucht, jetzt ihre Position zu verschleiern, ist möglicherweise dem Wahlkampf geschuldet.“ Zudem hat SPD-Chefin Saskia Esken der Union gerade erneut vorgeworfen, sinkende Renten bewusst in Kauf nehmen zu wollen. „Wenn Friedrich Merz dazu nicht bereit ist, eine Aussage zu machen, ob er das Rentenniveau stabilisieren will, dann nimmt er billigend in Kauf, dass sie sinkt“, sagte SPD-Chefin Saskia Esken in einem dpa-Videointerview. „Und dann kann man von Rentenkürzungen sprechen, denn die drohen dann.“
Tatsächlich betont die CDU in ihrem Wahlprogramm ausdrücklich: „Mit der Union wird es keine Rentenkürzungen geben.“ Auch Merz hatte erst Mitte Dezember in der Debatte über die Vertrauensfrage im Bundestag gesagt: „Es wird mit uns keine Rentenkürzungen geben. Wer etwas anderes sagt, lügt.“ Was die CDU will Die CDU setzt vor allem an der Einnahmeseite der gesetzlichen Rente an: „Im Sinne eines starken und stabilen Rentensystems muss unser Land endlich wieder wirtschaftlich zulegen.“ Denn mehr Beschäftigte heiße auch stabilere Rente. Die Axt ans System anlegen will die Partei von Merz ausdrücklich nicht: Am Renteneintrittsalter und der Rente nach 45 Versicherungsjahren soll nicht gerüttelt werden. Das Rentenniveau soll auch bei der CDU stabil bleiben - allerdings nicht gesetzlich fixiert, sondern „durch wirtschaftliches Wachstum garantiert“. Zudem habe die CDU das Ziel, die Beitragssätze stabil zu halten, so die Partei. Wie genau das alles gemeinsam gelingen soll, wird nicht weiter erläutert. Allerdings soll es mehr Anreize für freiwilliges längeres Arbeiten geben - die „Aktivrente“: Bei Weiterarbeit über das reguläre Rentenalter hinaus soll ein Gehalt bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei bleiben.Was die SPD will
Die Partei von Scholz will dafür sorgen, „dass das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung dauerhaft bei mindestens 48 Prozent gesichert wird“, so ihr Programmentwurf. Die Ampel-Koalition hatte vor ihrem Auseinanderbrechen auf Betreiben von SPD und Grünen eine Reform entworfen, mit der das Rentenniveau bis 2039 stabil bei 48 Prozent gehalten werden sollte. Dieses sogenannte Rentenpaket II liegt nun auf Eis, weil die FDP ihre Unterstützung aufgekündigt hat und auch die Union nicht zustimmen will.
Die SPD warnt davor, dass die Stabilisierung des Rentenniveaus zum 1. Juli 2025 auslaufe. „Damit würde es in Zukunft sinken bzw. stärker von der allgemeinen Lohnentwicklung entkoppelt.“ Auch die SPD betont ihr Festhalten an den Regeln zur abschlagsfreien Rente nach 45 Beitragsjahren. „Eine Anhebung der Regelaltersgrenze lehnen wir ab.“ Die SPD will - wie die anderen Parteien im Großen und Ganzen auch - die betriebliche und private Vorsorge stärken. Hintergrund ist, dass die gesetzliche Rente für viele nur ein Baustein der Absicherung ist.
Worum es beim Streit ums Rentenniveau geht
Das Rentenniveau ist eine rechnerische Größe, die das Verhältnis der Renten zu den Einkommen in Deutschland angibt. Bei einem sinkenden Rentenniveau würden die Renten den Löhnen hinterherhinken, etwa indem die Bezüge im Alter weniger stark steigen. Ohne Reform dürfte das Niveau in den kommenden rund 15 Jahren von heute 48 auf dann rund 45 Prozent sinken, wie es in offiziellen Schätzungen heißt. Denn Millionen Babyboomer mit Geburtsjahren in den 1950er und 1960er Jahren werden von Einzahlenden zu Ruheständlern - der Rentenkasse drohen höhere Ausgaben bei schwächeren Beitragseinnahmen. Die CDU zielt auf Wirtschaftswachstum und somit Beschäftigung als Basis für weiter gute Renten ab. Doch eine Fixierung des Rentenniveaus, wie sie die SPD ausdrücklich fordert, könnte künftig auch spürbar höhere Beiträge und Steuerzuschüsse nötig machen. Der gescheiterte Ampel-Reformentwurf hatte angegeben, dass die Rentenausgaben mit einem stabilen Rentenniveau bis 2045 von 372 auf 802 Milliarden Euro steigen dürften.
Bessere Rente durch Aktien - eine grüne Idee?
Auch die Grünen wollen ein stabiles Rentenniveau von mindestens 48 Prozent, viel Beschäftigung als Einnahmebasis sowie Anreize für längeres Arbeiten. Und sie wollen, dass auch Abgeordnete und perspektivisch Beamte in die gesetzliche Rente einzahlen. Auffällig ist, dass die Grünen den Einstieg in eine ergänzende Kapitaldeckung als notwendig bezeichnen, mittels Bundes-Darlehen und -Eigenmitteln. Ein „Bürger*innenfonds“, so das Grünen-Programm, soll mit Bundesmitteln nachhaltig und klimaverträglich in Unternehmen investieren. Die Erträge sollen zur Stärkung geringerer und mittlerer Renten benutzt werden.
Das erinnert etwas an das sogenannte Generationenkapital, das auf Wunsch der FDP ein Teil der gescheiterten Ampel-Rentenreform war: Milliardensummen sollten dabei am Kapitalmarkt angelegt werden. Aus den Erträgen sollten später mit jährlich zehn Milliarden Euro prognostizierte Beitragssteigerungen gedämpft werden. Dieser FDP-Idee hatten die Grünen erst nach reichlich Kritik zugestimmt. In ihrem Wahlprogramm schlagen sie nun ein Modell auch mit Kapitalanlagen vor.
Lindner will mehr
Schon als Finanzminister sagte FDP-Chef Christian Lindner: „Das ist noch nicht die alleinige Lösung für die Herausforderung der langfristigen Finanzierung der Rente.“ In ihrem Programmentwurf setzt die FDP weitaus stärker auf Aktien: Eine gesetzliche Aktienrente nach Vorbild Schwedens soll so funktionieren, dass „ein kleiner Teil der Rentenbeiträge“ in einen unabhängigen Fonds angelegt wird. „Eine echte individuelle Aktienrente sorgt sogar wieder für ein steigendes Rentenniveau“, so die FDP.
Zudem soll es ein Altersvorsorgedepot für die private Altersvorsorge geben. Auch sollen alle selbst entscheiden, wann der Ruhestand beginnt, sofern dann keine Sozialleistungen beantragt werden müssen. „Je später jemand in Rente geht, desto höher die Rente“, so die FDP.
Auffällige Renten-Punkte der weiteren Parteien
Auch bei den anderen Parteien gibt es auffällige Renten-Vorschläge zur Bundestagswahl. „Wer 40 Jahre lang gearbeitet hat, soll in Rente gehen können“, heißt es etwa bei der Linken. Die AfD will längerfristig das Rentenniveau auf gut 70 Prozent des letzten Nettoeinkommens steigern. Wie das Bündnis Sahra Wagenknecht will die AfD ein Rentensystem wie in Österreich, wo die Renten viel höher lägen. Beim BSW heißt es im Programm: „Wie in Österreich sollten auch bei uns alle Erwerbstätigen, auch alle Bundestagsabgeordneten und Bundesminister, verpflichtend in die gesetzliche Rente einzahlen.“ Das BSW fordert zudem eine Mindestrente von 1500 Euro nach 40 Beitragsjahren. Ähnliches gibt es in Österreich. dpa
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