Berlin. Die Bundesregierung will die Bevölkerung bei den hohen Energiepreisen entlasten. Dazu wurde von Bund und Ländern eine Preisbremse für Gas und Strom vereinbart. Klar ist: Je weniger man verbraucht, desto geringer fällt die Rechnung aus und desto mehr kann jeder Einzelne zum Energiesparen beitragen. Diese Redaktion hat Experten befragt, mit welchen Preisentlastungen Bürgerinnen und Bürger künftig rechnen dürfen.
Was bedeuten die Hilfspakete für die Stromrechnung?
Von Januar an soll eine Strompreisbremse greifen, mit der Haushalte und Unternehmen entlastet werden sollen. Konkret bedeutet dies: Der Strompreis soll für Haushalte bei 40 Cent pro Kilowattstunde (kWh) gedeckelt werden. Dies gilt jedoch nur für 80 Prozent des Verbrauchs. Dieser orientiert sich an der Jahresverbrauchsprognose, die der Abschlagszahlung für September 2022 zugrunde gelegt wird. Die Differenz wird von den Versorgern direkt mit dem Abschlag verrechnet und Verbraucherinnen und Verbrauchern gutgeschrieben. Legt man den aktuellen durchschnittlichen Strompreis von rund 48 Cent pro Kilowattstunde zugrunde, würde dies nach einer Berechnung des Vergleichsportals Verivox Folgendes bedeuten:
Ein Drei-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4000 kWh hätte aktuell Jahreskosten für Strom von 1926 Euro. Durch die Deckelung würden die jährlichen Gesamtkosten um 14 Prozent auf 1665 Euro sinken. Das entspricht einer Entlastung von 261 Euro pro Jahr.
Ein Single-Haushalt, der im Jahr etwa 1500 kWh nutzt, würde um rund 98 Euro entlastet. Paare mit einem Jahresverbrauch von 2800 kWh dürfen mit einer Ersparnis von rund 228 Euro rechnen.
Trotzdem müssen sich alle auf höhere Kosten einstellen. Denn die Stromkosten bleiben trotz der Deckelung bei 40 Cent historisch hoch. Zum Vergleich: „Im Jahr 2021 lag der durchschnittliche Strompreis für Haushalte noch unter 34 Cent“, sagt Verivox-Energieexperte Thorsten Storck.
Bei Industrieunternehmen sollen die Strompreise bei einem Betrag von 13 Cent/kWh gedeckelt werden, und zwar für 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs. Die Strompreisbremse für Haushalte und kleinere Unternehmen kostet den Staat zwischen 23 und 33 Milliarden Euro, für die Industrie wird eine Unterstützung von 30 bis 36 Milliarden Euro erwartet.
Wie wirken sich die Hilfen für Gas und Fernwärme aus?
Im Dezember erhalten alle Gaskunden eine Soforthilfe. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen dann für diesen Monat keine Abschlags- oder Vorauszahlung leisten. Die Höhe der Entlastung wird auf Grundlage der Jahresverbrauchsprognose sowie dem Gaspreis vom Dezember berechnet.
Im nächsten Jahr wird dann zum 1. März 2023 eine Gaspreisbremse eingeführt, die bis zum 30. April 2024 gelten wird. Allerdings strebt die Regierung an, dass die Preisbremsen für Gas und Fernwärme bereits rückwirkend zum 1. Februar 2023 greifen sollen. Die Entlastungen gelten für alle Haushalte, Vereine, kleine und mittlere Unternehmen, die weniger als 1,5 Gigawattstunden pro Jahr verbrauchen. Der Gaspreis soll dabei für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs auf 12 Cent je Kilowattstunde gedeckelt werden. Für Fernwärme soll der garantierte Bruttopreis bei 9,5 Cent liegen.
Für die restlichen 20 Prozent des Verbrauchs soll der individuelle Vertragspreis gelten, was auch zum Sparen von Gas motivieren soll. Aktuell bezahlen Verbraucher durchschnittlich 17,79 Cent je Kilowattstunde. Als Vorjahresverbrauch soll die Jahresverbrauchsprognose gelten, die der Abschlagszahlung von September zugrunde liegt.
Für eine Familie im Reihenhaus mit einem Jahresverbrauch von 20 000 kWh liegen nach Berechnungen von Verivox die aktuellen Jahreskosten bei rund 3558 Euro. Bei einer Deckelung der Kosten auf 12 Cent/kWh sinken damit die Kosten pro Jahr um rund 26 Prozent auf 2632 Euro. Das entspricht einer Entlastung von rund 926 Euro pro Jahr.
Ein Single-Haushalt, der im Jahr rund 5000 kWh verbraucht, wird um rund 232 Euro entlastet. Zwei-Personen-Haushalte oder Paare mit einem Jahresverbrauch von 12 000 kWh dürfen mit einer Einsparung von rund 556 Euro rechnen.
Die Deckelung des Gaspreises würde die Kosten der Haushalte beim aktuellen Preisstand um rund ein Viertel senken. „Greift die Gaspreisbremse jedoch erst ab März 2023, verschiebt das sowohl die Entlastung als auch den zugrundeliegenden Jahresverbrauch. Der genaue Effekt der Maßnahme muss sich dann erst noch zeigen“, sagt Thorsten Storck von Verivox.
Für die Industrie wird der Gaspreis von Januar 2023 bis April 2024 auf 7 Cent pro kWh für 70 Prozent des historischen Verbrauchs gedeckelt. Die Bundesregierung schätzt die Kosten für die Gaspreisbremse auf mehr als 30 Milliarden Euro.
Worauf dürfen Haushalte mit Öl- und Pelletheizungen hoffen?
Für jene Haushalte, wo die Bevorratung mit Heizöl und Holzpellets zu „unzumutbaren Belastungen“ führt, strebt die Bundesregierung eine Härtefallregelung an. Für Ölkunden haben sich die Heizkosten im Oktober um 69 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht, rechnet Verivox vor. Im Oktober kostete leichtes Heizöl im Mittel rund 160 Euro pro Hektoliter, im Vorjahresmonat waren es noch 87 Euro.
Was passiert in finanziellen Härtefällen?
Verbraucher, kleinere und mittlere Firmen, Krankenhäuser oder Kultureinrichtungen, die von den Preisbremsen nicht genug entlastet werden, sollen laut Bundesregierung weitere Hilfen aus einem Härtefallfonds beantragen. Zu verteilen seien zwölf Milliarden Euro. Daraus sollen Zuschüsse und Kredite vergeben werden. Details über die Antragsbedingungen sind aber noch nicht bekannt.
Wie sollen die Hilfen finanziert werden?
Zur Finanzierung der Entlastungen im Strombereich wollen Bund und Länder „Zufallsgewinne“ der Stromkonzerne rückwirkend ab dem 1. September 2022 abschöpfen. Dies betrifft Gas-, Öl- und Kohleunternehmen, Raffinerien und Stromproduzenten, die infolge ausgebliebener Gaslieferungen aus Russland von den gestiegenen Energiepreisen übermäßig profitiert haben.
Die Bundesregierung hat dazu ein Eckpunktepapier erarbeitet. Danach werden geschätzt Einnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe erwartet. Die EU-Kommission hatte sich bereits dafür ausgesprochen, solche Zufallsgewinne spätestens ab dem 1. Dezember abzuschöpfen. Dies gilt für alle Gewinne oberhalb von 180 Euro pro Megawattstunde. Das Eckpunktepapier der Regierung nennt für deutsche Unternehmen noch keine Summe, ab wann Gewinne abgeschöpft werden sollen und bis wann dies gelten soll.
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