Umwelt

Rettet Technologie das Klima?

Im Kampf gegen die Erderwärmung rückt Geoengineering in den Fokus. Manche Methoden sind heftig umstritten

Von 
Theresa Martus
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Im Jahr 2022 sind die CO-Emissionen auf einen neuen Höchststand geklettert, wenn auch langsamer als zuvor. © Christoph Schmidt/dpa

Berlin. Die Erde glüht. Egal ob in den USA, Indien, China oder Europa: Hunderte Millionen Menschen kämpften in den vergangenen Wochen mit großer Hitze und zum Teil extremen, gesundheitsgefährdenden Temperaturen. Anfang Juli wurde gleich an mehreren Tagen hintereinander der Rekord für den global heißesten Tag jemals gebrochen.

Immer mehr Hitze, immer heftigere Ausschläge: Beides gehört zu den Auswirkungen der Klimakrise, die die Wissenschaft seit Jahrzehnten vorhersagt. Doch obwohl die Folgen des global immer noch steigenden Ausstoßes von Treibhausgasen weltweit spürbar sind, ist die Trendwende noch nicht gelungen. 2022 waren die CO2-Emissionen auf einen neuen Höchststand geklettert, wenn auch langsamer als zuvor.

Während es schwieriger wird, per Emissionsreduzierung die Ziele des Pariser Klimaabkommens noch zu erreichen, rücken zunehmend technologische Lösungen in den Fokus. Das Schlagwort dafür heißt Geoengineering. Wichtige Fragen und Antworten.

Was ist Geoengineering überhaupt?

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Geoengineering ist ein Überbegriff für technologische Ansätze im Kampf gegen die Klimakrise. Grob unterscheidet man dabei zwei Kategorien: Versuche, CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen oder zu verhindern, dass es überhaupt erst dort hingelangt, und Methoden, mit denen der Einfluss der Sonnenstrahlung auf das Klimasystem verringert werden soll.

Welche Methoden gibt es dabei?

In die erste Kategorie fallen verschiedene Methoden, CO2, das etwa bei Industrieprozessen entsteht, direkt abzuscheiden und zu speichern (Carbon Capture and Storage, CCS) oder weiter als Rohstoff zu nutzen (Carbon Capture und Utilization, CCU). In Norwegen, wo CCS schon lange eingesetzt wird, soll so blauer Wasserstoff gewonnen werden, den Deutschland perspektivisch einkaufen will. Auf Island läuft zudem seit 2021 „Orca“, eine Anlage, die CO2 direkt wieder aus der Luft absaugt (Direct Air Capture, DAC) – bis zu 4000 Tonnen im Jahr. Zum Vergleich: Deutschland insgesamt hatte 2022 einen Treibhausgasausstoß von 746 Millionen Tonnen.

Andere Ansätze konzentrieren sich auf die Quelle der Hitze, die der Treibhauseffekt in der Atmosphäre festhält: Unter dem Begriff Solar Radiation Management oder auch Solar Radiation Modification (SRM) versteht man Ideen, mit denen die Sonneneinstrahlung reduziert und die Erwärmung des Planeten so gebremst werden könnte. Die US-Regierung veröffentlichte im Juni einen Forschungsplan zum Thema, in dem es unter anderem heißt, SRM biete die Möglichkeit, den Planeten innerhalb weniger Jahre „signifikant“ abzukühlen. Das kann zum Beispiel bedeuten, Oberflächen, auf die die Sonne trifft, so zu verändern, dass sie mehr Sonnenlicht zurückwerfen.

Wird das in Deutschland eingesetzt werden?

Auch in Deutschland sind CCS und CCU, also die Speicherung oder Nutzung von aufgefangenem CO2, schon eingeplant. Das Wirtschaftsministerium arbeitet derzeit an einer Carbon-Management-Strategie, mit der erklärt werden soll, wie beides in Deutschland eingesetzt werden kann. Bisher schränkt das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz die Möglichkeiten rechtlich stark ein – das soll sich aber ändern. „CCU und CCS sind technisch ausgereift, startbereit und werden im Ausland schon eingesetzt“, sagt Olaf in der Beek, klimapolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag. „Wir müssen da auch über die Anwendung in Deutschland sprechen. Nur mit natürlichem Senken und Enthaltsamkeit werden wir das 1,5-Grad-Ziel nicht erreichen.“

Konkret geht es um sogenannte unvermeidbare Restemissionen, wie sie zum Beispiel bei der Zementherstellung entstehen. Schätzungen zufolge werden diese bei 70 bis 100 Millionen Tonnen CO2 liegen. 20 bis 25 Prozent davon könne man über natürliches Senken ausgleichen, sagt in der Beek, „den Rest werden wir mit Technik machen müssen. Wir haben ein gemeinsames Verständnis in der Koalition, das Problem der Resemissionen anzugehen.“

Der Opposition geht das nicht schnell genug: „Wer Klimaneutralität will, wird an CCU und CCS nicht vorbeikommen“, sagt Andreas Jung, Vize-Parteichef der CDU und klimapolitischer Sprecher der Unionsfraktion. „Wir fordern, dass das jetzt konsequent vorangetrieben wird.“ Unter anderem, sagt Jung, müsse die Regierung das Londoner Protokoll ratifizieren, das den Export von CO2 ermöglicht.

Soll auch die Sonneneinstrahlung verringert werden?

Die Bundesregierung sehe SRM als „kritisch“ an, teilt das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage dieser Redaktion mit. Die meisten der Methoden seien „teuer, in ihrer positiven Wirkung begrenzt und bergen kaum erforschte Risiken, Auswirkungen und unbeabsichtigte Folgen“ – zum Beispiel veränderte Regenfälle und Monsunzyklen, mögliche Ernteausfälle und eine Vergrößerung des Ozonlochs. Auch der Weltklimarat warnt: SRM-Ansätze hätten zwar das Potenzial, einige Gefahren des Klimawandels zu mildern. Sollte der Einsatz aber aus irgendeinem Grund plötzlich ausgesetzt werden, während weiterhin Treibhause emittiert wurden, würde der bis dahin verhinderte Erwärmungseffekt dann sehr plötzlich eintreten. Auch FDP-Politiker in der Beek sagt, SRM sei „Zukunftsmusik“.

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