Energie

Öl aus Venezuela, Kohle aus Kolumbien

Vor einem Jahr noch galt eine Zusammenarbeit der USA und Europas mit Venezuelas Machthaber Maduro als undenkbar. Doch nun sind die Karten neu gemischt

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Tobias Käufer
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Rauch steigt von einem venezolanischen Industriepark für Erdöl und Petrochemie auf. Längst interessiert sich auch der Westen für das Öl des Landes. © dpa

Bogota. Es ist noch gar nicht lange her, da war Venezuelas Machthaber Nicolas Maduro der größte Bösewicht Lateinamerikas. Schwerste Menschenrechtsverletzungen, Vorwürfe des Wahlbetrugs und sechs Millionen Flüchtlinge, die vor dem sozialistischen Regime geflohen sind, machten den Nachfolger von Revolutionsführer Hugo Chavez zur „persona non grata“ im Westen. Doch nun sind die Karten neu gemischt: Weil Russland in der Ukraine einen Angriffskrieg anzettelte, entschied sich der „Westen“ zu einem radikalen Schritt: Ölembargo gegen Russland und schrittweiser Ausstieg aus der Gasabhängigkeit Moskaus. Plötzlich ist Maduro interessant für die USA und Europa.

Längst haben Delegationen aus Washington mit der Regierung in Caracas Gespräche aufgenommen, obwohl die US-Regierung Maduro offiziell gar nicht anerkennt. Vordergründig geht es darum, den von Maduro abgebrochenen Dialog mit der innenpolitischen Opposition wieder aufzunehmen. Im Hintergrund werden aber die Möglichkeiten ausgelotet, wie die USA wieder an die Vorkommen im ölreichsten Land der Welt herankommen. Dem US-Konzern Chevron erteilte die Biden-Regierung bereits die Erlaubnis, erste Gespräche mit Caracas zu führen.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ließ am Rande des G7-Gipfels mit Blick auf den Iran und Venezuela wissen: „Es gibt auch anderswo Ressourcen, die erkundet werden müssen.“ Die Antwort aus Venezuela ließ nicht lange auf sich warten: „Präsident Macron, Venezuela ist bereit, alle französischen Firmen zu empfangen, die kommen wollen, um Öl und Gas für den europäischen Markt und den Weltmarkt zu produzieren“, sagte Maduro im venezolanischen Fernsehen.

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Wolfgang Mulke
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Der große Gewinner des russischen Angriffs auf die Ukraine ist also ausgerechnet jener Machthaber, der sich von Anfang an hinter Wladimir Putin stellte. „Maduro ist aufgrund der neuen geopolitischen Situation sogar in einer besseren Position denn je“, sagt Wladimir Rouvinski von der Universität Icesi aus Cali (Kolumbien) im Gespräch mit dieser Redaktion.

Spannend wird nun auch der Umgang mit einem anderen wichtigen Energie-Exportland. In Kolumbien wird es am 7. August einen historischen Machtwechsel geben. Dann wird das Land erstmals von einem Sozialisten regiert: Gustavo Petro hatte Mitte Juni gemeinsam mit Vizepräsidentin und Goldman-Preisträgerin Francia Marquez einen historischen Wahlsieg eingefahren und einen Kurswechsel angekündigt: Kolumbien wolle damit beginnen, seine Wirtschaft und Industrie zu dekarbonisieren.

Ausgerechnet jetzt kommt aus Berlin die Anfrage, ob Kolumbien bereit sei, mehr Kohle als bisher zu liefern. Deutschland hat laut Wirtschaftsministerium in Berlin im vergangenen Jahr 2,28 Millionen Tonnen Steinkohle aus Kolumbien importiert, das entsprach etwa 5,5 Prozent der Steinkohleimporte. „Vor dem Hintergrund des Importverbots für russische Steinkohle als Teil des fünften Sanktionspakets verhandeln die deutschen Kohleimporteure gegenwärtig über neue Lieferquellen“, heißt es dazu auf Anfrage aus dem Wirtschaftsministerium.

Allerdings hatten in den letzten Jahren Umweltschutzorganisationen in Kolumbien und Deutschland immer wieder auf soziale und ökologische Folgen des Kohlebergbaus in Kolumbien hingewiesen. Es gibt Berichte über Umweltbelastung durch Kohlestaub beim Transport zur Küste sowie die Zerstörung von Landschaft und Flüssen, zudem fällt für die Region rund um die größte Kohlemine „El Cerrejón“, von den lokalen Einwohner „Das Monster“ genannt, zu wenig ab: „In La Guajira gibt es die größte Kohlemine in Kolumbien, und in diesem Department sterben Jungen und Mädchen an Hunger. Das soll Entwicklung sein?“, fragte die künftige Vizepräsidentin Marquez vor ein paar Wochen im Wahlkampf.

Sägen an Wahlkampfversprechen

Kolumbiens neue „rot-grüne“ Regierung wird also aus Berlin vor ein ethisches Dilemma gestellt: mehr Kohle fördern, nach Deutschland liefern, damit die eigenen ökologischen Ziele erst einmal verschieben und die Umweltschützer zu enttäuschen oder auf die Zusatzeinnahmen verzichten, was sich das arme Land eigentlich nicht leisten kann.

Auch im Bereich der Erdöl- und Gasförderung beginnt der künftige Finanzminister Jose Antonio Campo an den Wahlkampfversprechen zu sägen: Kolumbien müsse mehr Gas suchen und explorieren, sagte er der Tageszeitung „El Tiempo“ und schloss auch ein Umdenken bei der Erdölpolitik nicht mehr aus.

Korrespondent Auslandskorrespondent in Lateinamerika

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