Berlin. Es gibt viele Vorurteile über die Generation Z. Faulheit und Verwöhntheit sind nur zwei davon. Die Annahme, dass das auch für ehrenamtliches Engagement gelten könnte, liegt nahe. Doch die Vermutung ist offenbar falsch. Jede zweite Person in der Generation Z – junge Menschen, die zwischen den Jahren 1995 und 2010 geboren sind – engagiert sich ehrenamtlich. Das zeigt jetzt eine neue Studie des Instituts für Management- und Wirtschaftsforschung im Auftrag der Beratungsfirma Baulig Consulting.
Unter den 3000 Befragten gaben 49 Prozent der 15- bis 30-Jährigen an, sich in ihrer Freizeit für soziale und politische Ziele einzusetzen. Eine überraschende Zahl, vor allem, weil Verbände und Vereine seit Jahren über zurückgehende Mitgliederzahlen klagen. Die Sorge von Vereinen und Initiativen bestätigt Katarina Peranic, Vorständin der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt. „Viele von ihnen haben während der Pandemie Mitglieder verloren“, erklärt Peranic und fügt hinzu: „Groß sind die Nachwuchssorgen insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Regionen.“
In Deutschland gibt es laut Bundesinnenministerium rund 29 Millionen Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren. Ein beachtlicher Anteil dürfte demnach auch aus der jungen Generation kommen.
Die online durchgeführte Studie von Baulig Consulting legt nahe, dass dieses Engagement typischerweise in Vereinen für Sport, Kultur und Musik stattfindet. In diese Kategorie fällt auch die Arbeit von Daniel Zeh, der sich in seinem heimatlichen Volleyballverein VC 06 Hirschaid als Trainer und im Vorstand einsetzt. „Mich erfüllt die Arbeit total und ich weiß, dass ich was bei den jungen Menschen bewirken kann“, sagt der 25-Jährige. „Ich bin nicht nur Trainer, sondern habe auch eine Vorbildfunktion und bin Ratgeber in gewissen Situationen“, sagt Zeh.
Der Student findet es wichtig, dass es solche Sportangebote für Kinder und Jugendliche gibt. Obwohl er mit Vorbereitung und Trainingseinheiten ungefähr zwölf Stunden die Woche in den Verein investiert, bekommt er kein Geld dafür. „Ich weiß, dass der Verein es sich nicht leisten könnte, mich zu bezahlen, aber es wäre natürlich schön, dafür Geld zu bekommen“, sagt Zeh. Nur dank eines weiteren Jobs neben dem Studium kann er sich das Engagement im Volleyball weiter leisten.
Einkommen spielt eine Rolle
Damit spricht der Pädagogikstudent auch ein Kernergebnis der Studie an – ehrenamtliche Arbeit muss man sich leisten können. Folglich steigt unentgeltliches Engagement mit einem höheren Einkommen. So setzen sich Menschen, die weniger als 100 Euro zur Verfügung haben, mit 37 Prozent weniger aktiv im Ehrenamt ein als diejenigen, die 2000 bis 4000 Euro bekommen. Hier liegt der Anteil bei 64 Prozent. Zusätzlich scheint das eigene Gehalt einen Einfluss auf die Art des Ehrenamts zu haben. Der größte Anteil derjenigen, die bei einer freiwilligen Feuerwehr oder einem Rettungsdienst aktiv sind, verdient 4000 Euro oder mehr.
Neben dem Engagement in Vereinen gewinnt die freiwillige Arbeit außerhalb dieser Strukturen an Bedeutung. „In unserer Generation sind nicht mehr unbedingt alle im Verein aktiv, sondern vielmehr in Kollektiven, Verbindungen oder in Protestorganisationen“, bestätigt Lina Urbat, die sich seit ihrem 13. Lebensjahr ehrenamtlich engagiert. Die Studentin gehört mit ihrem Engagement bei Blindspots e.V. zwar zu den 14 Prozent, die in einem Verein arbeiten, aber sie beobachtet auch in ihrer Umgebung vermehrt spontane und flexible freiwillige Arbeit. „Es ist eher so, dass man mal im Sommer mithilft, ein Festival zu organisieren oder mal dort bei einer Demo mit unterstützt“, sagt Urbat.
Ihre Einschätzung wird auch von der Stiftung für Engagement und Ehrenamt bestätigt. „Interessant ist, dass das Engagement im informellen Rahmen (z.B. Initiativen) zugenommen hat, also dort, wo weniger Führungspositionen (z.B. Vorstand) zu besetzen sind als in formalen Organisationen“, erklärt Peranic.
Gründe für den unentgeltlichen Einsatz gibt es viele. Für Urbat steht das Gefühl, einen Beitrag leisten zu können, im Vordergrund. „Das Ehrenamt gibt einem die Möglichkeit, die Gesellschaft selber zu gestalten, in Gemeinschaft zu arbeiten und sich auszuprobieren“, so die 27-Jährige. Die Arbeit, die sie bei Blindspots leistet, einem Verein, der Geflüchtete an den EU-Außengrenzen unterstützt, hat sowohl humanitäre als auch politische Züge.
Politik ja, Partei nein
Damit bestätigt sie Ergebnisse des Instituts für Management- und Wirtschaftsforschung, das herausgefunden hat, dass sich knapp drei Viertel der jungen Deutschen für Politik interessieren, aber nur zwei Prozent davon aktiv bei einer Partei engagieren. Auch hier spielt das Einkommen eine Rolle: Erst ab 2000 Euro steigt das Engagement in den Parteien auf sieben Prozent.
Neben Einkommen und Zugängen, die der jungen Generation für ein ehrenamtliches Engagement fehlen könnten, weist Peranic darauf hin, dass diejenigen bedacht werden müssen, die einen erschwerten Zugang zum Engagement haben. „Menschen mit Behinderung, Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte, bildungsbenachteiligte Menschen.“ Diese sollten unbedingt mitgedacht und angesprochen werden, so Peranic. „Engagement ist immer auch ein wichtiger Baustein für Beteiligung.“
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