Affenpocken - Infektionen nehmen weltweit zu, doch Karl Lauterbach gibt Entwarnung: „Das ist nicht der Beginn einer neuen Pandemie“

21 Tage in Isolation

Von 
Julia Emmrich und Kai Wiedermann
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Deutschland reagiert mit einer neuen Quarantäneregelung auf die Fälle von Affenpocken. © Christian Ohde, ACtion Press

Berlin. Die Zahl der Affenpockenfälle steigt weltweit weiter, Deutschland reagiert jetzt mit neuen Quarantäneregeln: Wer sich mit den Affenpocken infiziert hat oder engen Kontakt zu einem Infizierten hatte, soll sich für mindestens 21 Tage isolieren. Bei Erkrankten endet die Isolation erst, wenn die Symptome verschwunden und die Krusten abgefallen sind. Das sieht die neue Quarantäne-Empfehlung des Robert-Koch-Instituts (RKI) vor.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zeigte sich am Dienstag optimistisch, dass der aktuelle Ausbruch des Virus einzudämmen sei: „Das ist nicht der Beginn einer neuen Pandemie.“ Die Infektionswelle könne durch gute Kontaktnachverfolgung begrenzt werden. Ob es in Deutschland auch vorsorgliche Impfungen gegen die Affenpocken geben wird, ist noch offen.

Denkbar seien sogenannte Ringimpfungen, so Lauterbach: Dabei werden Personen im Umfeld der Infizierten geimpft, um Ansteckungen zu verhindern und Ausbrüche zu verzögern. Lauterbach erklärte, es seien dafür bereits bis zu 40 000 Dosen Pockenimpfstoff bestellt worden. Dabei handelt es sich nicht um den Pockenimpfstoff, der in Deutschland millionenfach eingelagert ist, um im Ernstfall, etwa bei einem Biowaffen-Angriff mit Pockenviren, die Bevölkerung zu schützen. Dieser Impfstoff habe so starke Nebenwirkungen, dass es unverhältnismäßig wäre, ihn jetzt einzusetzen, erklärte RKI-Präsident Lothar Wieler. Stattdessen geht es hier um den Pockenimpfstoff „Imvanex“ des deutsch-dänischen Biotech-Unternehmens Bavarian Nordic. „Ich rechne damit, dass wir also hier eine Reserve in Kürze geliefert bekommen“, so Lauterbach.

In Europa ohne Zulassung

Seit 2013 ist Imvanex in der EU gegen die herkömmlichen Menschenpocken zugelassen, in den USA ist es auch gegen Affenpocken zugelassen. Eine Zulassung zur Vorbeugung von Affenpocken hat das Mittel in der EU nicht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wies kürzlich darauf hin, dass dieser Impfstoff nicht flächendeckend verfügbar sei.

Britische Behörden haben seit dem vermehrten Auftreten von Affenpocken bereits mehr als 1000 Dosen Imvanex an Kontaktpersonen verabreicht. Weitere 3500 Dosen seien auf Lager. Lauterbach dagegen erklärte, vorbeugende Impfungen seien „zum jetzigen Zeitpunkt“ in Deutschland nicht geplant, man erarbeitet aber ein Konzept. Einige Fragen seien zudem noch unklar – etwa, ob der Impfstoff auch bei Kindern eingesetzt werden könne. Das European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) empfiehlt bei einer Infektion mit Affenpocken nach einer Risiko-Nutzen-Abwägung eine Impfung für enge Kontaktpersonen.

Wer in Deutschland als Kind gegen die Pocken geimpft wurde, hat laut RKI-Präsident Lothar Wieler einen gewissen Immunschutz gegen die Affenpocken. Wie ausgeprägt die Immunität der Geimpften ist, sei aber unklar. Der Schutz werde möglicherweise mit den Jahren schwächer. Einer der Männer, die jetzt am Affenpocken-Virus erkrankt waren, sei geimpft gewesen. Laut WHO haben Beobachtungsstudien gezeigt, dass eine Pockenimpfung eine Wirksamkeit von mindestens 85 Prozent gegen Affenpocken hat. Das bedeutet, dass eine Infektion trotz Impfung möglich ist, das Risiko aber deutlich geringer ausfällt als ohne Immunisierung.

Der WHO sind mittlerweile mehr als 250 Fälle von Affenpocken aus 16 Ländern gemeldet worden. In Deutschland hatten bereits mehrere Bundesländer Nachweise der Infektionen registriert, darunter Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, Berlin und Bayern. Proben zahlreicher weiterer Menschen werden analysiert, zudem suchen Behörden nach Kontaktpersonen nachweislich Infizierter. Für Deutschland geht das RKI von einer weiteren Zunahme von Affenpocken-Erkrankungen aus. Auch, wenn sich derzeit nahezu ausschließlich Männer angesteckt hätten, müsse man grundsätzlich mit Infektionen unabhängig von sexueller Orientierung, Geschlecht und Alter rechnen. Die Gefährdung für die Allgemeinbevölkerung wird aber weiterhin als recht gering eingeschätzt. Von den Affenpocken erholten sich die meisten Menschen in der Regel innerhalb weniger Wochen, so Wieler.

Laut Wieler habe die Mehrheit der Betroffenen weltweit keinen Bezug zu Virus-Gebieten in Afrika, wo die Krankheit endemisch verbreitet ist. Aus Expertensicht ist das ungewöhnlich: „Wir wissen nicht, warum die Ausbrüche anders verlaufen als in der Vergangenheit“, so Lauterbach. Möglich sei, dass sich der Erreger verändert habe oder dass sich die Anfälligkeit der Bevölkerung gewandelt habe.

Nicht flächendeckend verfügbar

Zur Behandlung einer Pockenerkrankung hat die EU im Januar dieses Jahres das antivirale Medikament Tecovirimat zugelassen. Es ist ein Wirkstoff gegen echte Pocken, Kuhpocken und Affenpocken, so die europäische Arzneimittelbehörde Ema. Laut RKI ist Tecovirimat eine mögliche Therapieoption für immungeschwächte Personen. Es darf bei Erwachsenen und Kindern ab einem Körpergewicht von 13 Kilo eingesetzt werden. Das Mittel ist in Deutschland bislang allerdings laut Experten nicht breit verfügbar.

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