Stuttgart/Ulm. Weil ihre Zahl steigt und sie Schäden in der Natur anrichten, wird den Bibern in Baden-Württemberg nun auf den Pelz gerückt. Langsam und kontrolliert zwar, aber die ersten beiden getöteten Nager in Baden-Württemberg sind so etwas wie ein neues Kapitel. Was es in Bayern schon lange und viel umfassender gibt, könnte bei „Problembibern“ auch im Südwesten häufiger genutzt werden. Bei einfacheren Exemplaren gäbe es auch Alternativen.
Warum wurden die beiden Biber getötet?
Die beiden Tiere wurden als Problemfälle erkannt, lebend gefangen und getötet, weil es eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung gab. In einem zweijährigen Modellprojekt hatten Umwelt- und Landwirtschaftsministerium bis Ende 2023 erprobt, wie sich so eine Tötung auswirkt und wie dies organisiert werden kann. Dafür wurden laut Ministerium auch Jägerinnen und Jäger eingebunden und für eine Tötung geschult.
„Die letale Entnahme kann immer nur das letzte Mittel sein und kommt nur für einzelne, sehr schwere Konfliktfälle in Betracht“, heißt es dazu im Umweltministerium. Bei diesen müssten zuvor schon mildere Möglichkeiten zur Konfliktbefriedung versucht worden oder aus bestimmten Gründen nicht anwendbar sein. „Unser Hauptaugenmerk liegt aber darauf, Lösungen für ein Miteinander von Mensch und Natur zu finden“, betont Umweltministerin Thekla Walker (Grüne).
Welche Möglichkeiten gibt es, um Konflikte mit Bibern anderweitig zu lösen?
Ein Wegfangen und Verfrachten in andere Regionen scheidet aus Sicht von Andreas von Lindeiner, Beauftragter für Naturschutz im Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern (LBV), weitgehend aus. „Keiner will mehr Biber haben“, sagt er. Er geht davon aus, dass auch Selbstregulation ihr Übriges tun wird.
Biber würden mit zwei Jahren aus dem „Hotel Mama“ geworfen und müssten sich nach einem eigenen Revier umschauen. Da es zumindest in Bayern keine geeigneten Plätze mehr gebe, komme es in den bestehenden Revieren immer häufiger zu tödlich endenden Kämpfen mit Rivalen.
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Dem Nabu-Landesverband zufolge müsste Bächen und Flüssen wieder mehr Raum gegeben, die Renaturierung vorangetrieben und die Abstände zwischen landwirtschaftlichen Flächen und Gewässern vergrößert werden. Eingesetzt werden auch Matten, die Biber vom Graben abhalten, Drahthosen für Bäume als Schutz vor Fraßschäden sowie Zäune und Drainage-Rohre.
Was sagen Natur- und Tierschützer zum Abschuss der zwei Biber in Baden-Württemberg?
Natur- und Umweltschützer bedauern die Tötung der zwei Biber. „Es kann nicht sein, dass hier immer wieder Biber gefangen und getötet werden müssen, weil sie den Bachabschnitt erneut besiedeln“, sagt der Landesvorsitzende des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu), Johannes Enssle. Er fordert eine langfristige Lösung.
„Das A und O wäre, den Bachlauf zu verlagern und zu renaturieren.“ Gefährden die Nager aber die Standsicherheit von Hochwasserdämmen oder Gebäuden müsse eingegriffen werden. Fang und Tötung ergebe nur als letztes Mittel Sinn, auch weil die Tötung wenig effektiv sei. Ein freies Revier werde innerhalb kurzer Zeit wieder von einem neuen Biber besetzt.
Wie viele Biber gibt es überhaupt in Baden-Württemberg?
Bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die Biber in Europa nahezu ausgerottet, wegen ihres Felles und wohlschmeckenden Fleisches waren sie eine beliebte Jagdbeute. Seit den 1970er Jahren breitete sich der Europäische Biber (Castor fiber) unter anderem im Zuge von Wiederansiedlungsprojekten wieder aus.
Inzwischen leben nach Schätzungen allein in Deutschland wieder etwa 40 000 Tiere, schätzungsweise rund 7500 davon im Südwesten. Die Zahl nimmt Jahr für Jahr deutlich zu.
Wie stark beeinflussen Biber die Natur?
Aus Sicht des Naturschutzes und der Gewässerökologie ist die Rückkehr der Biber ein Segen. Sie sorgen für Artenvielfalt und eine gute Wasserqualität, heißt es zum Beispiel im Umweltministerium. „Wo über Jahrhunderte Bäche begradigt, Moore entwässert und Wiesen trocken gelegt wurden, sorgt der Biber in recht kurzer Zeit dafür, dass das Wasser diese Flächen zurückerobert“, wirbt Nabu-Chef Enssle.
Biber schafften wertvolle Lebensräume für Libellen, Amphibien, Reptilien, Fische und Vögel. „Darüber hinaus hilft er beim natürlichen Hochwasserschutz - und das zum Nulltarif“, sagt Enssle.
Und wo wird das Werkeln der Biber problematisch?
Die Dämme des Bibers können auch Abschnitte von Bachläufen trockenfallen lassen und dort lebende Tiere und Pflanzen bedrohen. Problematisch wird es auch, wenn Biber mit ihrem Trieb, zahlreiche Dämme zu errichten, Überschwemmungen und unterhöhlte Straßen verursachen.
Auch Kläranlagen, Wasserrückhaltebecken und Fischteiche sind nicht immer sicher vor ihnen, Weiden werden überschwemmt. Hinzu kommen Schäden im Wald: Sträucher und Laubbäume stehen auf dem Speiseplan der Vegetarier und dienen zum Damm- und Burgbau. lsw
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