Tradition

Zwingenberger Narren übernehmen die Macht in der Stadt

Der Karnevalverein Narrhalla stürmt das Rathaus und erobert nach kurzem „Kampf“ den Schlüssel für das „Schlösschen“

Von 
Michael Ränker
Lesedauer: 

Zwingenberg. Kaum hat er auf dem Chefsessel im Rathaus Platz genommen, ist der Zwingenberger Bürgermeister Sebastian Clever auch schon wieder entmachtet. Da hat es ihm auch nichts genutzt, dass er seinen Vorgänger im Amt des „Burgvogts“, Holger Habich, um Tipps gebeten hatte, wie er sich beim Rathaussturm am besten verhalten solle – am Ende ist es wieder einmal so ausgegangen, wie es jedes Jahr ausgeht: Der Magistrat musste die weiße Fahne schwenken und sich der Narrenschar ergeben.

Weinprinzessin Katja Simon kommt als Fastnachtsprinzessin

Der Karnevalverein „Narrhalla“ (KVN) hatte am Samstag um 18.11 Uhr zum traditionellen Rathaussturm eingeladen, und es dauerte nur wenige Minuten, da hielt Katja Simon auch schon den riesigen Schlüssel für die Tür des auch als „Schlösschen“ bezeichneten Verwaltungssitzes in ihren Händen. Die Deutsche Weinprinzessin war in das Kostüm einer Fastnachtsprinzessin geschlüpft, um Markus Kropp, dem Sitzungspräsidenten der „Narrhalla“, in seiner Paraderolle als Graf Dieter V. von Katzenelnbogen zur Seite zu stehen.

Der Lehnsherr und seine charmante Begleitung waren – nach Salutschüssen der Privilegierten Schützengesellschaft Zwingenberg – begleitet von Trommlern und Hellebardenträgern aus den Reihen des KVN und der Freiwilligen Feuerwehr in den Rathaushof eingezogen. Dort wurden sie zunächst vom KVN-Vorsitzenden Marc Dürr – sozusagen in der Rolle des Herolds – begrüßt. Dessen Freude über die Ankunft des hohen Herrn war allerdings geheuchelt: „Was will denn der schon wieder hier in Zwingenberg?“ Versöhnlicher wurde Dürr jedoch angesichts von Prinzessin Katja, der Ersten: „Welch liebreizenden Anblick Ihr hier im Hofe bietet!“

Bürgermeister und Magistratsmitglieder wehren sich tapfer, aber erfolglos

Die beiden Adeligen hielten sich jedoch nicht lange mit dem Austausch schmalziger Vorreden auf, sondern sprachen Klartext: „Schützen, an die Gewehre!“, ließ der Herr Graf seine Vasallen umgehend zur Waffe greifen. Denn von seinen vorangegangenen Besuchen im ältesten Bergstraßenstädtchen wusste er ja: „Ich gehe davon aus, dass auch der neue Burgvogt den Schlüssel nicht freiwillig hergeben möchte – der wird, wie seine Vorgänger, alles verrammelt haben.“

Immerhin folgte der neue Burgvogt Sebastian der gräflichen Aufforderung: „Zeige dich – sofort!“, und trat an eines der Fenster im Obergeschoss des „Schlösschens“. Klein beigeben aber wollte er nicht: „Ich habe die Macht – ihr könnt mir gar nichts!“ Der Grund für seine Wehrhaftigkeit: „Wahnsinn und Ungehorsam kommen über unsere schöne Stadt, wenn ihr den Schlüssel habt.“ Doch alle Tapferkeit nutzte nichts: Clever und seine Magistratskollegen Ingrid Germann, Michael Knecht und Rolf Jaenchen versuchten sich zwar mit Hilfe von Süßigkeiten, die sie in den Rathaushof warfen, noch mit den Kindern unter den zahlreichen Schaulustigen des Spektakels zu verbünden, aber auch der Nachwuchs war nicht wirklich hilfreich. Ganz im Gegenteil: „Landsknechte, Prinzessin Katja und alle Kinder – tut eure Pflicht“, befahl Grafen-Darsteller Markus Kropp die Erstürmung des Rathauses. Aus dem Obergeschoss hörte man Sekunden später Waffenklirren und Geschrei – dann war das „Schlösschen“ erobert.

Sebastian Clever und seine Stadträte hissten die weiße Flagge, und nach der Schlüsselübergabe stand unmissverständlich fest: „Der KVN hat die Macht bis zum Aschermittwoch!“ Markus Kropp rang dem „lieben Sebastian“ noch einen Treueschwur ab – und der bekannte: „Ich werde mir Mühe geben, die Geschicke dieses Weilers in Ihrem Sinne zu lenken.“ Immerhin gab es für den Unterlegenen dann aber noch eine Urkunde als offizielle Ernennung zum Verwalter – und für Katja, die Erste, die Ernennung zur „Prinzessin der Stadt Zwingenberg“.

Anschließend feierte man gemeinsam im Rathaushof weiter, wo der KVN für Getränke – unter anderem Obstwein – und der Verein Zwingenberger Mittagstisch für eine Kürbissuppe und Rindswürstchen sorgte.

KVN-Termine in dieser Fastnachtssaison

Sitzungspräsident Markus Kropp nutzte die Gunst der Rathaussturm-Stunde, um auf die Termine der bevorstehenden Fastnachtskampagne hinzuweisen. An den nun erfolgten „Wachwechsel“ im Rathaus schließen sich drei Veranstaltungen an, die ebenfalls ganz traditionell zum Programm der „fünften Jahreszeit“ im ältesten Bergstraßenstädtchen gehören: Zunächst lädt der KVN zu seiner Prunksitzung ein, die in dieser Kampagne am 31. Januar 2026, Samstag, ab 19.11 Uhr (Einlass: 18.11 Uhr) in der Melibokushalle (Melibokusstraße 10) stattfindet. Geboten wird unter dem Motto „Fastnacht in Hollywood“ ein vierfarbbunter Mix aus Tanz- und Gesangsdarbietungen sowie Büttenreden. Eintrittskarten für die Veranstaltung zum Preis von 15 Euro pro Person gibt es ab dem 1. Dezember im Vorverkauf bei der Apotheke Herms (Bahnhofstraße 4).

Als zweite Veranstaltung in der Zwingenberger Fastnachtssaison folgt am 6. Februar, Freitag, eine Partysitzung. Bei dieser wird ebenfalls das Motto „Fastnacht in Hollywood“ großgeschrieben, allerdings steht nicht das klassische Prunksitzungsprogramm im Mittelpunkt, sondern – wie der Name schon sagt – das „Party machen“. Im vergangenen Jahr zumindest hatte der KVN diese Veranstaltung mit dem Slogan „Alle Tänze – mehr Party – weniger Reden“ beworben. Auch diese Veranstaltung findet in der Melibokushalle statt, beginnt um 19.11 Uhr (Einlass: 18.11 Uhr), und es gibt ebenfalls ab dem 1. Dezember bei der Apotheke Herms Vorverkaufskarten zum Preis von 15 Euro pro Ticket.

Den Schlusspunkt setzt der Zwingenberger Karnevalverein „Narrhalla“ dann am 7. Februar, Samstag, mit dem traditionellen Kindermaskenball, der um 15.11 Uhr (Einlass: 14.11 Uhr) ebenfalls in der Melibokushalle beginnt. Für die Faschingsfete der Nachwuchs-Narren gibt es keinen Ticketvorverkauf, sondern der Eintritt von zwei Euro pro Person wird an der Tageskasse bezahlt.

Freier Autor

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger

VG WORT Zählmarke