Zwingenberg. Schottland gilt als die Wiege des Whiskys. Doch seit einigen Jahren versuchen sich immer mehr Destillerien aus aller Welt daran, die Whisky-Dominanz des britischen Landesteils zu brechen. Der Zwingenberger Partnerschaftsverein Tetbury hatte einmal mehr Liebhaber des schottischen Nationalgetränks zur Verkostung ins Alte Amtsgericht eingeladen.
Auf der „Getränkekarte“ standen daher nicht nur altbekannte Scotchs, sondern auch neuere Kreationen, unter anderem Whisky aus Indien. Stilecht begleitet wurde der Abend von Kai Kühne am Dudelsack, der die Gäste mit seiner Musik in die Weiten der schottischen Highlands versetzte. Bereits seit 2014 organisiert das Ehepaar Christel und Herbert Scheibler das beliebte Whisky-Tasting, zu dem auch dieses Jahr wieder einige „Wiederholungstäter“ erschienen. „Vielleicht liegt es an der Art und Weise, wie wir es machen“, stellte Christel Scheibler mit Blick auf die lockere und gemütliche Atmosphäre an diesem Abend fest.
Das „Wasser des Lebens“
Die Basis für Whisky bildet Getreide. Beim Scotch wird hauptsächlich Gerstenmalz verwendet, das amerikanische Pendant, der Bourbon, setzt hingegen auf Mais.
Im nächsten Schritt folgt das Einmaischen. Hierbei wird der Rohstoff, ähnlich wie beim Bierbrauen, zerkleinert und mit Wasser zu einem Brei erhitzt. Damit der Zucker in Alkohol umgewandelt werden kann, wird der Maische Hefe zugesetzt. Nach der Vergärung wird das Bier, so wird der alkoholhaltige Brei zu diesem Zeitpunkt genannt, destilliert. Hierbei werden durch Erhitzen Wasser und Alkohol voneinander getrennt. Letzterer steigt in der Brennblase nach oben. Von dort aus gelangt der Alkoholdampf in ein Rohr, wo er gekühlt und kondensiert wird.
Das daraus entstandene Destillat tropft nun in ein Auffanggefäß, von wo aus es in der Regel ein weiteres Mal erhitzt wird. Ausnahmen bilden irische Whiskeys, die normalerweise dreifach destilliert werden. Walisischer Whisky wird sogar bis zu siebenmal gebrannt.
Am besten lässt sich das „Wasser des Lebens“, wie es in Schottland genannt wird, übrigens in einem Nosing-Glas verkosten. Die bauchige Form sammelt und bündelt die Aromenvielfalt der Spirituose, sodass der Genießer Duft und Geschmack intensiver wahrnehmen kann. maz
Organisiert hatte den Abend Tetbury-Schatzmeister Dieter Kirmse, der die Gäste herzlich begrüßte und beim Ausschenken assistierte.
„Schmeckt oder schmeckt net“
Den Anfang macht der Woodford Reserve, ein 43-prozentiger Bourbon aus Kentucky. Kennzeichnend für diese amerikanische Variante des Whiskys ist ein süßlich-fruchtiger Geschmack, der sich in Noten von Orange und Vanille widerspiegelt. Für Otto Normalverbraucher sei das aber nur sehr schwer zu erkennen, erklärte Herbert Scheibler, der mit Humor und Expertise durch den Abend führte. Eigentlich habe ein Whisky nur zwei Geschmacksrichtungen: „Schmeckt oder schmeckt net“, wie Scheibler unter Gelächter feststellte. Die amerikanische Spirituose jedenfalls kam bei den Gästen gut an, schließlich handelt es sich laut Herstellerangaben um den „besten Bourbon der Welt“. Auch der Autor dieses Berichts konnte die journalistische Distanz nur schwer wahren und genehmigte sich den einen oder anderen Tropfen.
Anschließend ging die kulinarische Entdeckungsreise von Amerika über den Atlantik bis nach Großbritannien. Dort hatten Herbert und Christel Scheibler die einzige Destillerie von Wales besucht, deren siebenfaches Destillationsverfahren dem walisischen Whisky seinen einzigartigen Geschmack verleiht. Wem das zu mild war, der durfte sich im nächsten Schritt an einem 61,8-prozentigen Destillat aus Indien versuchen. Der asiatische Subkontinent ist – was die meisten Teilnehmer im Saal überraschte – der größte Whisky-Produzent der Welt. „Das Besondere hierbei ist, dass indischer Whisky nur drei bis vier Jahre reift. Außerdem werden alle Produktionsschritte von Hand ausgeführt und das Wasser kommt extra aus dem Himalaya“, wie Herbert Scheibler erläuterte. Der Grund für den schnellen Reifeprozess liege in den hohen Temperaturen, so dass rund zehn bis zwölf Prozent des Fassinhalts pro Jahr verdunsten – der sogenannte „Anteil der Engel“. Zum Vergleich: In Europa seien es gerade mal drei bis vier Prozent Verlust.
Von Indien ging die Reise weiter nach Deutschland, genauer gesagt nach Bayern. Obwohl der Freistaat in erster Linie für sein Bier bekannt ist, hat sich dort mittlerweile auch eine ansehnliche Whisky-Tradition entwickelt. „Deutscher Whisky braucht sich vor der schottischen Konkurrenz nicht zu verstecken“, bewarb Herbert Scheibler die bayrische Spirituose von St. Kilian, die größte Whisky-Destillerie Deutschlands. Anders als seine Vorgänger handelt es sich hierbei um einen rauchigen Whisky, der besonders unter Liebhabern eine hohe Popularität aufweist. Ähnliches gilt für den Ardbeg, der zum Schluss verkostet wurde. Der Scotch von der Insel Islay hat den Ruf, der torfigste unter den schottischen Whiskys zu sein.
Doch die Frage danach, woher denn nun der beste Whisky kommt, konnte auch an diesem Abend nicht beantwortet werden. „Das ist Geschmackssache. Die einen mögen es rauchiger, die anderen süßlicher“, ergänzte Christel Scheibler auf Nachfrage. Der heiteren Stimmung im Publikum konnte das keinen Abbruch tun – ganz im Gegenteil... Nach dem Ende des offiziellen Tastings ließ man den Abend bei weiterem Whisky in geselliger Runde ausklingen.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/zwingenberg_artikel,-zwingenberg-zwingenberger-englandfreunde-auf-entdeckungsreise-durch-die-welt-des-whiskys-_arid,2021592.html