Zwingenberg. Der Verein „Partnerschaft Tetbury“ lud vor Kurzem in den Saal des Alten Amtsgerichts zu einem Vortrag ein, der das oberhalb von Jugenheim gelegene Schloss Heiligenberg und die verwandtschaftlichen Verbindungen der einstigen Schlossherren des Großherzogtums Hessen zum Thema hatte. Etwa vierzig Interessierte waren der Einladung gefolgt und wurden entsprechend der britischen Tradition von Vereinsmitgliedern mit Tee und Plätzchen willkommen geheißen.
Christel Dasbach hatte den Vortrag organisiert und den promovierten Historiker Lupold von Lehsten gewinnen können, einen Experten der Adelsgeschlechter und engagierten Mitarbeiter der „Stiftung Heiligenberg Jugenheim“. Er wurde vom Vorsitzenden des Partnerschaftsvereins, Holger Habich, begrüßt und gab in seinem Vortrag vielfältige Einblicke in die Verbindungen der Adelsfamilien und die Bedeutung von Schloss Heiligenberg.
Blütezeit ab 1827
Im Jahr 1811 gelangte der landwirtschaftlich genutzte Heiligenberg in den Besitz von August Konrad Hofmann. Der hessische Hofkammerrat ließ zwischen 1813 und 1816 am Fuße des späteren Marienberges einen landwirtschaftlichen Gutshof errichten. Seine Blütezeit erlebte das Bauwerk ab 1827, als das Hofgut von der späteren Großherzogin Wilhelmine erworben wurde, erläuterte von Lehsten. Wilhelmine von Hessen ließ das Hofgut zum Schloss umbauen und nutzte es neben dem Park Rosenhöhe in Darmstadt als Refugium.
Nach zwei gemeinsamen Söhnen mit Großherzogs Ludwig II. wurde Wilhelmine Mutter weiterer offiziell großherzogliche geborener Kinder, deren Vaterschaft jedoch August Freiherr von Senarclens de Grancy, dem Ausbilder ihrer Söhne, zugeschrieben wird. Aus der Verbindung zwischen Großherzogin Wilhelmine und Freiherr August entstammten Prinzessin Marie, die später durch die Heirat mit dem späteren Zaren Alexander II. Zarin von Russland wurde, sowie Prinz Alexander.
Ein neues Adelsgeschlecht wurde gegründet: Battenberg
Alexander stand in russischen Diensten und verliebte sich in die polnische Gräfin Julia Hauke, eine Hofdame seiner Schwester Marie. Aus russischen Diensten entlassen, heiratete Alexander die schwangere Gräfin. Die nicht standesgemäße sogenannte morganatische Ehe wurde durch seinen Bruder Ludwig III., Großherzog von Hessen-Darmstadt, „legalisiert“, indem er die Braut zur „Gräfin von Battenberg“ erhob. Alexander und Julia gelten somit als Gründer des Adelsgeschlechts „Battenberg“.
Schloss Heiligenberg wurde vom Großherzogtum als Sommersitz und häufig als Unterkunft für Besuche aus europäischen Adelshäusern genutzt. Zu Ehren der bereits 1836 verstorbenen Mutter Wilhelmine ließen deren Kinder 1866 das große vergoldete Kreuz am Heiligenberg errichten, das noch heute eines der Wahrzeichen Jugenheims ist.
Verbindung zum britschen Königshaus
Aus dem neu entstandenen Haus Battenberg gingen fünf Kinder hervor, die später in unterschiedliche europäische Adelshäuser einheirateten. So schloss etwa Ludwig von Battenberg die Ehe mit Prinzessin Victoria, Tochter des Großherzogs Ludwig IV. von Hessen und Enkelin von Queen Victoria, Königin des Vereinigten Königreichs Großbritannien. Aufgrund dieser Beziehung zählten die Battenbergs fortan zur Verwandtschaft der britischen königlichen Familie. Ein Enkel von Ludwig von Battenberg war Prinz Philip, der spätere Prinzgemahl von Königin Elisabeth II. und Vater des heutigen Königs Charles III.
Ludwig stieg in der britischen Marine bis zum höchsten Amt als Flottenadmiral und Erster Seelord auf, musste aber mit Beginn des 1. Weltkrieges wegen seiner deutschen Abstammung zurücktreten. Im Sommer 1917, als der britische König Georg V. seine deutschen Titel ablegte und den anglisierten Familiennamen „Saxe-Coburg and Gotha“ in „Windsor“ änderte, nahm Ludwig von Battenberg den Namen Mountbatten für sich und seine Nachkommen an. 1920 verkaufte er sein Elternhaus Schloss Heiligenberg.
Das Schloss fiel 1937 dem Volksstaat Hessen zu. Es wurde als nationalsozialistischen BDM-Gauführerinnenschule und im Krieg als Lazarett genutzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg und einem Umbau des Inneren beherbergte die Anlage jahrzehntelang verschiedene Fachschulen und Institutionen. Aktuell ist das Schloss im Eigentum des Landes Hessens. Die Stiftung Schloss Jugenheim wirkt seit 2012 im Sinne der Denkmalpflege für Kunst und Kultur. Aktuell beherbergt das Schloss ein Restaurant. Der Verein „Kultur im Schloss Heiligenberg“ organisiert jedes Jahr kulturelle Veranstaltungen auf Schloss Heiligenberg.
Der Dank von Christel Dasbach an den Referenten Lupold von Lehsten wurde mit kräftigem Applaus bestätigt, und mancher Zuhörer bewies bei den abschließenden Rückfragen ausgeprägte Sachkenntnis.
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