Theater Mobile - Uwe Theel rezitierte Fritz-Graßhoff-Werke

Tolle Leistung vor fast leeren Rängen

Von 
Eva Bambach
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Im nur mäßig besuchten Theater Mobile in Zwingenberg schlüpfte Rezitator Uwe Theel gekonnt in die Rolle des Lyrikers und Komponisten Fritz Graßhoff.

© Matern

Zwingenberg. Eine ideale Besetzung. Anders kann man es eigentlich nicht nennen. Uwe Theel vom Theater Mobile brachte die vielen Facetten der Lyrik, der Songs und Balladen von Fritz Graßhoff vom derben Vers bis hin zum Melancholisch-Zarten so gut zur Geltung, dass die Zuhörer im nur mäßig besetzten Zwingenberger Theater einen Eindruck vom Werk Graßhoffs bekamen, wie es sich wohl nur den Wenigsten beim Selbstlesen erschließt. Dass Theel allein mit seiner Stimme und Körpersprache den Ton so gut traf, hängt wohl auch mit seiner Statur und seiner Bartracht zusammen, die den bärbeißigen Schriftsteller, den Sohn eines Seemanns, glaubwürdig verkörperte.

Ko-Produktion

Mit der aus der Zusammenarbeit von Stadtbücherei Zwingenberg, Theater Mobile und dem Förderkreis Kunst und Kultur Zwingenberg hervorgegangenen Lesung ging die dreiteilige Veranstaltungsreihe weiter, die der Förderkreis im Gedenken an den 100. Geburtstag des am 9. Dezember in 1913 in Quedlinburg Geborenen (gestorben 1997) veranstaltet. Im August hatte es eine Ausstellung in der Remise am Alten Amtsgericht gegeben, in der an das malerische und grafische Werk Graßhoffs erinnert wurde.

Den Abschluss der Reihe wird am 17. November ab 18 Uhr ein Abend mit Liedern und Texten Graßhoffs darstellen, die von Jeanette Giese und Volker Grewe vorgetragen werden, begleitet von Berthold Mäurer (Gitarre) und Michael Reuter (Piano). Die Zwingenberger würdigen damit einen eigenwilligen Künstler und Schriftsteller, der einige Jahre in ihrem Städtchen gelebt hat. 1967 war er mit seiner Frau Roswitha und seinem Sohn Roger nach Zwingenberg in die Orbisstrasse 14 gezogen. Er lebte hier bis er 1983 in einem offenbar recht spontanen Entschluss nach Kanada auswanderte.

Keine leichte Kost

Der Leseabend war vergnüglich und kurzweilig, dabei aber bei weitem keine leichte Kost. Theel verlieh den Texten Fritz Graßhoffs mit großer Präsenz und einer an entsprechenden Stellen dissonanten, lauten, schrillen oder bis ins Unerträgliche gesteigerten Stimme Gehör - für die Zuhörer wurde es zu weit mehr als einer einfachen Lesung.

Tod und Verzweiflung spielen schließlich in Graßhoffs Werk eigentlich durchgängig eine große Rolle, dazu immer eine gehörige Portion beißende Kritik an den Mitmenschen und natürlich der bekannte Galgenhumor. Ausgespart blieben die bekannnten Schlagertexte, die Graßhoff für Stars wie Lale Andersen, Hans Albers, Freddy Quinn und viele andere schrieb, und die ihm den Lebensunterhalt sicherten.

Die Verzweiflung an der Welt kommt schon in den von den Erlebnissen des Zweiten Weltkriegs geprägten, häufig skurrilen "Barackenversen" zum Tragen, wo es einmal zum Beispiel heißt "Was ich getan, verlor den Sinn, ich weiß nicht, warum ich so fröhlich bin" und ein andermal: "In einer hohlen Rübe will ich wohnen, bei Wurm und Engerling ... mich ekelt diese Welt". Oder in einem Text über eine Feldpostkarte, in dem von seinem "jungen Vater, längst verfault" die Rede ist, der in grauer Uniform dem Grauen gedient habe.

Mit thematisch inspirierten Gesangspartien hob Theel in seiner Lesung interessante Elemente hervor, etwa den spöttischen Nachruf auf einen Regierungsrat AD oder die mit reichlich Zwischenapplaus honorierten Ballade von dem Mann, der sein Leben unter dem Motto "Ich trau mich nicht" gefristet hat. Von Theels Talent, unterschiedliche Dialekte nachzumachen, zeugte unter anderem der Vortrag eines Gedichts, dass sich mit dem "Heimatjefühl" der vertriebenen Ostpreußen auseinandersetzte - mit gnadenlosem Spott.

Schonungslos war aber auch Graßhoffs Haltung zu sich selbst. In seinem "Endgedicht", das für die eigene Todesanzeige gedacht war, heißt es unter anderem: "Wo ist das Gespräch des Flusses/mit den lauschenden Muscheln?/Eben war doch noch Gesang und Atem/im geduldigen Gras/und das Läuten über uns/der Aeroplane." Nach drei Kostproben von Episteln Carl Michael Bellmans, des schwedischen Dichters des 18. Jahrhunderts, dessen Texte Graßhoff ins Deutsche übersetzte, endete Theel mit dem echt Graßhoffschen Apell: "Wehre Dich, schlage Dich, halte nicht still, ein Mann geht nicht unter, wenn er nicht will."

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