Zwingenberg. So hätte sich Shakespeare seinen "Hamlet" sicher nicht vorgestellt: Die Königin stirbt an schlecht gewordenem Apfelwein und ein Stoffhäschen gilt als Zeichen der ewigen Liebe. Am Ende sind (fast) alle Figuren - wie im Theaterstück vorgeschrieben - tot. Doch zuvor wird die eigentliche Tragödie noch schnell zur Komödie und die ewige Frage um das "Sein oder Nicht-Sein" als Angriff auf die Lachmuskeln zweckentfremdet.
Überhaupt nicht klassisch ging es mit "Hamlet for you" im Mobile-Theater zu. Shakespeare entstaubt und von Sebastian Seidel umgeschrieben. Statt großer Kulisse und zahlreicher Besetzung nur zwei Schauspieler - und die Rollenverteilung war von Anfang an auch nicht klar. Friedrich (Michel Schäfer ) und Johannes (Thomas Sturmfels) als Schauspieler, die "Hamlet" unbedingt auf die Bühne bringen wollten und dabei über so einige Hindernisse stolperten.
Wer spielt hier wen?
Streit über die Besetzung gibt es gleich zu Anfang. Johannes, der lieber den Wächter Bernardo spielen wollte und nicht den Geist von Hamlets Vater. Im Original erscheint der Geist von Hamlets Vater, ehemaliger König von Dänemark, dem Wächter Bernardo. Er ist von seinem Bruder Claudius ermordet worden, der somit die Königskrone an sich gerissen hat. Der ermordete König wartet auf seinen Sohn Hamlet, der Rache an Claudius nehmen soll. Doch dieser erscheint irgendwie nicht. "Ich warte schon eine ganze Weile und Dänemark ist verdammt kalt!" beschwerte sich der in Bettlaken gehüllte Geist bei Bernardo.
Ganz zufrieden war Johannes mit seiner Rolle nicht, wollte er doch lieber Musical-Star werden und versuchte sein zweifelhaftes Musiktalent in "Hamlet" unter zu bringen. Nicht nur, dass ihm diese Chance zunächst verwehrt blieb. Johannes wurden auch noch die Frauenrollen zugeteilt, während Friedrich durch das Stück führte. Die Hauptrollen erhielt natürlich er.
In der nächsten Szene sitzt Königin Gertrude, die Königin von Dänemark, ausstaffiert mit Glitzer-Diadem und Lockenperücke auf ihrem "schwer eroberten Ikea-Klappstuhl" und berät sich mit Claudius, ihrem neuen Ehemann. "Hamlet geht bald wieder nach Wittenberg", beschließt Claudius. "Da sparen wir uns die Studiengebühren." Im Gegensatz zu Hamlet, der mit seiner Trauer zu kämpfen hat, erwehrt sich Johannes als Claudius seiner Gertrude. "Als Gertrude kamen bei mir so die weiblichen Gefühle durch", entschuldigte sich Friedrich.
In das Schauspiel einbezogen wurde auch das Publikum. Mit Zwischenrufen sollte es das Geschehen auf der Bühne bestimmen. Wenn jeweils ein bestimmter Name erwähnt wurde, kam von seitens des Publikums Ausrufe wie "Korrupter Lügner" oder der Singsang "Wir wollen Hamlet sehen". Um herauszufinden, ob der Geist des Vaters die Wahrheit spricht, stellt sich der inzwischen eingetroffene Hamlet wahnsinnig.
Johannes hatte unterdessen ganz andere Probleme: Er konnte seine Perücke für die Rolle der Ophelia, Hamlets Geliebten, nicht finden. Hamlet selbst soll den Vater rächen, die Mutter aber verschonen. Depressiv denkt er über "Sein oder Nicht-Sein" nach. Johannes bemühte sich um denkerische Pose, vergaß über der Tragik den Text und begann ständig von vorn.
Nur mit Perücke geht's
Währenddessen tauchte die vermisste Ophelia-Perücke wieder auf. Rotgelockt trat Friedrich seinem Kollegen Johannes als Hamlet gegenüber und überreicht als Zeichen des Andenkens ihren geliebten Stoffhasen. Hamlet wies sie jedoch zurück und Ophelia alias Friedrich befand piepsig: "Der ist ja durchgeknallt." Kurz darauf konfrontiert Hamlet seine Mutter mit dem Verdacht des Mordes. Der Kämmerer Polonius belauscht dieses Gespräch und wird dabei von Hamlet ermordet, der ihn für Claudius hält. "Man hat mich umgebracht." befand er, bevor er sein umgehängtes Namenschild wegwarf und zu Boden sank.
Gestorben wie die Fliegen
Wie die Fliegen wurde dann gestorben. Ophelia ertränkt sich aus Verzweiflung, während ihr Bruder Laertes Rache schwört und seine Degenspitze vergiftet. Johannes ergriff unterdessen seine Chance und bot dem Publikum seine eigene Version von "I will survive" dar. Als Geist des ermordeten Königs sang er "Ich bin zurück aus dem Weltraum" und sorgt für Lacher im Publikum.
Anschließend sollte es zum tödlichen Duell zwischen Laertes und Hamlet kommen, doch Friedrich mochte nach "den ganzen Frauenrollen" auch mal eine Hauptrolle spielen. Nach Streit und Schmollen übernahm er die schließlich Rolle von Laertes, der sich mit Hamlet duelliert. Mitten im Kampf wechselte er in die Rolle von Hamlets Mutter, die aus dem für Claudius bestimmten, vergifteten Becher trinkt. "Das war kein guter Odenwälder Apfelwein, sondern Frankfurter!" stellte sie entsetzt fest, bevor sie an dessen Wirkung dramatisch starb.
Hamlet ersticht Claudius, während sich Laertes und Hamlet gegenseitig tödlich verletzen. "Der Countdown läuft", heißt es, bevor beide sterbend niedersinken und Hamlet seine berühmten Worte spricht: "Der Rest ist Schweigen."
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