Vortrag

Der Zwingenberger Theodor Loos war ein großer Schauspieler

Der gebürtige Zwingenberger zählte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den renommiertesten deutschen Theater- und Filmkünstlern.

Von 
Gerlinde Scharf
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Im Stummfilm „Friedrich Schiller, eine Dichterjugend“ aus dem Jahr 1923 spielte Theodor Loos (li.) den Dichter. © dpa

Zwingenberg. Ein Name, der heute nur noch wenigen Insidern etwas sagt: Theodor Loos, geboren am 18. Mai 1883 in Zwingenberg. Loos war ein begnadeter Schauspieler, der auf vielen deutschen Theaterbühnen gestanden und in mehr als 220 Stumm- und Tonfilmen (ab 1930) mitgewirkt hat – oft war er in Haupt- und Charakterrollen zu sehen, unter anderem in „Metropolis“, „Die Nibelungen“, „Das Testament des Dr. Mabuse“ und „Eine Stadt sucht ihren Mörder.“ Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs trat er im renommierten Deutschen Theater in Berlin auf.

Im Vergleich zu berühmten Kollegen ist Loos fast vergessen

Im Gegensatz zu seinen Kolleginnen und Kollegen Gustav Gründgens, Emil Jannings, O.W. Fischer, Marika Rökk, Heinrich George, Marlene Dietrich, Elisabeth Flickenschild, Paul Verhoeven, Theo Lingen und anderen Berühmtheiten, an deren Seite er in Dramen, Historien -, Kriminal-, Heimat- und Liebesfilmen spielte, ist Theodor Loos so gut wie vergessen. Und das, obwohl ihn das Staatstheater Württemberg in Stuttgart zu nach seinem Tod am 27. Juni 1954 „als einen der großen Schauspieler der Ära Max Reinhardt“ würdigte.

Anlässlich der 750-Jahr-Feier erinnerte jetzt die Stadt Zwingenberg im Theater Mobile mit einem Bildvortrag von Fritz Kilthau (Bild: Thomas Zelinger), Vorsitzender des Vereins Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge, an das Leben und Wirken des gebürtigen Zwingenbergers, der schon früh die Leidenschaft für die Schauspielerei für sich entdeckte und sein ganzes Leben danach ausrichtete. Auch während der Zeit des Nationalsozialismus, in der er nicht wie rund 1400 Filmschaffende (beispielsweise Marlene Dietrich, Curt Goetz und Billy Wilder) ins Ausland emigrierte, sondern blieb.

Fritz Kilthau erinnert an den Film- und Theaterschauspieler Theodor Loos © Thomas Zelinger

Er selbst bezeichnete sich später als rein künstlerischen Menschen, seine Ehefrau nannte ihn „politisch naiv“. Kilthau sprach über den seinerzeit berühmten Sohn von Zwingenberg nach dessen „Wiederentdeckung“ auch mit Nachkommen und seiner vierten Ehefrau Gisela. Die beiden Söhne von Theodor Loos aus erster Ehe fielen im Zweiten Weltkrieg.

Berenike Neumeister vom Arbeitskreis 750 Jahre Zwingenberg hieß die Besucher im unverständlicherweise nur spärlich besetzten Theaterkeller willkommen und sprach von einer „ganz besonderen Veranstaltung über eine Zeit, die bislang im Jubiläumsprogramm so noch nicht vorgekommen ist.“

Ein besonderes Highlight des Abends waren Ausschnitte aus vier Schwarz-Weiß-Filmen mit Loos, die nur noch auf YouTube verfügbar sind: „Friedrich Schiller- eine Dichterjugend“ von 1923; „Andreas Schlüter“ (1942) mit Heinrich George und Olga Tschechowa (Loos spielte Kurfürst Friedrich III von Brandenburg); „Das Mädchen vom Moorhof“ nach Selma Lagerlöf von 1935; „Die Entlassung“ (1942) mit Emil Jannings als Otto von Bismarck und Loos als sterbenden Kaiser Wilhelm I. Auch im berüchtigten antisemitischen Hetzfilm „Jud Süß“ stand Theodor Loos als Herzoglicher Kämmerer von Remchingen auf der Besetzungsliste.

Den Namen Theodor Loos durch Zufall wieder entdeckt

Es war mehr oder weniger dem Zufall geschuldet, dass Kilthau in einem Buch über den Nationalsozialismus im „Bergsträßer Bote“ vom 14. Februar 1936 erstmals auf den Namen Theodor Loos stieß – und weiter recherchierte. Aufgewachsen ist der Schauspieler in Zwingenberg wo er die Elementarschule besuchte und später aufs Gymnasium nach Bensheim wechselte. Sein Elternhaus stand an der B 3 gegenüber dem Löwenplatz.

Sein Vater, ein Uhrmacher, hat den Lebensunterhalt für die Familie in der Hauptsache mit der Herstellung von Instrumententeilen verdient. Theater gespielt hat Theodor schon als Jugendlicher – und zwar gemeinsam mit Mitschülern im Schulhof. Er hat Gedichte vorgetragen und sogar eine eigene Marionettenbühne besessen. Als Vierzehnjähriger zog er mit seinen Eltern nach Leipzig. Statt deren Wunsch zu befolgen und Pfarrer zu werden, stand für ihn schon früh fest, dass nur die Schauspielerei in Frage kommt.

Nach einer abgebrochenen Kaufmannslehre nahm die Karriere des jungen Mannes relativ schnell an Fahrt auf. Nach Ausbildung und Verpflichtung am Leipziger Schauspielhaus, wo ihn der große österreichische Schauspieler Josef Kainz unter seine Fittiche nahm, führte der berufliche Weg Theodor Loos nach Danzig, Frankfurt und schließlich nach Berlin, wo er zunächst am Lessing Theater ein Engagement bekam.

Sowohl Kritiker als auch Zuschauer überzeugte er vor allem in klassischen Stücken und Dramen. „Peer Gynt von Ibsen hat er über 450-mal gespielt“, so Fritz Kilthau. Loos zählte zur ersten Riege deutscher Theater- und Filmschauspieler und arbeitete mit renommierten Regisseuren wie Max Reinhart, Fritz Lang und Heinz Hilpert zusammen.

Sein Entschluss, nach Machtantritt der Nationalsozialisten und nachfolgender Zensur und Arbeitsverbot gegenüber politischen Gegnern und missliebigen Filmschaffenden durch das sogenannte „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda“, in Deutschland zu bleiben, brachte Loos 1935 die Ernennung durch Goebbels zum Mitglied des Reichskultursenats und zwei Jahre später die Ernennung zum Staatsschauspieler durch Adolf Hitler ein, „was ihn natürlich geschmeichelt hat“.

In der NS-Zeit war Loos ein Mitläufer

1936 war Loos in die NSDAP eingetreten und hatte in einem Brief seine „arische Abstammung“ und die seiner Eltern bestätigt. 1944 nahm ihn Goebbels in die „Gottbegnadete Liste der unentbehrlichen Schauspieler“ auf, die er für seine Propagandafilme benötigte. Kilthau wies in seinem Vortrag dennoch daraufhin, dass äußerst fragwürdige „Ehrungen“ wie „Reichskultursenator“ etc. Auszeichnungen ohne besondere Vergünstigungen waren. Loos selbst sei nie politisch aktiv gewesen, habe aber dennoch engen Kontakt zum Geschäftsführer der „Reichskulturkammer“ Hans Hinkel gepflegt.

Theodor Loos Rolle im Nationalsozialismus sei die eines Mitläufers gewesen, folgerte Kilthau und schloss sich Carl Zuckmayer an, der nach dem Krieg eine enge Brieffreundschaft mit dem Schauspieler pflegte. Dass ihn Else Bassermann, eine Jüdin die mit ihrer Familie seit 1933 im Exil in den USA lebte, 1952 als Trauerredner ihres berühmten Mannes, Albert Bassermann, ausgewählt habe, spreche ebenfalls für Loos.

Erste Stadträtin Karin Rettig dankte Fritz Kilthau im Namen der Stadt für seine Nachforschungen und seinen hochinteressanten Vortrag über den berühmten Film- und Theaterschauspieler mit Zwingenberger Wurzeln. Ausführlich hat Kilthau das Leben und Wirken von Theodor Loos, dessen Rolle im Nationalsozialismus und in dem Propagandafilm „Jud Süß“ in einer Broschüre beschrieben, die man beim Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge erwerben kann.

Freie Autorin Seit vielen Jahren "im Geschäft", zunächst als Redakteurin beim "Darmstädter Echo", dann als freie Mitarbeiterin beim Bergsträßer Anzeiger und Südhessen Morgen. Spezialgebiet: Gerichtsreportagen; ansonsten alles was in einer Lokalredaktion anfällt: Vereine, kulturelle Veranstaltungen, Porträts. Mich interessieren Menschen und wie sie "ticken", woher sie kommen, was sie erreiche haben - oder auch nicht-, wohin sie wollen, ihre Vorlieben, Erfolge, Misserfolge, Wünschte etc.

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