Zwingenberg. Ein Nachtclub in Paris vor 100 Jahren: Drei junge Männer in Hemd und Weste stürmen lachend in den Raum, setzen sich vorn an den Tisch und beginnen, ausgelassen zu feiern. Der Barkeeper am Tresen trägt einen gezwirbelten Moustache und eine goldene Weste, während er die nächsten Drinks mischt und manche Gäste damit schon bald in einen Rausch versetzt. Weiter hinten im Raum tanzen drei Frauen in glitzernden Kleidern und mit Hut auf dem Kopf zur Swingmusik. So unbeschwert muss das Leben also im pulsierenden Paris der Zwanzigerjahre gewesen sein, wie gleich die erste Szene der neuen Komödie „Pelzgeflüster“ im Mobile zeigt. Am Samstag hat die Eigenproduktion des Zwingenberger Theaters seine Premiere gefeiert und das Publikum dabei mit auf eine humoristische Reise durch die Unwegsamkeit der französischen Gesellschaft genommen.
Der Pelz brennt
Dabei sieht alles zunächst ganz harmlos aus: Der Hauptdarsteller Fadinard, gespielt von Lazaros Efremidis, feiert mit Freunden den Junggesellenabschied. „Lasst uns heute feiern, als gebe es kein Morgen“, ruft er, schnappt sich voller Euphorie einen Pelzmantel an der Garderobe und zieht ihn sich über. Wenige Sekunden später steigt Rauch im Zwingenberger Keller auf, der Mantel hat wohl eine Kerze touchiert und steht nun in Flammen. Nach dem verzweifelten Rettungsversuch bleibt dann nur noch ein ausgebranntes Loch übrig. Viel schlimmer: Der Pelzmantel gehört gar nicht Fadinard, sondern der Besucherin Anaïs de Beauperthuis, gespielt von Debora Clever. Die wiederum hat sich davor im Nachtclub amüsiert und ihren Ehemann betrogen. Am nächsten Tag mit einem verbrannten Mantel heimzukommen, kann de Beauperthuis daher nicht, weshalb der schuldige Fadinard nun eine Mission hat: Er muss einen zweiten Mantel besorgen.
Cholerischer Schwiegervater bekommt mehrere Wutausbrüche
Das erweist sich als gar nicht so einfach. Schließlich möchte der Hauptdarsteller mit dem akkurat getrimmten Bart und langen Zopf eigentlich seine Auserwählte Hélène heiraten. Die Hochzeitsgesellschaft ist samt Geschenken schon auf dem Weg und so kommt es, dass Fadinard von nun an jonglieren muss zwischen der Vorbereitung für das Jawort und der Suche nach einem zweiten Mantel, den es in dieser Form nur einmal in ganz Paris gibt. Was das Ganze so humorvoll macht? Vor allem die Leistung der Laiendarsteller. Da ist zum Beispiel der cholerische Schwiegervater, grandios gespielt von Rolf Cassells. Dieser ist über das Auftreten des verplanten Ehemannes gar nicht begeistert, wie er gleich mehrfach an seinen Wutausbrüchen erkennen lässt.
Deutlich zurückhaltender ist da Dieter Wagner als Buchhalter im Pelzgeschäft, das kurze Zeit später zum Standesamt wird – und Wagner unfreiwillig zum Standesbeamten. Denn Bräutigam Fadinard wollte dort eigentlich nur nach besagtem Mantel schauen, wird aber von der eifrigen Hochzeitsgesellschaft samt Schwiegervater und Onkel überrascht, die das Pelzgeschäft für ein Standesamt halten. Fadinard und seine Auserwählte spielen mit, damit der cholerische Schwiegervater, der seine Tochter unter die Haube bringen möchte, endlich mal Ruhe gibt. So kommt es dazu, dass kurzerhand alles für die romantische Szene angerichtet wird. Auf die Frage aller Fragen des Standesbeamten Wagner, der an diesem Abend gleich in mehrere Rollen schlüpft, antwortet Fadinard dann: „Ja, Clara.“ Doof nur, dass seine Braut Hélène heißt. Clara ist eine Affäre aus früheren Tagen, von der Fadinard offensichtlich immer noch nicht loslassen kann.
Harmonisches Ensemble
Wie gut, dass ihm sein Freund Félix immer mit Rat und Tat zur Seite steht, sich dabei manchmal aber auch verplappert und so seinen Teil zum Chaos beiträgt. Grandios gespielt wird diese männliche Rolle von Nina Wenz. Die 22-Jährige studiert an der Goethe-Universität in Frankfurt Theater-, Film- und Medienwissenschaften und hat trotz ihres jungen Alters schon viel Bühnenerfahrung gesammelt. Zum sechsten Mal spielt sie bei der Eigenproduktion mit, nachdem sie über die Schule das Theaterspiel für sich entdeckt hat, wie sie nach dem Auftritt erzählt.
Länger dabei ist Gabrielle Poitevin. Sie steht seit etwa einem halben Jahrhundert auf der Bühne und zählt zu den ersten Mitgliedern des 1980 gegründeten Vereins „Theater Mobile“. Die von ihr gespielte Baronin, die später wichtig werden soll, ist so wohlhabend, dass der cholerische Schwiegervater plötzlich gar nicht mehr so cholerisch ist und sich gar liebevoll zeigt. Nicht nur Wendungen wie diese verleihen der Zwingenberger Eigenproduktion ihren eigenen Charme. So hat die gelernte Musicaldarstellerin und Regisseurin Lena Seidl immer wieder Gesangsparts in die Aufführungen einfließen lassen mit umgedichteten Texten.
Dass das funktioniert und die Schauspieler trotz unterschiedlicher Biografien – das Ensemble besteht nur aus Laiendarstellern – so gut harmonieren, ist der akribischen Vorbereitung zu verdanken. Schon kurz vor Weihnachten haben die Planungen für die Eigenproduktion begonnen, zu Beginn des Jahres ging es dann mit den Proben los. „Wir haben ein Ensemble, suchen dazu ein Stück und passen es auf die Charaktere an“, erläuterte Seidl vor wenigen Tagen im Gespräch mit dieser Zeitung. Ganz in der Tradition des langjährigen Regisseurs Danilo Fioriti, der dieses Mal nur zu Beginn mit dabei war und für einen fließenden Übergang sorgte.
Große Tanzshow zum Finale
Das Stück basiert auf der französischen Stummfilmkomödie „Der Florentiner Hut“ aus dem Jahr 1928 sowie der gleichnamigen deutschen Verfilmung mit Heinz Rühmann aus dem Jahr 1939 und wurde eigens für die Zwingenberger Aufführung umgeschrieben. „Wir hatten mehr Schauspieler, die mitmachen wollten als im Original. Also haben wir das Stück angepasst, weil wir jedem eine Rolle geben wollten“, sagte Mobile-Vorsitzender Leo Ohrem nach der Premiere.
Daher gibt es einige Parallelen, aber auch einige Unterschiede zur ursprünglichen Fassung. Im Original wird der untreuen Ehefrau de Beauperthuis beim Fremdgehen der Florentinerhut von einem Pferd gefressen, im Zwingenberger Kellertheater bleibt es beim besagten Pelzmantel. Dass dieser am Ende aber wirklich gefunden wird, ist keineswegs sicher. Schließlich warten noch weitere Hindernisse auf Fadinard und seinen Freund Félix, bevor es dann im Schlafzimmer des betrogenen Ehemannes zu einem furiosen Finale kommt. Doch so viel darf verraten werden: Ganz am Ende gibt es noch eine große Tanzshow. Das Leben im Zwingenberger Kellertheater fühlt sich an diesem Abend einfach unbeschwert an.
Die Beteiligten
Bei der Inszenierung wurde Regisseurin Lena Seidl von Ronja Joa (Choreografie), Monika Hartz (Kostüme), Annika Sohnrey (Regieassistenz), Markus Zumbach (Licht), Markus Kneissel (Bühnenbild) und Leo Ohrem (Ton) unterstützt. Als Schauspieler agierten: Rolf Cassells, Debora Clever, Lazaros Efremidis, David Falk, Jochen Herrmann, Monika Hartz, Ronja Joa, Carin Kratz, Debbie Maier, Talia Matt, David Naegele, Gabrielle Poitevin, Finja Schneider, Michaela Schweitzer, Annika Sohnrey, Dieter Wagner, Nina Wenz und Aline Zuchowski.
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