Zwingenberg. Es ist mal wieder ein faszinierender Moment im Theater Mobile. Auf der kleinsten Bühne Zwingenbergs stehen am Samstagabend elf Musiker mit ihren Instrumenten und bilden das größte Ensemble, das je im Kellertheater aufgetreten ist. Vorn sind zwei Schlagzeuge, drei Gitarren und ein Keyboard aufgereiht, dahinter erheben sich auf einem Podest die fünf Bläser. Es ist ein musikalisches Kunstwerk, das die österreichische Jazzband „Sam Siefert Ensemble Project“ aus Innsbruck kreiert hat.
Die meisten Lieder stammen von ihrem jüngsten Album „Realization“. Musikalisch ist das Ensemble um den gebürtigen Bielefelder Schlagzeuger Sam Siefert von Jazz und Rock, aber auch westafrikanischen Klängen geprägt. Es geht im Album um Erkenntnis und die Frage, was Erkenntnis überhaupt ist, erzählt Siefert dem Publikum. Da ist zum Beispiel der Song „A Dream“, in dem Gitarrist Christian Hauser ein virtuoses Solo spielt. Hauser hat die Augen geschlossen, wippt mit dem Oberkörper sanft vor und zurück und schüttelt dabei sekundenlang den Kopf. Fast wie in Trance bewegt er sich zu den rasanten Klängen. Als Hauser das Solo beendet, brandet Applaus auf. Dann öffnet er die Augen und lächelt glücklich. Fast so, als sei er aus einem wunderschönen Traum erwacht.
Grandiose Soli begeisterten die Zuschauer
Solche grandiosen Soli gibt es viele in diesen Minuten. Sie nehmen das Publikum mit auf eine musikalische Reise durch den spirituellen Jazz, die am liebsten niemals enden sollte. Der folgende Song „March for Peace“ klingt zum Beispiel viel ruhiger, aber nicht weniger ausdrucksstark. Da tritt Benni Buchberger von seinem Podest, geht auf der Bühne ganz nach vorn und spielt mit seiner tief klingenden Posaune ein Solo. Auch das zeichnet die Band aus: Obwohl das Innsbrucker Ensemble mit elf Personen auf der Bühne steht, bekommt fast jedes Instrument Raum für sich. Fast jeder Musiker tritt mal nach vorn, spielt sein eigenes Solo und verleiht so jedem Lied einen individuellen Schliff.
Wunderschöne Momente gibt es aber auch gemeinsam. Wenn zum Beispiel die fünf Bläser mit den beiden Schlagzeugern zu einem harmonischen Klangbett verschmelzen, das zum Träumen einlädt. Nur garniert mit dem einfühlsamen, klaren Gesang von Mimi Schmid, die sich selbst an der Gitarre begleitet. Fetziger wird es mit dem Lied „Bloom“, das gute Laune in den historischen Zwingenberger Keller bringt. Eindrucksvoll ist auch der Song „Ahoto“ kurz vor der Pause. Da spielt Simon Strobl am Baritonsaxofon, das länger ist als sein Oberkörper, tiefe Töne, die es so nur selten im Theater Mobile zu hören gibt.
Disco-Gefühl nach der Pause
Nach der Pause geht es zunächst ruhig weiter mit „Light“ vom Vorgängeralbum „Perspectives II“. In den fünf Jahren ihres Bestehens hat die Band viele Eigenkompositionen hervorgebracht. Eine Ausnahme gibt es trotzdem mit „Love & Death“. Der Song stammt von dem ghanaischen Gitarristen Ebo Taylor. Er ist lauter und schneller als viele der bisherigen Lieder. Gemein hat er mit ihnen, dass die Band wieder Raum lässt für ein Solo. Dieses Mal für den jungen Xaver Schutti an der Trompete. Peppig ist auch die Eigenkomposition „Ascen Dance“, die mit dem Schlagzeug einsteigt und fast ein wenig Disco-Gefühl ins Mobile bringt. Wenn die Band zum Beispiel während des Songs für etwa zwei Sekunden pausiert und dann furios wieder einsteigt, wippt der Fuß mit und im Publikum ist ein sanftes Nicken, ein fröhliches Lächeln wahrzunehmen.
Das Publikum wird zum Chor
Emotional wird es zum Schluss. Zunächst spricht Bandleader Siefert über die eigene Musik, die eine „Message“ habe. Es geht darum, „Hoffnung und gute Laune“ in schwierigen Zeiten zu verbreiten, sagt er. Denn nur so könnten Krisen überwunden werden. „Dieses Licht bleibt immer bestehen.“ Daher haben sich die Tiroler für die Zugabe etwas Besonderes ausgedacht. Den Song „Free Your Love“ spielen sie gemeinsam mit dem Publikum. Zunächst in einer A-Cappella-Version, also ganz ohne Musik. Die Band singt die drei Worte vor, dann setzt das Publikum ein.
Der Chor wird nur für einige Minuten unterbrochen, als das Ensemble die Instrumente wieder zum Einsatz bringt. Doch vielleicht auch, weil die ersten Momente so schön waren, lassen die Tiroler ganz am Ende des Liedes wieder nur den Gesang für sich sprechen. Sie singen abermals ohne musikalische Begleitung mit dem Publikum im Chor „Free Your Love“ und kreieren damit an diesem Abend mal wieder: einen faszinierenden Moment.
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