Offene Bühne

Star-Step in Zwingenberg: Künstliche Intelligenz als Beziehungsberater

Beim Star-Step-Format im Zwingenberger Theater Mobile traten Künstlerinnen und Künstler aus der Region auf. Musikalische Beiträge, Rezitationen und Comedy.

Von 
Niklas Wagner
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Unser Bild zeigt die Künstlerinnen und Künstler, die die „Offene Bühne“ im Theater Mobile für einen Auftritt nutzten. © Jürgen Strieder

Zwingenberg. Im Theater Mobile gibt es mittlerweile zweimal im Jahr einen besonderen Abend. „Star Step“ nennt sich das Offene-Bühne-Format, bei dem Künstlerinnen und Künstler im Zwingenberger Gewölbekeller ihr künstlerisches Talent zum Besten geben können. „Das Format ist ziemlich gut besucht“, verriet Leo Ohrem, Vorsitzender der Mobilisten, im Vorfeld der Veranstaltung. Die Besonderheit des Abends liegt vor allem daran, dass das Publikum nicht weiß, was es erwartet. „Es ist gedacht, dass die Leute einen entspannten Abend ohne große Ansprüche haben“, so Ohrem. Fußballer würden sagen: Das klingt nach Kreisliga! Doch ohne zu früh zu viel zu verraten. Kreisliga-Fußball kann mitunter nicht nur sehr ansehnlich sein, sondern auch viel Freude bereiten.

Die Organisation an diesem Sonntagabend übernahm Mona Hartz. Dieter Wagner, selbst schauspielerisch aktiv im Theater-Ensemble des Mobile, moderierte die Veranstaltung. Beide sind federführend für das Star-Step-Format verantwortlich, dessen nächste Auflage für den 22. Februar 2026 geplant ist. Wagner versprach einen „zauberhaften Abend“ und würdigte die „Leidenschaft, das Engagement und den Mut“ der Protagonistinnen und Protagonisten. „Jeder von ihnen hat seine eigene Zauberformel mitgebracht“, sagte er und schob zugleich hinterher: „Die Magie lebt vom Applaus“. Dafür hatte sich der Moderator eine spezielle Zauberformel überlegt, die vom Publikum aufgesagt wurde, bevor die Künstlerinnen und Künstler die Bühne betraten: „Hokuspokus, 3,2,1“ und lauter Applaus brandete auf.

Stücke von Lessing und Kleist

Jochen Singer kam in den Genuss, als erster Protagonist seine „Wort-Magie“ zu verbreiten. Er las aus der Ringparabel von Gotthold Ephraim Lessing, einem zentralen Element in Lessings Drama „Nathan der Weise“. Singer verfügte, wie einige der anderen Künstler, bereits über Bühnenerfahrung. So wirkt er, ebenso wie Gerry Fuchs - der auch noch im ersten Block seinen Auftritt hatte - im Vornerum-Theater mit, einer Bensheimer Theatergruppe, die im Mai dieses Jahres in der Bensheimer Innenstadt szenische Stadtführungen veranstaltet hatte. Fuchs führte damals als Moderator Reinhold Sauermilch durch die Stadt, während Singer einen alten Griechen spielte, der zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges verschleppt wurde und als Gastarbeiter im Hochstädter Marmoritwerk arbeiten musste. Im Mobile las Singer aus Lessings Werk, später folgte die Lektüre des Stücks „Der preußische Soldat“ von Heinrich von Kleist. „Magie entsteht, wenn man die Worte etwas auf sich wirken lässt“, bemerkte Wagner. Und in der Tat: Besonders bei der Lektüre von Kleists Werk gelang dies eindrücklich. „Ein super Vorleser“, meinte eine Dame aus dem Publikum.

Hans Moser beim Papst

Humorvoll wurde es bei Gerry Fuchs, der zunächst die Papstaudienz von Hans Moser künstlerisch darstellte, natürlich mit feinster österreichischer Mundart. Es folgten zwei Stücke von Gerhard Polt, einem deutschen Schauspieler und Kabarettisten, der „mit seinen Figuren und seinen Geschichten sehr nah am echten Leben ist“ so Fuchs. Im letzten Stück mit dem Titel „Tschusch-Tschusch“ – Tschusch ist eine abwertende österreichische Bezeichnung für Südosteuropäer - imitierte Fuchs die jeweiligen Spracheigenheiten der involvierten Personen überzeugend und sorgte damit für gute Stimmung im Publikum. „Humor ist die beste Illusion“, fand Dieter Wagner. Oder aber der letzte Ausweg, wenn man als Schwergewicht Fan eines Fußballvereins ist, über den sich die restlichen Vereine Jahr für Jahr lustig machen. Auf David Nägele traf dies eine Zeit lang zu, wie er mit einer feinen Prise Selbstironie verriet, als er „Geschichten aus seinem (eigenen) Leben“ erzählte, die er angelehnt an den Stil Torsten Sträters, eines deutschen Comedians, präsentierte. „Menschen bestehen zu 80 Prozent aus Wasser. Ich bestand zu 80 Prozent aus Coca-Cola.“ Seine Blutgruppe? „Cola-Vanille“. Das in seinem Liebesleben tote Hose herrscht, erklärt sich dann fast von selbst. An seinem Herzensverein kann dies eigentlich nicht liegen. Er ist Fan des FC Schalke 04. Im Leiden ist er demnach nicht allein.

„Das Zauberwort des Fortschritts ist KI“, sagte Wagner bei der Ankündigung des nächsten Programmpunktes. Und jeder, der schon mal die KI bei einem Problem zurate gezogen hat, konnte die Authentizität der schauspielerischen Einlage von Aline Zuchowski im Gespann mit Rolf Cassels und Marie Gärtner als überaus positiv bewerten. Zuchowski und Cassels fungierten als die Künstlichen Intelligenzen „ChatGTP“ und „Gemini“. Gärtner wollte von ihnen wissen, ob sie in der Beziehung mit ihrem Freund, mit dem sie seit drei Monaten zusammen ist, ein Anrecht auf Privatsphäre hat. Der wechselseitige, mitunter chaotische Vortrag des Trios sorgte für beste Unterhaltung. Die „älteste Magie“ ist die Musik, befand Wagner.

Irische Folkmusik zum Abschluss

Musikalisch wurde es in den zwei folgenden Beiträgen. Stefan Chladek, 2009 erstmals mit der Gitarre in Berührung gekommen und seitdem der Musik verfallen, gab eine Kostprobe von seinem Können mit drei verschiedenen Liedern, die in zwei Fällen einen österreichischen „Touch“ hatten. Chladek hatte lustige und ernste Lieder mitgebracht, die er abwechselnd vortrug. An der Gitarre war auch Daniel Schmidt aus Fehlheim vertreten. Er ist Teil des Trios „Imagine More“, dass die Zuhörer in die Welt der irischen Musik entführte. Neben Schmidt besteht die Band aus Nele Rawen und Birgit Dette. Rawen spielt die Blockflöte, Dette die Geige. In Kombination entstand ein äußerst harmonisches und schön anzuhörendes Zusammenspiel und das, „obwohl wir uns nur gelegentlich mal treffen“, wie Schmidt halb im Scherz anmerkte. Rawen und Dette füllten für einen kurzen Moment die Worte Wagners vom Beginn des Abends mit ganz besonders viel Hingabe, als sie jeweils ein kurzes Solo auf ihren Instrumenten spielten. Es war der stimmungsvolle Abschluss dieses Abends. Dieter Wagners Dank richtete sich an Publikum, Organisation und Technik und natürlich an die Künstler. „Diese Magie entsteht hier auf der Bühne, wenn Künstlerinnen und Künstler in welcher Form auch immer ihren Mut und ihr Herz packen und sich hier auf diese Bühne bewegen.“ Oder um es in der Sprache des Fußballs zu formulieren: Manchmal entfaltet ein Kreisliga-Spiel mehr Magie als ein Bundesliga-Spiel.

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