Landwirtschaft

Spargel-Saison an der Bergstraße startet voraussichtlich nächste Woche

Von 
Thomas Tritsch
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Zwingenberg. Wenige Tage vor dem Start der Spargelsaison ist nicht der Mangel an Erntehelfern das größte Problem: Die steigenden Rohstoffpreise wirken sich wahrscheinlich spürbar auf die Produktionskosten des Edelgemüses aus. Wer frischen regionalen Spargel genießen möchte, muss in diesem Jahr wohl etwas tiefer in die Tasche greifen.

Es waren zwei schwierige Ernten während der Pandemie. Doch das Corona-Virus ist diesmal nicht die erste Sorge der Branche. Auch die Spargelbauern sind von den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine betroffen. Höhere Energiepreise lassen die Betriebsmittelkosten explodieren. Hinzu kommen steigende Mindestlöhne und eine massive Verteuerung beim Dünger.

Das bestätigen auch Sigrid Wendel und ihre Schwiegertochter Chantal vom gleichnamigen Spargel- und Obsthof in Zwingenberg. Sie rechnen ebenfalls – wie die Kollegen in ganz Hessen – mit steigenden Preisen zum Saisonbeginn. Die 20-Euro-Marke für ein Kilogramm bester Spargelqualität werde aber zumindest zum Verkaufsstart nicht geknackt. Mit konkreten Preisaussagen halten sie sich aber noch zurück. Noch sei die Lage zu unsicher, um handfest kalkulieren zu können.

Gute Wetterprognosen

Im Laufe der nächsten Woche soll an der Bergstraße der erste Spargel gestochen werden. Das Wetter scheint zu passen, die Prognosen klingen mild und sonnig. Ideale Bedingungen, um das begehrte Gemüse vom Feld nach Hause zu bringen. Sofern es genügend fachkundige Hände gibt, die das erledigen können. Anfang dieser Woche waren bereits gut 40 Saisonarbeitskräfte in Zwingenberg angekommen. Viel zu wenige. Etwa 450 Helfer werden gebraucht, um die Spargel, Erdbeeren und Himbeeren des Jahres zu ernten. Die Unternehmerinnen hoffen, dass die Mannschaft bald größer werden wird.

Doch das Gros der Erntearbeiter stammt aus Rumänien. Ein südwestliches Nachbarland der Ukraine. Rund 650 Kilometer lang ist die gemeinsame Grenze. Die Folgen des russischen Angriffskriegs sind dort direkt spürbar. Das Land hat bereits viele Flüchtlinge aufgenommen. Nicht wenige Einheimische wurden bereits als Reservisten zur Grenzsicherung einberufen. Andere haben Sorge, gerade in dieser unsicheren Situation ihre Familien zu verlassen. Für die deutschen Landwirte bedeutet das unterm Strich weniger Personal. Statistiken, wie viele Erntehelfer insgesamt nach Hessen kommen, gibt es laut Bauernverband nicht. Dass ausgerechnet Russlands Präsident Putin einmal eine Ernte beeinflussen würde, hätte sich die Branche kaum vorgestellt. Doch auch der inflationäre Schock an den Rohstoffmärkten ist längst auf dem Acker angekommen.

Photovoltaik auf neuer Halle

Bauern, Spargelproduzenten und Winzer brauchen in der Regel große Mengen Diesel für den Betrieb ihrer Maschinen. Viele haben einen Vorrat angelegt, aber die gestiegenen Kosten dürften mittelfristig erhebliche Löcher in die Kassen schlagen. Die Folgen lassen sich bislang noch schwer beziffern. Und auch die Gas- und Heizölpreise wachsen immer weiter. Jeder private Verbraucher spürt das.

In Zwingenberg hat man bereits darauf reagiert: Auf eine neue Halle, in der eine Werkstatt und ein Maschinenlager untergebracht sind, wurde eine Photovoltaikanlage mit 400 Kilowatt Spitzenleistung (kWp) samt Stromspeicher installiert. „Auf diese Weise wollen wir ein Stück autarker werden“, so die Landwirtschaftsmeisterin Sigrid Wendel, die bereits im letzten Frühjahr mit einer personellen Notsituation zurechtkommen musste. Damals wegen geschlossener Grenzen als Folge der internationalen Corona-Einschränkungen. Für einen Hof mit einer Ertragsgesamtfläche von 85 Hektar allein für Spargel sind genügend Mitarbeiter aber eine Voraussetzung dafür, dass der Laden läuft.

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Noch kein Corona-Fall

Die Pandemie im engeren Sinne hat das Familienunternehmen bislang außerordentlich gut bewältigt. Allerdings auch durch hohe Investitionen in die Hygiene- und in die räumliche Infrastruktur, wie Chantal Wendel betont. Sanitäranlagen wurden aufgestockt und die Belegungsdichte der Mitarbeiter-Unterkünfte durch zusätzliche Wohncontainer verkleinert, damit aus einzelnen Infektionsfällen keine großen Infektionsketten werden. Dadurch würde der gesamte Betriebsablauf gefährdet. Außerdem wurde die Kantine vorübergehend geschlossen, die Verpflegung findet seither direkt in den Unterkünften statt. Die Maßnahmen zeigten den erhofften Erfolg: bis heute gab es keinen positiven Covid19-Nachweis. Die Chefin berichtet, dass seit Beginn der Pandemie jeder Saisonarbeiter zwingend einen negativen PCR-Test nachweisen müsse. „Die Leute halten sich an die Vorgaben, das klappt bisher alles hervorragend“, lobt sie ihre Crew, die sich um die Spargelernte kümmert, die in Deutschland normalerweise in der zweiten Aprilhälfte beginnt und traditionell bis zum Johannistag am 24. Juni dauert.

In Hessen wird auf mehr als 2000 Hektar Spargel angebaut. Der überwiegende Teil davon im Raum Darmstadt, aber auch in den Nachbar-Landkreisen Groß-Gerau und Bergstraße gucken jedes Jahr die feinen Köpfchen aus der Erde. „Wir rangieren etwa fünf bis acht Tage hinter Darmstadt“, so Ingrid Wendel über den durchschnittlichen Vegetationsverlauf an der Bergstraße. „Wir haben hier viel kräftigere und kühlere Böden, die das Wasser länger speichern und nicht so schnell abtrocknen.“ Der Spargel wächst auf Sandböden mit einem hohen Lössanteil, dadurch fehlt es ihm selten an der nötigen Feuchtigkeit und den wichtigen Nährstoffen.

Ungebrochene Nachfrage

15 Verkaufsbuden betreibt Wendel in der Region Bergstraße. Die Standorte wechseln gelegentlich. Weniger gut frequentierte Stationen werden geschlossen, andere neu eröffnet. Darüber hinaus wird der Zwingenberger Spargel im Großraum Gießen sowie in Marburg und Dillenburg verkauft. Im Süden reicht der Radius bis Karlsruhe und Stuttgart. „Wir wollen uns auf absehbare Zeit nicht weiter vergrößern, aber wir wollen immer besser werden“, so Chantal Wendel über den Qualitätsanspruch des Betriebs, der 1986 den ersten Spargel angepflanzt hat und bald danach in die Direktvermarktung gegangen ist. Im Jahr 2000 hat die Familie mit der Aussiedlung des Betriebs in Zwingenberg begonnen und damit den Grundstein für eine optimierte Vermarktung gelegt. Hier wird der Spargel vollautomatisch sortiert und in Kisten gepackt.

Die Nachfrage ist ungebrochen. Die Deutschen wollen auf eines ihrer Lieblingsgemüse nicht verzichten. Und auch immer mehr Jüngere greifen zu den gesunden und sehr kalorienarmen Stangen. Auch das durch die Pandemie forcierte Bewusstsein für regionale Erzeugnisse dürfte den Spargelbauern gelegen kommen.

Der zu erwartende Preisanstieg ist eine Verteuerung auf hohem Niveau. „Billig“ ist frischer Spargel aus regionalem Anbau nie. Die Wendels hoffen, dass die Kunden das Gemüse weiterhin wertschätzen und Verständnis für die Erhöhungen aufbringen werden. „Als Betrieb müssen wir auf die Verteuerungen reagieren“, sagt Sigrid Wendel. Personalsorgen, Preiserhöhungen und die andauernde Pandemie: einmal mehr muss die Branche mit einer unsicheren Situation zum Saisonstart zurechtkommen.

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