„Nördlich der Hauptstraße“

Rodauer Neubaugebiet wurde offiziell eingeweiht

Das 1,5 Hektar große Areal wurde am Mittwoch offiziell eingeweiht. Erste Planungen für die Bebauung der innerörtlichen Fläche gehen zurück bis in die 1990er Jahre

Von 
Michael Ränker
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Rodau. „Was lange währt, wird endlich gut.“ So heißt es zumindest in einer bekannten Redensart. Ob das Neubaugebiet „Nördlich der Hauptstraße“ tatsächlich gut geworden ist, das kann gegenwärtig nicht abschließend beurteilt werden, denn noch steht auf dem 1,5 Hektar großen Areal kein einziges Haus. Lange gedauert hat die Entwicklung des neuen Quartiers mit seinen nunmehr 16 Baufenstern auf jeden Fall:

Bei der offiziellen Einweihung am späten Mittwochnachmittag ließen Ortsvorsteher Steffen Müller und Bürgermeister Holger Habich die Historie des Projekts Revue passieren – sie reicht zurück bis ins Jahr 2013. Seinerzeit wurde im Rahmen der Teilnahme von Zwingenberg und Rodau am Hessischen Dorferneuerungsprogramm auch das Vorhaben in Angriff genommen, aus der auch als „In den Gärten“ bezeichneten innerörtlichen Fläche ein Wohnviertel zu machen.

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Und die Älteren unter uns werden sich erinnern: Einen allerersten Anlauf, dort ein Neubaugebiet entstehen zu lassen, gab es bereits in den 1990er-Jahren in der Amtszeit von Bürgermeister Kurt Knapp. Damals machte eine Studentengruppe entsprechende Vorschläge, „doch die Eigentümer zeigten keine große Neigung, das Vorhaben umzusetzen“, erinnerte sich auch der in Rodau aufgewachsene Habich daran zurück, „dass die Wogen damals hoch gingen – und die Akte wurde wieder geschlossen“.

Viele Prozessschritte, bis der Bebauungsplan rechtskräftig war

Im Jahr 2013 war das dann anders: Das Interesse der Grundstückseigentümer war geweckt, als beim Ausloten möglicher Dorferneuerungsprojekte auch die „Gärten“ wieder in den Blick gerieten. Heute – elf Jahre später – weist die im Rathaus aus Anlass der Einweihung zusammengestellte „Genese“ des Vorhabens fast 20 Prozess-Schritte aus. Vor allem die Bürgerbeteiligung sei „intensiv“ betrieben worden, so der Rathauschef, alles sei auf einen Konsens ausgerichtet worden.

Mit 14 Änderungsvorschlägen mussten die Kommunalpolitiker sich bei der Aufstellung des Bebauungsplanes beschäftigen, der dann im Jahr 2021 rechtskräftig wurde. Ein nicht weniger aufwendiges Unterfangen sei auch die Baulandumlegung gewesen, so Habich, der kritisch anmerkte, dass die Entwicklung des Neubaugebiets „Nördlich der Hauptstraße“ auch gezeigt habe: „Die Summe der Einzelinteressen entspricht nicht immer dem Gemeinwohl.“

„Am Klosterhof“ erinnert an die Historie Rodaus als Besitztum des Kloster Lorsch

Der Zwingenberger Magistrat hatte als Bezeichnung für die Strecke, mit der das Rodauer Neubaugebiet „Nördlich der Hauptstraße“ erschlossen wird, die Bezeichnung „Klosterhofstraße“ ins Spiel gebracht. Die jedoch stieß beim Rodauer Ortsbeirat nicht auf Gegenliebe: Der Name gaukele vor, dass es in „Rorre“ mal ein Kloster gegeben habe, aber das war in der Tat nie der Fall.

Mit „Klosterhofstraße“ wollte der Magistrat jedoch „an die Historie Rodaus als Besitztum des Lorscher Klosters und an das Hofgut erinnern, das wohl die historische Keimzelle des Ortes bildete und gegenüber des Alten Rathauses, etwa an der heutigen Stelle des Bauernhofs Rechel (Hauptstraße 5), gelegen war“. Als mehrheitsfähig erwies sich am Ende der Debatte dann die Bezeichnung „Am Klosterhof“.

Zum geschichtlichen Hintergrund der Namensfindung verweist man im Rathaus auf einen Beitrag von Karl Herrmann. Er schreibt in der Chronik der Stadt Zwingenberg, die im Jahre 1974 aus Anlass des 700-jährigen Stadtrechtsjubiläums herausgegeben wurde: „Aus einem im Dreißigjährigen Krieg angefertigten Besitz- und Einkommensverzeichnis wissen wir, dass das Kloster Lorsch in Rodau neben Ackerland und Wiesen ‚eine feine Hofreite auf einem Bauplatz‘ besessen hatte, die aber 1632 ‚bis auf eine Scheune und einen Brunnen im Hofe völlig abgebrannt und zerfallen‘ war. Dieser gesamte Haus- und Grundbesitz bildete das stattliche Hofgut, das schon zu Anfang des 12. Jahrhunderts im Lorscher Codex im Vermerk 134a erwähnt wird. Abt Diemo (1125-1139) hatte damals ‚den Hof in Rut (Rodau) zum Unterhalt des Krankenhauses der (Lorscher) Mönche‘ bestimmt. Es darf angenommen werden, dass dieses Hofgut ursprünglich von den Mönchen selbst und erst später, anfänglich wohl ungeteilt und auf Zeit, bald nach 1600 geteilt und in Erbpacht von ‚Hofleuten’ bewirtschaftet wurde. (…) Die zugehörige Hofreite, der sogenannte Klosterhof, gegenüber dem ehemaligen Rathaus, liegt, wie die Flurkarten deutlich erkennen lassen, am westlichen Ufer einer verlandeten Flussschlinge des ehemaligen Bergstraßenneckars im nördlichen Zwickel an der Straßenabzweigung nach Hähnlein.“ mik

Die Voraussetzungen aber für die künftigen Eigenheimbesitzer, die entlang der Straße mit dem Namen „Am Klosterhof“ siedeln werden, sind am Ende gut geworden: Wege und (Wende-)Plätze wurden mit fast 2400 Quadratmeter versickerungsfähigem Betonpflaster befestigt, für das eigens eine Materialmischung komponiert wurde, die an den Weg erinnern soll, der die „Gärten“ bis dato durchquerte.

„Am Klosterhof“ wird ein verkehrsberuhigter Bereich

Eine Durchfahrtsstraße wird es nicht geben, in Richtung nördliche Hauptstraße wird ein Poller die Autofahrer stoppen, nur Fußgänger und Radler können die mit Felsenkies befestigte Verbindung zwischen „Am Klosterhof“ und der Hauptstraße passieren. Das neue Quartier ist komplett als verkehrsberuhigter Bereich im Sinne einer „Spielstraße“ ausgewiesen.

Geparkt werden darf nur auf den Grundstücken oder entlang der Erschließungsstraße, zwischen den gekennzeichneten Parkflächen wurden drei Winterlinden und drei Apfelbäume gepflanzt. Einige Restarbeiten werden in diesen Tagen noch erledigt, dazu gehört unter anderem die Komplettierung der Straßenbeleuchtung.

„Die Stadt hat rund 1,3 Millionen Euro verbaut“, bezifferte Holger Habich die Kosten. Darin nicht enthalten sind die Investitionen des Bensheimer Energieversorgers GGEW in Strom-, Gas- sowie Telekommunikationsleitungen sowie für die Straßenbeleuchtung und die Trinkwasserleitungen. Letztere wird auch über die GGEW in ihrer Eigenschaft als Betriebsführerin der Zwingenberger Trinkwasserversorgung abgerechnet.

Erschließungskosten sind nach wie vor ein strittiges Thema

Den Löwenanteil der Erschließung zahlt jedoch nicht die Kommune, sondern er wird auf die Grundstückseigentümer umgelegt. Bekanntermaßen ein strittiges Thema, denn zur Kasse gebeten werden sollen auch die benachbarten Anwohner längst erschlossener Grundstücke, die mit ihren rückwärtigen Gärten an die Straße „Am Klosterhof“ angrenzen (wir haben ausführlich berichtet). Noch steht eine rechtliche Klärung aus.

Ungeachtet dieses noch zu klärenden Zwistes herrschte am Mittwoch bei der offiziellen Einweihung die Freude darüber vor, dass das Projekt nun nahezu abgeschlossen ist. „Eine Innenverdichtung ist am Ende immer eine Kompromisslösung – das ist halt etwas anderes, als ein Neubaugebiet am Ortsrand zu entwickeln“, so Ortsvorsteher Steffen Müller, der jedoch auch feststellte: „Das Ergebnis kann sich sehen lassen.“ Er freue sich nun darauf, „dass hier Familien siedeln werden, die unser Gemeinwesen bereichern“.

Gemeinsam mit Bürgermeister Holger Habich lud Müller die Teilnehmer der Einweihung zu „Klosterbier“ und Laugengebäck ein. Passend zur Straßenbezeichnung „Am Klosterhof“ hatte Friedel Drayß aus der Klosterstadt Lorsch, der dort in seinem Back- und Brauhaus ein entsprechende Bier braut, einige Liter des wohlschmeckenden Gerstensaftes spendiert.

Freier Autor

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