Flächennutzung

Rathauschef Habich ärgert sich über „Wikipedia-Wissen“

Zwingenberg hat die kleinste Gemarkung im Kreis, ist aber nicht die am dichtesten besiedelte Kommune in der Region.

Von 
Michael Ränker
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Blick von der Weinlage „Alte Burg“ auf die Stadt Zwingenberg, deren exakte Siedlungsdichte vom Amt für Bodenmanagement nun offiziell festgestellt ist. © Thomas Neu

Zwingenberg. Dass Zwingenberg die Kommune mit der kleinsten Gemarkung im Landkreis Bergstraße ist, das ist eine Tatsache, aber ein alter Hut: Mit 5,7 Quadratkilometer ist das älteste Bergstraßenstädtchen nun einmal der „Mini“ unter den insgesamt 22 Städten und Gemeinden. Dass Zwingenberg allerdings auch das am stärksten besiedelte Gemeinwesen ist, das ist laut Bürgermeister Holger Habich „nur Wikipedia-Wissen“ oder vielmehr das Ergebnis einer simplen Berechnung, wie sie jedermann mit Daten aus dem genannten Internet-Lexikon anstellen kann:

Richtige Datengrundlage nötig

Teilt man die Zahl von 7219 Zwingenberger und Rodauer Einwohnern durch die besagten 5,7 Quadratkilometer, dann leben nach Rechenmeister Adam Riese exakt 1276 Einwohner auf einem Quadratkilometer. Das mag manchem verdammt viel vorkommen und veranlasste erst kürzlich bei der Bürgerversammlung wieder einen Bürger zu dem Hinweis, dass es jetzt aber mal ein Ende mit der Ausweisung neuer Wohngebiete haben müsse, weil Zwingenberg das am dichtesten besiedelte Bergsträßer Gemeinwesen sei - laut Rathauschef Habich ist aber das nicht der Fall.

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Und weil er sich schon immer wieder einmal über solche und ähnliche Aussagen geärgert hat, wollte er es nun genauer wissen, sich dabei aber nicht auf Wikipedia verlassen – Habich hat das Amt für Bodenmanagement nun um eine entsprechende Berechnung gebeten. Und zwar um eine, die ausschließlich die Flächen einbezieht, die auch tatsächlich besiedelt werden können.

Heppenheimer Amt hat gerechnet

„Wenn nämlich zur Gemarkung einer Kommune beispielsweise viele Waldflächen gehören, die überhaupt nicht für eine Besiedlung zur Verfügung stehen, dann wirkt der Wert, der durch die simple Rechnung, Einwohnerzahl geteilt durch Gemarkungsfläche‘ erzielt wird, sehr groß“, so Habich - für eine realistische Betrachtung dürften aber nur die Flächen in Ansatz gebracht werden, auf denen tatsächlich auch Wohnbebauung erfolgen dürfe oder bereits erfolgt sei.

Das Amt für Bodenmanagement hat auf Basis seiner Geodaten ermittelt, dass von den 5,7 Quadratkilometer Gemarkungsfläche 1,18 Quadratkilometer Siedlungsfläche sind (ohne Gewerbegebiete). Teilt man nun diesen Wert durch 7219 Einwohner, dann leben laut Berechnung durch die Heppenheimer Behörde auf einem Hektar – also auf 10 000 Quadratmetern – 61 Personen.

„Oder anders ausgedrückt: Auf eine durchschnittliche Wohnfläche von 100 Quadratmetern kommen gerade einmal 0,61 Personen“, so Habich. Vergleiche man nun den Zwingenberger Wert von 61 Einwohnern pro Hektar Siedlungsfläche mit den ebenfalls vom Amt für Bodenmanagement auf dieselbe Weise ermittelten Werten von Nachbarkommunen, gebe es keine Veranlassung „zu der immer wieder reflexartigen Behauptung, Zwingenberg sei die am dichtesten besiedelte Kommune in der Region“:

In Lorsch beträgt der Wert ebenfalls 61, in Bensheim liegt er mit 62 und in Heppenheim mit 65 etwas darüber. Zugegebenermaßen rangieren Alsbach-Hähnlein mit 52 und Einhausen mit 53 Personen pro Hektar Siedlungsfläche unter Zwingenberg. In einer Vorlage aus dem Rathaus, mit dem am kommenden Dienstag der Bau-, Planungs- und Umweltausschuss (19 Uhr/Diefenbachsaal des „Bunten Löwen“) informiert wird, heißt es dazu:

Verdichtung im regionalen Mittel

„Die unterdurchschnittlichen Dichtewerte lassen sich im Falle von Alsbach mit seinen Ortsteilen Hähnlein und Sandwiese sowie der Gemeinde Einhausen durch deren eher dörfliche Struktur erklären sowie im Falle beider Gemeinden dadurch, dass es praktisch keinen Geschosswohnungsbau gibt. Der Ortsteil Alsbach ist außerdem in den Hanglagen durch weitgehend erhaltene, alte Villengrundstücke mit großen Gärten geprägt, die es beispielsweise in Zwingenberg historisch bedingt eher weniger gibt.“

So oder so stellt Habich fest: „Wir können mit Fug und Recht sagen: Zwingenberg und sein Stadtteil Rodau haben sich in der Vergangenheit ganz sicher nicht verdichteter entwickelt als andere Kommunen.“ Wenn überhaupt von einer Verdichtung die Rede sein könne, dann treffe das vielleicht auf die Region insgesamt zu, „aber das zu regeln liegt nicht in der Zuständigkeit der einzelnen Kommunen, sondern das ist Sache der Regionalplanung“.

Mehr Innen- als Außenentwicklung

Stadtverwaltung und Kommunalpolitik vor Ort hätten mit Blick auf die Ausweisung zusätzlicher Wohnbaugebiete in der Vergangenheit fast ausnahmslos Innen- vor Außenentwicklung betrieben, bilanziert der Zwingenberger Bürgermeister. Allenfalls das Neubaugebiet „Im hinteren Diebbaum“ südlich des Rewe-Marktes sei sozusagen eine „Außenentwicklung“ gewesen.

In jüngerer Zeit entwickelte Flächen wie der dritte Bauabschnitt des „Steinfurter Falltor“ in Zwingenberg oder „Auf dem Brunnen II“ in Rodau zählt Habich zur Innenentwicklung: Das „Steinfurter Falltor“ sei schließlich von der Platanenallee eingefasst und die Fortschreibung des „Brunnens“ nur eine Arrondierung des Ortsrandes. Überdies seien im Innenbereich viele Baulücken geschlossen oder neue Immobilien in zweiter oder dritter Reihe errichtet worden.

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