Wenn der Influencer und Pfarrerssohn Rezo sich auf Youtube zu gesellschaftspolitischen Fragen äußert, werden seine Videos teilweise millionenfach aufgerufen. In einem Youtubebeitrag vom letzten Sonntag äußert sich Rezo kritisch zu christlichen Influencern, die sich in ihren Tiktok-Videos offen queerfeindlich zeigen. „Homosexualität ist Sünde“, sagen sie in die Kamera und ziehen Gott und die Bibel auf ihre Seite.
Rezo zeigt sich schockiert, wie viele solcher Videos es auf Tiktok gibt. Er selbst ist in einem Pfarrhaus aufgewachsen, in dem andere Meinungen und Lebensformen immer respektiert wurden. Obwohl Rezo sich selbst nicht als gläubig bezeichnen würde, unterstützt er eine christliche Haltung, die keine Menschen diskriminiert, sondern Gottes Zuwendung für alle Menschen in all ihren Unterschieden verkündet. Ich als Pfarrerin kann Rezo in seiner Haltung nur unterstützen. Die Ablehnung von queeren Menschen und die Gewalt gegen sie nimmt in unserer Gesellschaft zu. Politische Parteien am rechten Rand zeigen sich offen queerfeindlich und propagieren zugleich toxische Vorstellungen, wie Frauen und Männer sich zu verhalten haben.
Ich dagegen bin froh über alle Pfarrerinnen und Pfarrer jeglicher Konfession, die gleichgeschlechtliche Menschen in der Kirche trauen und ihnen Gottes Segen weitergeben. Als Kirche Jesu Christi müssen wir jeglicher Diskriminierung von Menschen entgegentreten. Und als Theologinnen und Theologen wissen wir, dass Bibelworte immer auch in ihrem geschichtlichen Kontext zu lesen sind und daher nicht ohne Weiteres eins zu eins in unser heutiges Verständnis und Menschenbild übertragen werden können.
Neue kirchliche Haltung gefragt
Unser Reden über die Bibel muss sich vielmehr daran messen lassen, ob es im Sinne Jesu Christi Gottes Liebe verkündet und dass Gott jeden Menschen im göttlichen Ebenbild geschaffen hat. Leitbild ist hierbei für mich die Vorstellung, dass Gott „meine Füße auf weiten Raum stellt“ (Psalm 31, 9) und den bunten Regenbogen als Zeichen für den Bund zwischen Gott und den Menschen in die Wolken gesetzt hat (1. Mose 9, 13). Gottes Wort sagt von der Schöpfung: „Und siehe, es war sehr gut.“ Es wird Zeit, eine neue kirchliche Haltung gegenüber Menschen einzunehmen, die nicht der heteronormativen Vorstellung entsprechen.
Das von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau im April veröffentlichte Schuldbekenntnis gegenüber queeren Menschen ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wir sind gefragt, queeren Menschen, die ja schon lange in den verschiedenen Religionsgemeinschaften anwesend und aktiv sind, einen sicheren gleichberechtigten Raum zu bieten. Denn unabhängig von Hautfarbe, Geschlechtsidentität, Alter, sexueller Orientierung oder körperlicher Verfasstheit: Gottes Segen wird jedem Menschen zugesprochen.
Info: Die Autorin Almut Gallmeier ist Pfarrerin in der Evangelischen Stephanusgemeinde in Bensheim
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