Zwingenberg. Hätten die Mobilisten das Original aus der Feder des französischen Lustspieldichters Eugène Labiche wortgetreu inszenieren wollen, dann wäre es unausweichlich gewesen, für die erste Szene ein Pferd mitsamt Kutsche in den Gewölbekeller des Alten Amtsgerichts zu schaffen. Schließlich beginnt das 1851 geschriebene Bühnenstück „Ein Florentinerhut“, das dann im Jahr 1928 von Regisseur René Clair als Stummfilmkomödie auf die Kinoleinwände gebracht wurde, mit eben dieser Szene: Madame Anaïs de Beauperthuis trifft sich mit Leutnant Tavernier zum heimlichen Tête-à-tête. Zufällig kommt Fadinard - auf dem Weg zu seiner Trauung - mit seiner Kutsche vorbei. Bei einer kleinen Rast frisst das Pferd den modischen Strohhut der Dame. Um Madame de Beauperthuis nicht vor ihrem Ehemann bloßzustellen, verspricht Fadinard, einen identischen Hut als Ersatz zu besorgen. Und das turbulente Geschehen nimmt seinen quasi schicksalhaften Lauf…
„Exklusive Neuinterpretation“
Aber im Ernst: An ein echtes Pferd auf der Bühne des Zwingenberger Theaters Mobile haben die Macher der neuen Eigenproduktion mit dem Titel „Pelzgeflüster“ nie wirklich gedacht. Das Werk von Eugène Labiche mit seinen Verwicklungen und Missverständnissen diente nur als Vorlage für eine „exklusive Neuinterpretation“ des Komödien-Bestellers „Ein Florentinerhut“, der auch schon Vorlage für eine Oper war und der nach wie vor auch ganz klassisch als Bühnenstück zu sehen ist.
Für die Inszenierung im ältesten Bergstraßenstädtchen indessen tritt Regisseurin Lena Seidl eine kleine Zeitreise an: Wir schreiben nicht das Jahr 1851, sondern befinden uns in den 1920er-Jahren. Örtlich bleibt‘s bei Paris, und auch mit Blick auf die Rollen orientiert sich die Regisseurin am Original. Allerdings sind weitere Protagonisten hinzugekommen, denn die Eigenproduktionen der Mobilisten funktionieren seit einigen Jahren - maßgeblich beeinflusst von Regisseur Danilo Fioriti - nicht mehr nach dem Schema „wir suchen uns ein Stück und casten dann die Schauspieler“, wie Mobile-Vorsitzender Leo Ohrem am Rande eines Probentermins für die Presse erläutert, sondern Ziel sei es, möglichst vielen ambitionierten Mimen eine Chance zum Mitspielen zu geben.
Mit einer Junggesellenabschiedsparty fängt alles an
„Wir haben ein Ensemble, suchen dazu ein Stück und passen es auf die Charaktere an“, ergänzt Lena Seidl. Auf der Bühne des Amtsgerichtskellers tummeln sich bei „Pelzgeflüster“ daher 18 Frauen und Männer, darunter bewährte Kräfte - allen voran Mobile-Gründungsmitglied Gabrielle Poitevin -, aber auch neue Gesichter wie beispielsweise Lazaros Efremidis, der die (Haupt-)Rolle des Fadinard übernommen hat.
Die turbulente Geschichte im Paris der „Goldenen Zwanziger“ beginnt - so viel darf verraten werden - mit einer Junggesellenabschiedsparty, bei der viel Alkohol im Spiel ist und an deren Ende ein Pelzmantel in Flammen steht. Und eben der muss - gleich dem Florentinerhut - neu beschafft werden. Die Mobilisten schreiben dazu:
„Zwischen Swing, Charleston und dekadenten Partys entwickelt sich eine atemberaubende Jagd durch die französische Metropole - voller schräger Charaktere, absurder Missverständnisse und einer Extraportion Glanz und Glamour. Unter der Regie von Lena Seidl entfaltet sich ein rasantes Abenteuer, das Fadinard durch einige der schillerndsten Schauplätze der Stadt führt: Ein glitzernder Nachtclub, in dem die Musik so wild ist wie die Verfolgung, ein exklusiver Pelzladen, in dem Verwechslungen Hochkonjunktur haben, der mondäne Salon einer edlen, aber verwirrten Baronin, wo sich die Gesellschaft in Intrigen verstrickt - und schließlich ein Schlafzimmer, in dem sich das Schicksal aller Beteiligten auf amüsante Weise entscheidet.“
Neue Regisseurin
Regie führt dieses Mal nicht - wie seit 2019 - Danilo Fioriti, er war dieses Mal nur zu Beginn mit von der Partie, sondern die bereits genannte Lena Seidl, die jedoch vor und hinter den Mobile-Kulissen längst keine Unbekannte mehr ist. Sowohl als Darstellerin als auch als Regieassistentin von Fioriti gehört die 33-Jährige aus Weinheim schon seit einigen Jahren zu den Mobilisten. Frau Seidl hat an der „Stage & Musical Academy Frankfurt“ eine Ausbildung zur Musicaldarstellerin absolviert und ein Studium der Logopädie abgeschlossen. Sie unterrichtet als Dozentin für Bühnensprechen an der „Stage & Musical Academy Frankfurt“ und ist als Musicaldarstellerin und Schauspielerin vor allem auf Bühnen im Rhein-Neckar-Kreis zu sehen. Zurzeit aber hat sie vor allem eine Rolle, nämlich die Mutterrolle. Im Frühjahr ist Lena Seidl Mama von Zwillingen geworden.
„Ein Fest für Liebhaber klassischer Komödien“
„Wir sind zu einem wirklich tollen Team zusammengewachsen und haben in den nächsten Tagen noch super viel zu tun“, freut sich Lena Seidl über „ihr“ Ensemble, das am 27. September, Samstag, 20 Uhr, mit „Pelzgeflüster“ Premiere feiern wird - und sie ist zuversichtlich: „Es wird ein Fest für alle Liebhaber klassischer Komödien - voller Tempo, Witz und unerwarteter Wendungen.“
Bei der Inszenierung der rasanten „Pelzgeflüster“-Komödie wird Lena Seidl von Ronja Joa (Choreografie), Monika Hartz (Kostüme), Annika Sohnrey (Regieassistenz, Figurenarbeit) sowie Markus Zumbach (Technik, Bühnenbild) unterstützt. Als Schauspielerinnen und Schauspieler agieren (nachfolgend in alphabetischer Reihenfolge genannt): Rolf Cassells, Debora Clever, Lazaros Efremidis, David Falk, Jochen Herrmann, Monika Hartz, Ronja Joa, Carin Kratz, Debbie Maier, Talia Matt, David Naegele, Gabrielle Poitevin, Finja Schneider, Michaela Schweitzer, Annika Sohnrey, Dieter Wagner, Nina Wenz und Aline Zuchowski.
An die Premiere schließen sich acht weitere Aufführungen an; Termine sind der 3., 4., 10., 11., 17., 18., 24. sowie 25. Oktober jeweils ab 20 Uhr. Eintrittskarten gibt es im Vorverkauf bei den Tourist-Infos in Bensheim, Heppenheim, Lorsch, Darmstadt und Weinheim sowie auf der Webseite www.mobile-zwingenberg.de.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/zwingenberg_artikel,-zwingenberg-pelzgefluester-theater-mobile-_arid,2327874.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/weinheim.html