Kultur

Ovationen für Martin Kälberer in Zwingenberg

Von 
Kirsten Willenbücher
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Martin Kälberer begeisterte im Mobile mit fließenden Tönen und atmenden Klängen. © Kirsten Willenbücher

Zwingenberg. Eigentlich wollte Martin Kälberer im Sommer 2020 seinen Geburtstag mit einem Konzert mit Streichern und Holzbläsern feiern. Doch dann kam die Corona-bedingte „Zwangsverstummung“. Freunde, Musiker-Kollegen und selbst der Klavier-Stimmer mussten zu Hause bleiben. Was blieb, das war unter anderem ein vielgespieltes – ungestimmtes – Piano und „Das Meer“, eins von mehreren Stücken, die in einem zusätzlichen Arrangement von Christian Elsässer nun Eingang auf da neue Werk „In.Sight.Out“ gefunden haben. So heißt das aktuelle Doppel-Album des „bayerischen Musikvagabunden“, wie er sich selbst gerne bezeichnen lässt und was den Multiinstrumentalisten trefflich beschreibt, der schon mit fünf Jahren die ersten Gitarrensaiten zupfte und der sich seitdem in und durch die unterschiedlichsten Musikstilistiken bewegt. Jetzt gastierte er im Theater Mobile in Zwingenberg.

Reduktion auf das Wesentliche

„In.Sight.Out“ ist nun also das Ergebnis einer zunächst notgedrungen begonnenen musikalischen Reise in eine neue Art der Stille, in der der studierte Jazz-Pianist einmal mehr die Herausforderung der Reduktion und Konzentration auf das Wesentliche angenommen hat. Die Stille selbst ist dabei für Kälberer nicht neu, denn die Musik besteht für den Klangkünstler immer aus den Tönen, die zu hören sind, ebenso wie aus denen, die nicht gespielt werden. Quasi „Kopfkino“ durch die Ohren.

Typisch für Kälberers aktuellen Sound ist das Erzeugen von Klängen auf für den Laien nicht ohne weiteres als Musikinstrumente erkenntlichen Dingen, die zunächst eher an altertümliche Küchenutensilien aus dem Trödel-Laden erinnern. Mit teils kaum merklichen Bewegungen entlockt der Musiker ihnen rieselnde, schabende, klopfende oder schellende Geräusche, die er mittels Loop-Station aufzeichnet, um sie dann in Endlosschleife wiederzugeben und durch das Übereinanderlegen der Tonspuren zu wahren Klangteppichen zu verweben. Hinzu kommen das Piano und das Keyboard sowie Kälberers eigene Stimme, die zwischen hellgehauchten Echos und erdendem Bass hin und her spielt. Schließlich das „Hang“, optisch ein Miniatur-UFO, tatsächlich ein erst vor rund zwei Jahrzehnten in der Schweiz erfundenes Perkussions-Instrument aus zwei stickstoffgehärteten Stahl-Halbkugeln, das mit Fingern, Händen und Unterarmen gespielt wird.

Jeder Ton sitzt

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red
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In dem so entstandenen Live-Konzert löste Kälberer im Theater Mobile die Grenzen zwischen musikalischer Struktur, Form und Ästhetik auf, um sie unaufdringlich und doch unausweichlich immer wieder neu zu ziehen, jeder Ton auch durch die abgestimmte Tontechnik von Thomas Beck perfekt eingepasst in das Kellergewölbe des Alten Amtsgerichts. Wäre es nicht so schön, Kälberer bei seinem vielfältigen Tun zuzuschauen, wäre man leicht verlockt gewesen, die Augen zu schließen, und sich allein musikalisch auf diese Reise klangmächtiger Stille entführen zu lassen. Doch weil er tat, was und wie er es tat, konnten die Gäste im vollbesetzten Theater Mobile ein wirklich außergewöhnliches Konzert erleben, wofür sie sich vollkommen zu Recht mit stehenden Ovationen bedankten.

Und natürlich verlangten sie lautstark nach einer Rückkehr Kälberers in das atmosphärische Kellergewölbe unter dem Alten Amtsgericht, dem er sich nicht entziehen konnte. Kirsten Willenbücher

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