Frauentag - In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Ausgangslage verbessert / Einbußen beim Einkommen

Noch längst nicht gleichberechtigt

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"Männer und Frauen sind gleichberechtigt" war das Thema bei der Veranstaltung zum Internationalen Frauentag bei der Zwingenberger SPD. Als Referentinnen waren Dr. Regina Nethe-Jaenchen (l.) und die Fachanwältin für Familienrecht Doris Schumacher-Braun zu Gast.

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Zwingenberg. Männer und Frauen sind gleichberechtigt: Dafür haben die Frauen lange gekämpft. Kaum zu glauben, doch noch bis 1977 konnte ein Mann den Arbeitsvertrag seiner Frau kündigen - und sie musste das so akzeptieren.

Selbst wenn sich in jüngerer Vergangenheit viel in Richtung Gleichberechtigung getan hat, bleibt einiges offen. Dies machten Dr. Regina Nethe-Jaenchen und Doris Schumacher-Braun in ihrem packenden Vortrag anlässlich des internationalen Frauentags am Donnerstag deutlich, zu dem die SPD Zwingenberg eingeladen hatte.

Nach der Begrüßung durch Katrin Hechler erinnerte Nethe-Jaenchen in ihrem Beitrag an die zwischenzeitlich fast vergessene Politikerin Elisabeth Selbert und deren entscheidende Rolle in der jüngeren Geschichte. "Männer und Frauen sind gleichberechtigt", der erste Satz in Artikel 3 unseres Grundgesetzes, sorgte in Selberts politisch aktiver Zeit bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates 1949 für einigen Zwist.

Politisch so nicht geplant

Eigentlich war damals auf politischer Ebene nicht geplant, mit der Gleichberechtigung so weit zu gehen. Eine privatrechtliche Gleichstellung von Mann und Frau in Ehe und Familie, wie im Berufsleben, lehnte die Mehrheit des Parlamentarischen Rates zunächst ab. Am Rande bemerkt, das damalige mit der Ausarbeitung einer Verfassung beauftragte Gremium bestand aus insgesamt 65 Parlamentariern und nur vier davon waren Frauen.

Eine davon war die Rechtsanwältin Dr. Elisabeth Selbert. Eigentlich ist ihr die Gleichberechtigung von Mann und Frau, und damit die Festschreibung im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, zu verdanken. Sie mobilisierte sowohl die Öffentlichkeit wie auch viele Frauenverbände, um dieses Ziel zu erreichen. Frauen können mehr. Sie sind nicht nur das nette Aushängeschild. Sie sind auch alles andere als Rabenmütter, wenn sie sich für den Spagat zwischen Beruf und Familie entscheiden.

Das war ebenso Selberts Verständnis und ein Ziel, für das sie sich ein Leben lang stark machte. Frauen ihrer Zeit führten eher eine "typische Hausfrauenehe" und waren, nicht wie Selbert, sogar Rechtsanwältin.

Im Jahr 2011 waren immerhin 32 Prozent der Anwälte in Deutschland weiblichen Geschlechts. Frauen haben heute durch ihre Ausbildung deutlich bessere Chancen, sich selbst versorgen zu können und nehmen dies auch für viel selbstverständlicher als noch vor etwa 50 Jahren.

Problematisch wird dies, wenn sie Kinder haben und ab diesem Zeitpunkt beruflich sehr oft nicht mehr die gleichen Chancen erhalten wie ihre männlichen Kollegen. Rein formal haben sie zwar die gleichen Rechte, doch in der Praxis sieht das auch in der Gegenwart noch deutlich anders aus.

Schumacher-Braun, Fachanwältin für Familienrecht, nahm aus ihrer juristischen Praxis zum Thema Stellung. Als Überleitung verwies sie auf das Jahr 1922, in dem erstmals eine Frau als Anwältin zugelassen wurde. In ihrem Vortrag ging sie vor allem auf die finanzielle Versorgung von Frauen im Falle einer Scheidung ein.

Früher in den Beruf einsteigen

Komme es zur Scheidung, seien Frauen heute früher in der Pflicht, wieder in einen Beruf einzusteigen, um sich selbst zu versorgen. Oft scheitere das aber in weiten Teilen, da die Kinderbetreuung nicht gewährleistet sei und Frauen durch ihre Kinder eine zu große Auszeit im Beruf auswiesen. "Mütter, sagt euren Töchtern, dass sie im Beruf bleiben sollen", so ihr eindringlicher Appell.

Selbst wenn sich in den mehr als 60 Jahren seit Inkrafttreten des Grundgesetzes einiges zugunsten der Frauen verändert hat, ist die wirkliche Gleichberechtigung auch heute noch nicht erreicht. Bei gleicher Arbeit verdienen Frauen immer noch im Durchschnitt 22 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, machten beide Referentinnen deutlich.

Hier, und ebenso in der Kinderbetreuung, müssen noch einige Rahmenbedingungen geschaffen werden. Frau und Beruf, das sei alles andere als die pure Selbstverwirklichung, es sei vielmehr die Chance der Altersarmut zu entgehen, so ein wichtiger Tenor des Abends.

Am Ende des offiziellen Teils dankte Katrin Hechler den Referentinnen und gab den Weg frei für eine rege Diskussion, die sich daraufhin anschloss. cf

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