Zwingenberg. Es gibt Gastronomiebetriebe, denen weint der Gast keine Träne nach, wenn sie ihre Geschäftstätigkeit aufgeben, ganz im Gegenteil: Wenig schmackhaftes Essen zu stattlichen Preisen, dazu unfreundliches Personal, so will ohnehin niemand bewirtet werden. Und dann gibt es Gaststätten, die müsste man erfinden, wenn es sie nicht schon gäbe - und die würde man vermissen, wenn sie schließen. Das "Schmitz" in Zwingenberg hätte man erfinden müssen, wenn Hans-Jürgen Schmitz-Liedtke und sein Lebenspartner Jürgen Hellmig das nicht im Jahr 1986 bereits getan hätten - und jetzt wird man das "Schmitz" vermissen, denn "die beiden Jürgens" haben dort vor wenigen Tagen zum letzten Mal ihre (Stamm-)Gäste bewirtet:
Rollladen runter
Nach 31 Jahren ist das "Schmitz" - zumindest unter der Regie des genannten Duos - nun geschlossen worden, wurde der Rollladen vor der Tür zum urgemütlichen Gastraum inmitten der Altstadt nicht nur für einen Feierabend heruntergelassen und die Tische des Freisitzes davor nicht nur wegen des Ruhetags zusammengeräumt. Einen Hoffnungsschimmer, dass dem Lokal ein Leben nach Jürgen Schmitz-Liedtke und Jürgen Hellmig beschert sein könnte, gibt es indessen: Der neue Besitzer des Hauses an der Obergasse 7 ist Koch und er will das Restaurant nach einer kurzen Umbaupause noch in diesem Sommer wiedereröffnen.
Abschied mit Wehmut
Am Mittwochabend war jedoch Wehmut angesagt, da verabschiedeten Erste Stadträtin Karin Rettig und Bürgermeister Dr. Holger Habich die beiden Gastronomen bei einem kleinen Umtrunk auf der Terrasse des "Bunten Löwen". Es sei zugegebenermaßen nicht üblich, dass die Stadt Gewerbetreibende offiziell verabschiede, räumte Rathauschef Habich ein, "aber ihr seid eine Institution gewesen". Die Schließung des "Schmitz" sei nun mal keine der üblichen Gewerbeabmeldungen, wie sie zum Geschäft einer Kommunalverwaltung gehörten, nutzte Habich den letzten Tag des Monats Mai, in dem "Jürgen und Jürgen" das Lokal geräumt hatten, für ein dickes Dankeschön vonseiten der Stadt: "Ihr habt viel für das Renommee Zwingenbergs getan."
Dabei war dem Duo das Dasein als Gastronomen nicht in die Wiege gelegt worden: J Schmitz-Liedtke hat 15 Jahre lang für das renommierte Schallplattenlabel "Deutsche Grammophon Gesellschaft" Künstler betreut - darunter Prominente wie Leonard Bernstein - und dabei nicht daran gedacht, dass er einmal hinterm Zapfhahn eines Lokals stehen wird, das seinen Nachnamen trägt. Und Hellmig, der für die vorzügliche Küche des "Schmitz" verantwortlich war, hat das Handwerk eines Kochs nicht erlernt, aber als Naturtalent und ausgebildet "von meiner Mutter und drei alten Schwestern" exzellent beherrscht.
Der gebürtig aus Bonn stammende Jürgen Schmitz-Liedtke, der in diesem Jahr seinen 70. Geburtstag gefeiert hat, und der 60 Jahre alte Jürgen Hellmig, der in der Lüneburger Heide aufgewachsen ist, haben sich in den 1980er Jahren in der Deutschen Oper in Berlin kennengelernt. Der Liebe wegen ist Hellmig dann nach Zwingenberg umgezogen, wo Schmitz-Liedtke bereits seit 1971 wohnte.
Erinnerung ans "Bistro Pierrefonds"
Im Jahr 1986 haben die Beiden dann das "Bistro Pierrefonds" - die Vorgänger-Version des "Schmitz" - übernommen. Die Älteren unter den Zwingenbergern werden sich noch erinnern: Ursprünglich beherbergte das Altstadt-Anwesen die Drogerie der Familie Augstein, 1982 wurde daraus dann in Erinnerung an die Städtepartnerschaft Zwingenbergs mit dem französischen Pierrefonds ein Bistro. Der schmucke Gewölbekeller des Restaurants durfte später nicht mehr bewirtschaftet werden, weil Sicherheitsauflagen aufgrund der baulichen Gegebenheiten nicht zu erfüllen waren. Dem großen Zuspruch im 40 Plätze fassenden Gastraum auf zwei Ebenen, den die Gastronomen mit vielen persönlichen Erinnerungsstücken zu einer "guten Stube" gemacht hatten, tat das keinerlei Abbruch. "Jetzt habe ich niemanden mehr, mit dem ich mich derart kompetent über Opern austauschen kann", bedauerte Musik-Fan Habich die Schließung des Lokals nicht nur aus kulinarischer, sondern auch aus kultureller Perspektive - und beschenkte die scheidenden Gastwirte und Opern-Liebhaber zum Abschied mit einem Ticketgutschein für die Alte Oper Frankfurt.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/zwingenberg_artikel,-zwingenberg-nach-31-jahren-hat-das-schmitz-geschlossen-_arid,1057442.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/zwingenberg.html