Zwingenberg. Schon lange bevor sich am Samstag um 14 Uhr die Türen der Melibokushalle öffneten, bildeten sich vor dem Eingang lange Schlangen. Der „Markt rund ums Kind“, der vom Verein „Rund ums Kind“ veranstaltet wird, findet zweimal im Jahr statt und sorgt traditionell für großen Andrang – dieses Mal stand er zudem unter einem besonderen Vorzeichen: Zum 70. Mal fand die Veranstaltung in Zwingenberg statt, die seit 36 Jahren Menschen und Familien aus der ganzen Region begeistert und längst Kultstatus erreicht hat.
120 Verkaufsstände
Rund 1000 Besucher strömten in die Halle, die rasch bis auf den letzten Platz gefüllt war. Parkplätze waren rar, und zwischen 14 und 15 Uhr herrschte der bekannte „große Run“. Wer eine der begehrten Verkäufernummern ergattern konnte, gehörte zu den Glücklichen: 120 Verkäufer konnten ihre Ware anbieten. Mehr als 200 Standanfragen gingen beim Verein ein.
Die Anmeldung für den Markt erfolgt online
Die Nummernvergabe ist ein Kapitel für sich. Vor vielen Jahren riefen Interessenten noch bei den Organisatoren an, später mussten sie persönlich erscheinen – was regelmäßig zu großem Unmut führte, da manche schon Stunden früher kamen. Daraufhin wurde das System umgestellt: Die Nummern wurden verlost, wobei jedoch die Hälfte der Bewerber leer ausging. Heute läuft alles digital: Zwei Personen aus dem Organisationsteam entwickelten eine Online-Vergabe, die den Ansturm deutlich besser regelt. „Die Leute sitzen teilweise Punkt Mitternacht am Rechner, um eine Nummer zu bekommen“, erzählt die erste Vorsitzende des Vereins, Angela Kannengießer.
Kleidung, Spielzeug, Umstandsmode und Bobbycars
Der Ablauf des Marktes ist eingespielt. Schon am Freitag bringen die Verkäufer ihre Waren – jedes Teil wird gezählt, geprüft und sortiert. Um die 12.000 Stücke kommen zusammen: Kleidung, Spielzeug, Schuhe, Umstandsmode, Kindersitze, Laufställe oder Bobbycars. Die Helfer, die alle auch selbst verkaufen, haben viel zu tun: Sie bauen beispielsweise Tische auf, nehmen die Artikel in die Hand und achten auf Größenangaben, damit der Aufwand überschaubar bleibt. „Mittlerweile gilt dabei die klare Regel: Jeder Verkäufer ist automatisch auch als Helfer eingeplant“, sagt Kannengießer.
Jeder Verkäufer darf höchstens 80 Kleidungsstücke und fünf Paar Schuhe einreichen, größere Dinge können unbegrenzt angeboten werden. So bleibt die Qualität hoch. Alle Artikel sind mit festen Preisen ausgezeichnet. Wer früh kommt, darf sich seinen Verkaufsbereich in der Halle aussuchen. Parallel dazu wird in der Küche gearbeitet: Drei bis vier Personen betreiben die Cafeteria, in der von Helfern gespendete selbst gebackene Kuchen verkauft werden. Für viele Gäste gehört die Pause mit Kaffee und Kuchen ebenso dazu wie das Stöbern an den Verkaufstischen.
Verein ging aus einer DRK-Abteilung hervor
Der hinter dem Markt stehende Verein ging aus einer Abteilung des DRK-Ortsverbands hervor. Aktuell wird „Rund ums Kind“ von 14 Personen getragen. „Wir teilen uns die Arbeit demokratisch, es gibt zwar wie üblich Vorsitzende im Verein, aber alle sind gleich wichtig“, so Kannengießer. Nach jedem Markt wird in einer Sitzung Bilanz gezogen: Was lief gut, wo gab es Probleme, wie geht es weiter? Im Oktober entscheiden die Organisatoren, welche Projekte die Spenden erhalten. 15 Prozent des Verkaufserlöses behält der Verein ein, um soziale Zwecke zu unterstützen – früher waren es zehn Prozent, die Erhöhung wurde von den Verkäufern gut angenommen. Über die genaue Höhe der Summen schweigen die Organisatoren aus Sicherheitsgründen, doch die Beträge sind beachtlich.
Lange Liste der Spendenempfänger
Die Liste der Empfänger ist lang. Regelmäßig unterstützt werden Kindergärten, die Erziehungsberatungsstelle oder auch Familien vor Ort, etwa durch Einkaufsgutscheine für den Markt selbst. „Uns ist wichtig, nicht nur Organisationen zu helfen, sondern auch Menschen hier in Zwingenberg“, betont Kannengießer. Zusätzlich werden Hilfswerke in Osteuropa gefördert. Ein fester Partner ist dabei Ferdinand Haberlach aus Hemsbach, der sich im Samariterdienst engagiert. Mit einem LKW bringt er Hilfsgüter bis in die Ukraine und sorgt dafür, dass Spenden wie Textilien dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Im Januar folgt dann das Spendenempfängertreffen, bei dem Vertreter der begünstigten Organisationen berichten, wie sie die Unterstützung einsetzen. Diese Veranstaltung dient zugleich dem Netzwerken und inspiriert die Organisatoren zu neuen Ideen.
Eine Erfolgsgeschichte, die Menschen zusammenbringt
Der Startschuss für den Markt rund ums Kind erfolgte im Frühjahr 1988. Hildegard Scholz-Lehrian brachte, inspiriert von einem Markt im Taunus, die Idee nach Zwingenberg. Die ersten Märkte fanden im Foyer der Melibokushalle statt, doch schon bald musste die Veranstaltung wegen des Ansturms in die große Halle umziehen. Seitdem hat sich an der Praxis kaum etwas geändert: Verkäufer bringen ihre Ware, die Helfer organisieren den Verkauf, und am Ende wird alles, was übrig bleibt, zurücksortiert.
Nur drei Märkte fielen in der langen Geschichte aus. Grund dafür war die Corona-Pandemie. Zum 70. Jubiläum gab es für alle Besucher ein kleines Andenken: farbige Einkaufswagenchips aus dem 3D-Drucker, die als Erinnerung an diesen besonderen Markt verteilt wurden. Und nach wie vor ist die Begeisterung ungebrochen – bei Organisatoren, Helfern, Verkäufern und Besuchern. Der „Markt rund ums Kind“ ist längst mehr als nur eine Gelegenheit, günstig einzukaufen oder überflüssige Dinge loszuwerden. Er ist Begegnung, Gemeinschaft und eine Erfolgsgeschichte, die seit fast vier Jahrzehnten viele Menschen zusammenbringt und zugleich Gutes bewirkt.
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