Zwingenberg. Ein sonnig-warmer Frühlingstag ist üblicherweise nicht unbedingt die erste Wahl für einen Museumsbesuch. Oder etwa doch? In Zwingenberg hatte der Geschichtsverein zum „Lebendigen Museum“ eingeladen und damit viele Besucher in die Scheuergasse gelotst – kleine und große!
Drinnen wie draußen gab es eine ganze Menge zu sehen und zu entdecken, und wer wollte, konnte selbst kreativ werden. Und es lockte das gemütliche Freiluftcafé im Innenhof mit Kaffee, selbst gebackenem Kuchen der Vereinsmitglieder und köstlichem, noch lauwarmem „Riwwelkuchen“ aus dem Holzofen.
Im Mittelpunkt des „Lebendigen Museums“ stand alte Handwerkskunst. Dazu waren am Sonntag Schmiede und Drechslerstube geöffnet und am Holzofen hatte Harald Germann alle Hände voll zu tun, den vorbereiteten Sauerteig für 35 Bauernbrote zu kneten, in Form zu bringen und im Anschluss in den Holzofen zu schieben. Eine Stunde dauerte die Prozedur, bis die Eineinhalb-Pfünder – mit und ohne Kümmel – mit der gewünschten krossen Kruste fertig gebacken waren. Nicht weiter verwunderlich: die Brote gingen buchstäblich weg wie warme Semmeln. Lediglich eine kleine Spende war erwünscht.
Währenddessen standen Hobbydrechsler Erich Hofmann in der historischen Drechslerstube mit der 120 Jahren alten Drechslerbank als Blickfang (ein Geschenk von Jürgen Gärtner an den Geschichtsverein) und der Lampertheimer Sven Seitz in der alten Museumsschmiede den ganzen Nachmittag über interessierten Gästen Rede und Antwort.
Zeigen, wie alte Handwerkskunst früher funktioniert hat
Und nicht nur das. Beide Hobbyhandwerker demonstrierten vor Ort wie viel Mühe es kostete, wie viel Handarbeit, Geschick, Kraft und Präzision es bis zum fertigen Produkt brauchte. Dass beide mit „Feuereifer“ bei der Sache waren und obendrein eine Menge Freude bei der authentischen „Show“ hatten, war nicht zu übersehen.
Erich Hoffman aus Oberzent hatte sich extra eine Drechslermütze wie sie früher die Drechsler im Erzgebirge getragen haben – und es manchmal auch heute noch tun – aufgesetzt. Auch gegen einen Vergleich mit Pumuckl-Papa Meister Eder hatte er nichts einzuwenden. In Zwingenberg zeigte er, wie man Honiglöffel herstellt die im Nachhinein mit dem Emblem des Geschichtsvereins versehen und beim nächsten Weihnachtsmarkt verkauft werden sollen.
Im besten Fall zusammen mit einem Glas Honig von Imker Hendrik Steinack. Hoffmann geriet geradezu ins Schwärmen wenn er von seinen zahlreichen Besuchen bei den Spielzeugmachern im Erzgebirge erzählt, die für ihre zeitlose Volkskunst weltweit bekannt sind. „Ich hole mir dort viele Tipps ab und manchmal kann ich sogar die Profis mit meinen Ideen und meiner Arbeit überraschen“, verriet der Hobbyhandwerker und spielte auf die von ihm gedrechselten Tulpenblüten an: „Mein Ziel ist es aber, der Jugend zu zeigen, wie das Handwerk früher funktioniert hat.“
Auf bis zu 1000 Grad erhitzt der Schmied die Steinkohle
Heiß her im wahrsten Sinne des Wortes ging es am Sonntag in der Museumsschmiede, in der Sven Seitz mit Amboss, Zange und eineinhalb Kilo schwerem Hammer hantierte. Immerhin hatte er die Feuerstelle mit Steinkohle auf 800 bis 1000 Grad erhitzt: „Sonst geht gar nichts.“ Für die Kinder holte er kleine Glückshufeisen aus dem Feuer. Wer wollte, konnte ihm auch beim Schmieden eines Spargelstechers über die Schulter schauen.
Honig vom Luciberg und Wein aus der Region
In der benachbarten Museumsscheune hatte der Zwingenberger Imker Hendrik Steinack seinen Stand mit süßem Honig aufgebaut, den zwanzig Bienenvölker am Luciberg und oberhalb des Blütenwegs gesammelt haben. Mit einer Weinverkostung punktete der Verein „Alte Burg“. Die Naturfreunde, die sich die Landschaftspflege rund um Zwingenberg mit Weinbergen, Streuobstwiesen und kleinen Waldstücken und den Erhalt des Artenreichtums am Westhang des Melibokus zum Ziel gesetzt haben, schenkten drei unterschiedliche Bio-Weine der Jahrgänge 2022 und 2023 des Weinguts Feligreno aus: Einen Seeheimer „Alter Satz“, einen Riesling von „Granitterassen“ und einen „Rose Saignée“.
Wie es beim Geschichtsverein üblich ist, gab es auch für die Kids eine Reihe von Mitmachangeboten und Workshops. Uta Diehl aus Heppenheim bastelte mit dem Nachwuchs Schmuckstücke und Schlüsselanhänger, Kathrin Reuter aus Alsbach fertigte mit dem Nachwuchs dekorative Kugel aus Filz und Sabine Schramek aus Viernheim half beim Verzieren von Kerzen mit kleinen Wachsplättchen. Petra Schöppner schließlich ließ sich an ihrem Spinnrad beim Spinnen mit Schafswolle über die Schulter sehen.
Am nächsten Sonntag (21.), 15 Uhr, lädt das Heimatmuseum im Rahmen der Feierlichkeiten zu „750 Jahre Stadtrechte“ zur Eröffnung der Jubiläumsausstellung „750 Jahre Zwingenberg – Von der Markgräflichen Stadt zur Cittaslow“ ein.
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