Zwingenberg. Nach mehr als 16 Jahren im Dienst der Kulturstiftung für die Bergstraße hat sich Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard aus dem Kuratorium verabschiedet. Der Staatssekretär a.D., Wissenschaftsmanager, Kulturpolitiker und überzeugte Netzwerker gehörte seit der Gründung der Stiftung im Dezember 2008 zu ihren prägenden Köpfen und stand ihr seitdem als Vorsitzender des Kuratoriums vor. Zu seinem Nachfolger wurde Jürgen Mescher, ehemaliger Schulleiter des Bensheimer Goethe-Gymnasiums, berufen.
Im Rahmen der jüngsten Sitzung des Kuratoriums am Stiftungssitz Zwingenberg würdigte Bürgermeister Sebastian Clever die Verdienste Leonhards mit herzlichen Worten. „Herr Prof. Dr. Leonhard hat sich durch außergewöhnliches Engagement, herausragende Leistungen und unermüdlichen Einsatz für die Kulturstiftung und damit auch für die Stadt Zwingenberg verdient gemacht“, sagte Clever. Mit seiner Arbeit habe er „maßgeblich dazu beigetragen, unsere Stadt zu bereichern, zu fördern und nach vorne zu bringen“.
„Ein Mann, der die Kulturstiftung geprägt hat“
Clever sprach von einem Mann, der die Kulturstiftung „mit Hingabe, Herzblut und großem persönlichen Einsatz“ geprägt habe. Nicht selten habe Leonhard einen erheblichen Teil seiner Freizeit investiert, um Projekte anzustoßen, Förderer zu gewinnen oder Veranstaltungen vorzubereiten. Zusammen mit Altbürgermeister Holger Habich, einem der Initiatoren der Stiftung, wird Clever gemeinsam mit Leonhard als äußeres Zeichen der Würdigung einen Baum im Stadtgebiet pflanzen: „Dieser Baum soll sinnbildlich für die Stiftung stehen – sie hat unter der Leitung von Herrn Leonhard starke Wurzeln geschlagen und trägt heute Früchte.“
Geboren 1946 im rheinischen Jünkerath, studierte Leonhard Geschichte, Klassische Philologie, Historische Hilfswissenschaften und Philosophie in Frankfurt und Heidelberg. Nach seiner Promotion 1976 absolvierte er die Ausbildung zum wissenschaftlichen Bibliothekar und arbeitete an mehreren Universitätsbibliotheken, bevor er von 1987 bis 1991 Direktor der Universitätsbibliothek Tübingen wurde. Von 1991 bis 2001 stand er als Vorstand und Direktor an der Spitze der Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv in Frankfurt und Potsdam-Babelsberg, wo er die Archive des ehemaligen DDR-Rundfunks betreute und das Rundfunkarchiv Ost gründete.
Später wirkte Leonhard als Generalsekretär des Goethe-Instituts in München und von 2003 bis 2007 als parteiloser Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst. Als Präsident der von Behring-Röntgen-Stiftung in Marburg engagierte er sich darüber hinaus für die Förderung der medizinischen Forschung.
Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
Für seine Verdienste erhielt er unter anderem das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland sowie den Hessischen Verdienstorden. Zudem war er Vorsitzender des Deutschen Nominierungskomitees für das UNESCO-Programm Memory of the World, Mitglied des International Advisory Committee der UNESCO, Vorsitzender des Forums Deutscher UNESCO-Geoparks und Vorstandsmitglied der Deutschen UNESCO-Kommission.
Als die Kulturstiftung für die Bergstraße am 18. Dezember 2008 gegründet wurde, war Leonhard von Beginn an dabei. Die Stiftung, damals mit fünf Stiftern gestartet – darunter die Stadt Zwingenberg, die Sparkasse Bensheim, die BRAIN AG, die GGEW AG und SurTec Deutschland – hatte sich zum Ziel gesetzt, kulturelle Projekte an der Bergstraße zu fördern: von Ausstellungen und Konzerten über Wettbewerbe bis hin zur Unterstützung junger Künstlerinnen und Künstler.
Leonhard übernahm auf Vorschlag der Stadt den Vorsitz des Kuratoriums – und blieb diesem Amt bis zum Sommer dieses Jahres treu. Unter seiner Leitung entwickelte sich die Stiftung zu einem regionalen Leuchtturmprojekt: Heute zählt sie zwölf Stifter, darunter Städte wie Bensheim und Lorsch, die Gemeinden Alsbach-Hähnlein und Einhausen, den Kreis Bergstraße, die Sparkasse Darmstadt und private Förderer. „Viele von ihnen sind dank des persönlichen Einsatzes von Herrn Prof. Dr. Leonhard zur Stiftung gestoßen“, betonte Clever. Durch zahlreiche Gespräche, Telefonate und persönliche Besuche habe er Vertrauen aufgebaut und das Netzwerk der Stiftung stetig erweitert.
Unter Leonhards Vorsitz entstanden zahlreiche Projekte, die weit über Zwingenberg hinausstrahlten. Dazu gehörten Vortragsreihen wie Baukultur im öffentlichen Raum, Stadtbild, Nachtbild, Landschaftsbild oder Bauen, Wohnen, Leben an der Bergstraße. Auch Wettbewerbe wie der Metzendorfpreis (2015, 2018 und 2024) oder der Fotowettbewerb STADT-Blicke-schärfen gehen auf seine Initiative zurück.
Bergsträßer Kinder- und Jugendmusiktage
Zudem war Leonhard federführend an den Bergsträßer Kinder- und Jugendmusiktagen beteiligt, die 2021 und 2023 viele junge Talente zusammenführten. „Es war ihm ein großes Anliegen, dass die Stiftung auch der musikalischen Nachwuchsförderung dient“, hob Clever hervor. Leonhard habe Musikschulen besucht, Kontakte geknüpft und dafür gesorgt, dass junge Menschen die Stiftung als Plattform für ihre Kreativität wahrnehmen.
Neben seiner organisatorischen Arbeit trat Leonhard auch selbst als Referent auf. Seine Vorträge zu Themen wie Baukultur, Stadtentwicklung und Landschaftsgestaltung zogen ein interessiertes Publikum aus der gesamten Region an. Immer wieder habe er, so der Bürgermeister, „den Blick auf Zwingenberg gerichtet und damit wesentlich zur kulturellen Profilbildung der Stadt beigetragen“.
Auch jenseits der großen Bühnen blieb Leonhard der Region verbunden. In seiner ruhigen, verbindlichen Art habe er die Stiftung geprägt, „mit Weitblick, aber ohne abzuheben“. Clever abschließend: „Sein Einsatz geht über das Übliche hinaus und zeigt eine echte Verbundenheit sowie Verantwortungsbewusstsein. Er hat nicht nur die Stiftung, sondern auch die kulturelle Landschaft der gesamten Bergstraße nachhaltig geprägt.“
Mit dem Ausscheiden Leonhards endet ein wichtiges Kapitel in der Geschichte der Kulturstiftung für die Bergstraße. Seine Spuren aber bleiben – in zahlreichen Projekten, in unzähligen Begegnungen und in einer Stiftung, die heute stärker dasteht als je zuvor.
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