Porträt - Der Büchner-Kenner Peter Brunner erinnert an den 200. Geburtstag von Wilhelm Büchner

In Zwingenberg gelernt und Politik gemacht

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Zwingenberg. Fast auf den Tag genau vor 200 Jahren - am 2. August 1816 - wurde Wilhelm Büchner geboren. Der Bruder von Georg Büchner - dem bekannten Schriftsteller, Mediziner, Naturwissenschaftler und Revolutionär - erblickte in Stockstadt als drittes Kind von Ernst und Caroline Büchner das Licht der Welt - und entwickelte im Laufe seines Lebens eine ganz besondere Beziehung zu Zwingenberg:

Wilhelm Büchner schloss im ältesten Bergstraßenstädtchen seine Apothekerlehre ab (1843) und war für den Wahlkreis Zwingenberg Abgeordneter in der zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen (1849/50), dem hessischen Parlament.

Zur Erinnerung an den Geburtstag des Apothekers, Chemikers, Fabrikanten und Politikers Wilhelm Büchner vor 200 Jahren stellte uns Peter Brunner (kleines Bild) - profunder Kenner der Familie Büchner und Betreiber des Internet-Blogs "Neues aus Büchnerland" (geschwisterbuechner.de) - eine Zusammenfassung der Vita von Wilhelm Büchner zur Verfügung, die wir nachfolgend veröffentlichen:

Wilhelm Büchner, geboren am 2. August 1816 in Stockstadt, gestorben am 14. Juli 1892 in Pfungstadt, war Apotheker, Chemiker, Fabrikant und Politiker. Der Bruder von Georg Büchner - Schriftsteller, Mediziner, Naturwissenschaftler und Revolutionär - nahm leidenschaftlich Anteil am Schicksal von Georg, der als Mitverfasser des "Hessischen Landboten" - einer aufrührerisch-frühsozialistischen Kampfschrift - das absolutistisch regierte Darmstadt durch Flucht verlassen musste. Wilhelm ließ sich am Tag der Flucht im Februar 1835 sogar an Georgs Stelle verhaften und verhören und machte die Flucht so erst möglich.

Nach dem Besuch des Gymnasiums in Darmstadt und der 1834 in Zwingenberg beendeten Apothekerlehre studierte Wilhelm in den Jahren 1836/37 in Heidelberg bei Leopold Gmelin, einem der Begründer der modernen Chemie. 1838/39 setzte er seine Studien in Gießen bei Justus von Liebig fort und legte dort sein Staatsexamen als Apotheker ab.

Erfolgreicher Unternehmer

1841 gründete er - zunächst im Garten seines Elternhauses in der Darmstädter Grafenstraße - eine kleine chemische Fabrik. Büchner experimentierte mit der Herstellung künstlicher Farbstoffe. Er kannte die Arbeiten des Alchimisten Johann Konrad Dippel und von Christian Gottlob Gmelin. Ihm gelang eine Vereinfachung in der Produktion künstlicher blauer Farbe, des Ultramarin. Das erste gelungene Ergebnis seiner Experimente soll Büchner mit den Worten "da haben wir eine Million" glühend heiß auf den Mahagonitisch seiner Mutter gelegt haben.

Bereits 1845 verlegte er die Produktion auf das Gelände der ehemaligen Krappfabrik in Pfungstadt. Wilhelm Büchner hatte im Februar 1845 im holländischen Gouda seine Cousine Elisabeth Büchner geheiratet und die erhebliche Mitgift in das Unternehmen eingebracht. Die Anbahnung des Grundstücksgeschäftes übernahm der befreundete Darmstädter Heinrich Emanuel Merck.

Die blaue Farbe, die als Farbstoff und zum Bleichen von Wäsche benutzt wurde, hatte Abnehmer in der gesamten Welt. Das Unternehmen von Büchner erhielt für die Qualität der Produkte zahlreiche Medaillen und Auszeichnungen, unter anderem bei der Pariser Weltausstellung.

Im Landtag und im Reichstag

In den Jahren 1849 bis 1850 war Büchner für den Wahlkreis Zwingenberg Abgeordneter im hessischen Landtag, 1852 wurde er zum Mitglied der "Academie nationale agricole, manufacturière et commerciale""ernannt. 1865/66 und erneut von 1872 bis 1881 vertrat er die Wahlkreise Wald-Michelbach, später Gernsheim, im hessischen Landtag. Von 1877 bis 1884 war er Mitglied des Reichstages in Berlin. Er gehörte den Liberalen an.

Bekannt ist sein Widerstand gegen Bismarck, insbesondere gegen die "Verstaatlichung" der sozialen Fürsorge und sein Einsatz für die Volksbildung. 1878 stimmt er gegen die Sozialistengesetze.

In Pfungstadt hat Wilhelm Büchner viele Jahre als Gemeindevertreter gewirkt, den ersten Kindergartens gegründet und einen "Pensionsfonds für Arbeitsinvalide" eingerichtet, der später in eine Betriebskrankenkasse umgewandelt wurde. Die Eröffnung der "Secundärbahn" nach Eberstadt, die ihm den Export seiner Produkte erleichterte, ist wesentlich seinem Einsatz zu verdanken, ebenso wie die damit verbundene Erhebung Pfungstadts zur Stadt.

1882 übergab Büchner die Leitung seines Unternehmens an seinen Sohn Ernst, 1890 gliederte Ernst den Pfungstädter Betrieb in die "Vereinigten Ultramarinfabriken" ein. Die Gründung dieses Gemeinschaftsunternehmens war die Reaktion auf die aufkommende Erdölchemie, deren weiterer Aufschwung schließlich 1893 das "amtliche Erlöschen" der Firma zur Folge hat. Wilhelm Büchner war kurz zuvor, am 14. Juli 1892, in Pfungstadt gestorben.

Schauspieler Walter Renneisen ist Georg-Büchner-Fan

"Beziehungen" zwischen den Büchners und der Bergstraße gibt es nicht nur, weil Wilhelm Büchner - Bruder des Literaten Georg Büchner - in der Hofapotheke des ältesten Bergstraßenstädtchens seine Lehre als Apotheker gemacht hat: Eine ganz besondere "Beziehung" zu Büchner - namentlich zu Georg - hat auch der renommierte Bergsträßer Schauspieler Walter Renneisen, der ihn zu seinen Lieblingsautoren zählt.

Renneisen widmet ihm sogar ein eigenes literarisch-musikalisches Programm, das den Titel "Friede den Hütten, Krieg den Palästen" trägt. Unter dieser Überschrift gestaltet der Schauspieler gemeinsam mit der Pianistin Ekaterina Kitéva Abende, bei denen Georg Büchners Novelle "Lenz" und seine Flugschrift "Der Hessische Landbote" im Mittelpunkt stehen. Ekaterina Kitéva steuert von ihr selbst bearbeitete Klavierkompositionen von Büchners Zeitgenossen Frédéric Chopin, Franz Liszt, Robert Schumann und Clara Schumann-Wieck bei. Der im Bensheimer Stadtteil Auerbach lebende Mime Renneisen bezeichnet Georg Büchner als einen der "bedeutendsten deutschen Schriftsteller". Trotz seines kurzen, gerade einmal 23 Jahre währenden Lebens, "beeinflusste er die deutsche Literatur nachhaltig wie kaum ein anderer".

Neben dem "Hessische Landboten" (1834) und "Lenz" (1835) schrieb Büchner das Drama "Dantons Tod" (1835), das Lustspiel "Leonce und Lena" (1836) und das Drama "Woyzeck" (1837). red

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