Zwingenberg. Die vom Förderkreis Kunst und Kultur veranstalteten Zwingenberger Musik-Collagen erfreuten sich auch in ihrer diesjährigen fünften Auflage wieder ermutigend guter Resonanz. Einmal mehr hatten Holger Habich und Michael Veit ein bemerkenswert vielfältiges Programm konzipiert, dessen Spektrum vom Streichorchester bis zu unterschiedlichsten Kammermusik-Formationen reichte. Hochkarätig abgerundet wurde das kleine Festival am Sonntag durch eine Gitarrenmatinee von Jesse Flowers sowie Schuberts Liederzyklus „Die schöne Müllerin“ mit dem Duo David Pichlmaier (Bariton) und Andreas Meyer-Hermann (Klavier).
Herausragende Nachwuchskraft
Der seit 2014 in Deutschland lebende und seit 2020 als Professor an der Darmstädter Akademie für Tonkunst lehrende australische Gitarrist (Jahrgang 1994) gehört längst zu den herausragenden Nachwuchskräften seiner Zunft. Schon die eingangs im Diefenbachsaal gebotene Eigenbearbeitung von Bachs Es-Dur-Suite BWV 1010 lieferte beste Belege: Flowers‘ kaum ausgefeilter vorstellbare Klangkultur und Phrasierungsfinesse ließen das Cello-Original fast vergessen. Erfüllteres und zugleich natürlicheres Bach-Spiel auf der Gitarre als von diesem exzeptionell souveränen Anfangdreißiger hat man selten erlebt. CD-Aufnahmen erscheinen insofern unbedingt wünschenswert.
Ein moderner Repertoire-Klassiker folgte mit Heitor Villa-Lobos‘ fünf Préludes von 1940, deren faszinierend individuelle Mischung aus Bach-Reverenzen und brasilianischen Folklore-Adaptionen bei Jesse Flowers so selbstverständlich und elegant daherkam wie nur irgend denkbar. Ähnlich farbdelikat und stimmungsstark zelebrierte der junge Musiker jene 1989 entstandene viersätzige Suite „Stélé“, zu der sich sein einstiger australischer Mentor Philip Houghton (1954-2017) durch Motive aus der griechischen Antike inspirieren ließ – eine echte Zwingenberger Premiere und dergestalt attraktivste Werbung für einen allzu wenig bekannten Gitarrenmeister unserer Zeit. Originell nicht zuletzt die begeistert erklatschte Zugabe: „Yesterday“ in einem überraschend gefälligen Arrangement des japanischen Neutöners Toru Takemitsu (1930-1996).
Ein eingespieltes Liedduo
Der 1979 in München geborene Bariton David Pichlmaier (Staatstheater Darmstadt) und der wohl zu den ältesten aktiven Vertretern seines Faches zählende Pianist Andreas Meyer-Hermann sind seit vielen Jahren ein eingespieltes Liedduo. Diese lange gemeinsame Erfahrung war auch in ihrer genau aufeinander abgestimmten, zu keinem Zeitpunkt effekthascherisch oder gar selbstdarstellerisch anmutenden Wiedergabe von Schuberts „Müllerin“-Zyklus D 795 (1823) stets auf werkdienlichste Weise spürbar. Pichlmaiers immer noch jugendlich-leuchtkräftiger Bariton führte den Zuhörer bravourös gewandt und differenziert durch das bewegende Seelendrama dieser musikalischen Erzählung über eine im tragischen Suizid endende unerwiderte Liebe.
Vorbildlich war die wunderbar klare und unmanierierte Textartikulation des Sängers, der bei aller vitalen Bühnenpräsenz gleichwohl nie zu opernhaften Übertreibungen neigte und sich gerade damit als wahrer Liedkenner entpuppte. Andreas Meyer-Hermanns nimmermüde pianistische Inspiration wirkte da erst recht wie ein besonders passender Glücksfall. Mit dem zugegebenen Heine-Lied „Du bist wie eine Blume“ aus Schumanns „Myrten“-Zyklus opus 25 (1840) verabschiedete sich das Duo von seinem tief beeindruckten Publikum im Diefenbachsaal.
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