Seeheim-Jugenheim. Die „Internationale Sommerakademie für Kammermusik“ in Seeheim-Jugenheim ist nach 21 erfolgreichen Auflagen und altersbedingter Demission ihres leitenden Initiators Jacek Klimkiewicz Geschichte. Aus dem bisherigen Dozententeam entstand jedoch in Zusammenarbeit mit dem veranstaltenden Verein „Kultur im Schloss Heiligenberg“ schnell die Idee zur Fortführung in einem neuen Format namens „Chamber Music Academy Heiligenberg“ (CMA) – konzentriert auf nurmehr acht ausgewählte Stipendiaten, die keine Kursgebühr mehr bezahlen müssen und während der Akademiewoche bei privaten Förderern wohnen können. Beibehalten wurden die öffentlich zugänglichen Proben und die drei abendlichen Abschlusskonzerte – diese aber im Vergleich zur früheren Sommerakademie mit dem Schwerpunkt auf vollständigen mehrsätzigen Werken.
Neues Konzept mit kleinerer Besetzung
Zur ersten CMA-Dozentencrew gehörte neben dem Stuttgarter Klavierprofessor Moritz Winkelmann, dem renommierten Geiger Noé Inui und dem Cellisten Sebastian Hennemann (Loh-Orchester Sondershausen) als Neuzugang die Bratschistin Sarina Zickgraf (Tonhalle-Orchester Zürich). Die Stipendiatenauswahl umfasste Sofia Semenina und Jonathan Panter (Klavier), Evangelia Koutsodimou und Sara Hristov (Violine), Deniszu Polat und Melissa Dahmen (Viola) sowie Björn Gard und Jan Milajev (Violoncello). Wie gut diese Gemeinschaft aus erfahrenen Mentoren und jungen Musikern der Jahrgänge 1997 bis 2007 in künstlerischer Hinsicht funktionierte, wurde bei den ausverkauften Konzerten im wunderbar intimen Gartensalon des Schlosses begeisternd deutlich. Hoffentlich also kann sich auch die unter anderem vom Kultursommer Südhessen unterstützte neue Akademie als feste Einrichtung etablieren.
Schon am ersten Abend erlebte man beachtlich ausgewogene wie ausdifferenzierte Interpretationen von Schumanns Es-Dur-Klavierquintett opus 44 (mit Moritz Winkelmann als funkensprühendem Solisten) und Brahms‘ B-Dur-Streichsextett opus 18 (mit dem ebenso leidenschaftlich befeuernden Primarius Noé Inui). Nicht zuletzt die ergreifenden langsamen Sätze beider Werke verrieten ein enormes Maß an farblicher Verfeinerung und expressiver Vertiefung. Perfekt ergänzt wurde das romantische Programm durch David Poppers Salonmusik-Juwel „Requiem“ opus 66 (1891) mit Hennemann, Gard und Milajev als herrlich süffig schwelgendem „Cello-Dreamteam“ (Begleitung: Sofia Semenina).
Von Beethoven bis Schostakowitsch
Überaus vergnüglich zelebrierten Sarina Zickgraf und Björn Gard eingangs des zweiten Abends Beethovens humor- wie geistvolles frühes Es-Dur-Duo WoO 32, das als „Duett mit zwei obligaten Augengläsern“ Berühmtheit erlangte. Nuancenreiche Vitalität verströmte Mozarts reifes g-moll-Streichquintett KV 516 mit der herausragend souveränen Primaria Evangelia Koutsodimou und dem delikaten Es-Dur-Adagio als einem der lyrischen Höhepunkte der diesjährigen Akademie. Denkbar spannungsintensiv gelang auch das von Sofia Semenina eloquent angeführte Schostakowitsch-Klavierquintett g-moll opus 57, dessen entfesselter Scherzo-Reißer als Zugabe wiederholt werden musste.
Den Anfang des finalen dritten Konzertabends machte Ravels aufregend moderne Duo-Sonate von 1922, bei der sich Noé Inui und Evangelia Koutsodimou jeweils zwei Sätze ebenbürtig mit Sebastian Hennemann teilten. Auf Haydns unwiderstehlich spritziges E-Dur-Trio Hob. XV:28 (Klavier: Moritz Winkelmann) und Richard Strauss‘ duftig schwärmendes „Capriccio“-Streichsextett (1. Violine: Noé Inui) folgte als absolute Krönung Dvoráks liebevoll beseeltes A-Dur-Klavierquintett opus 81, in dem nicht nur der erst 20-jährige Pianist Jonathan Panter beste kammermusikalische Sensibilität bewies. Am Ende verabschiedeten sich die vier Dozenten mit dem zugegebenen Andante-Ohrwurm aus Brahms‘ c-moll-Klavierquartett opus 60 von ihrem zu Recht euphorisierten Publikum. Keine Frage: Die neue „Chamber Music Academy Heiligenberg“ braucht und verdient jede Unterstützung.
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