Literaturfestival

Eine abenteuerliche Klassenfahrt nach „Down Under“

Im Rahmen der Aktion „Leseland Hessen“ las die Autorin Stephanie Gessner vor den 4. Klassen der Zwingenberger Melibokusschule aus ihrer Buchreihe „Time Travellers“

Von 
Frederik Koch
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Stephanie Gessner las im Rahmen der Aktion „Leseland Hessen“ in der Melibokushalle vor den 4. Klassen der Melibokusschule aus ihrem Buch „Time Travellers -Nächster Sprung Australien“. © Dirk Zengel

Zwingenberg. „Wer von euch war schon einmal bei einer Lesung?“, fragte Schulleiterin Birgit Thiele zu Beginn der Veranstaltung in die Runde. Nur wenige Hände gingen nach oben – für die meisten Viertklässler der Melibokusschule in Zwingenberg war es das erste Mal, dass sie eine Autorin live erleben durften. Umso gespannter lauschten sie, als Stephanie Gessner aus ihrer Buchreihe „Time Travellers“ las. Eingeladen hatte die Stadtbücherei Zwingenberg, die jedes Jahr eine Abschlusslesung für die vierten Klassen organisiert. In diesem Jahr war die Schule Teil des landesweiten Literaturfestivals Leseland Hessen 2025, bei dem Gessner im Rahmen ihrer Lesereise Station in Zwingenberg machte.

Australisches Outback statt Odenwald

Die Autorin startete mit einer kleinen Fragerunde, um ihre jungen Zuhörer kennenzulernen. „Wer von euch war schon mal in Australien?“, wollte sie wissen – einige wenige Hände gingen zögerlich nach oben. „Und wart ihr dort vielleicht sogar auf Klassenfahrt?“ Ein einstimmiges „Nein!“ hallte durch die Turnhalle. Damit hatte sie das perfekte Stichwort für ihr Buch gefunden: Im ersten Band ihrer Reihe, „Nächster Sprung: Australien“, erlebt eine 6. Klasse die wohl abenteuerlichste Klassenfahrt der Welt. Eigentlich soll es für die 6G in den Odenwald gehen, doch durch ein rätselhaftes Missgeschick landen die Schülerinnen und Schüler plötzlich mitten im australischen Outback – und ihre neue Referendarin Mayumi Nagata sogar auf einer einsamen Insel. Mit viel Ausdruck, wechselnden Stimmen und einem Gespür für Tempo las Gessner aus ihrem Buch vor. Immer wieder projizierte sie passende Bilder an die Leinwand – rote Erde, weite Landschaften, das endlose Outback – und half den Kindern so, sich die Szenen noch besser vorzustellen. Besonders viel Gelächter gab es bei der Passage, in der die Kinder im Buch sagen: „Eigentlich müssten wir weinen – wir sind doch die Kinder!“, während die Erwachsenen in Tränen ausbrechen. „Dürfen Erwachsene eigentlich auch weinen?“, fragte die Autorin danach ins Publikum. Die Antworten der Viertklässler fielen bunt gemischt aus – einige meinten überzeugt „Ja!“, andere schüttelten entschieden den Kopf.

Ein Bus verschwindet von der Straße

Nach dem ersten Buch stellte Gessner auch den zweiten Band mit dem Titel „Pizza, Pasta und Probleme“ vor. Darin haben die sogenannten Chrononauten gesehen, dass der Bus, mit dem die Klasse eigentlich auf Klassenfahrt unterwegs war, plötzlich von der Straße verschwunden ist. Um die Lesung aufzulockern, hatte die Autorin an dieser Stelle auch ein Suchspiel vorbereitet: Auf zwei großen Bildern, die die Klasse aus Band eins und zwei zeigen, sollten die Kinder Unterschiede finden – und standen dafür alle gespannt vor der Leinwand. Sechs Veränderungen galt es zu entdecken: Der Lehrer trägt keinen Bart mehr, ein T-Shirt hat eine andere Farbe, und ein Haarband ist verschwunden. Mit viel Eifer riefen die Kinder durcheinander, wenn sie einen Unterschied gefunden hatten.

In der anschließenden Fragerunde nutzten die Kinder begeistert die Gelegenheit, der Autorin Löcher in den Bauch zu fragen. „Wie lange brauchen Sie, um ein Buch zu schreiben?“ – „Etwa vier Monate“, antwortete Gessner. „Schreiben Sie auch Bücher für ältere Leserinnen und Leser?“ – „Ja, früher schon. Damals habe ich unter einem Pseudonym geschrieben. Irgendwann habe ich mich aber entschieden, meinen richtigen Namen zu verwenden.“ Auf die Frage, wie viel sie mit einem Buch verdiene, erklärte sie ganz offen: „Ein Buch kostet 17 Euro, aber ich bekomme pro verkauftem Exemplar etwa nur einen Euro. Der Rest geht an den Verlag, die Buchhändler und natürlich an die Produktion.“ Jedoch erklärte sie: „Das Schönste ist, Geschichten für Kinder zu erfinden. Es macht einfach riesigen Spaß. Das Finanzielle steht dabei erstmal nicht im Vordergrund“.

Heimlich lesen auf der Toilette

Anschließend erzählte sie von ihrem eigenen Weg zum Schreiben. Schon als Kind habe sie sich gerne Geschichten ausgedacht und war eine „richtige Leseratte“. „Mit elf Jahren habe ich mein erstes Buch angefangen, aber nie zu Ende gebracht“, erinnerte sie sich. Ihre Mutter habe ihr abends manchmal die Glühbirne aus der Lampe geschraubt, damit sie endlich das Licht ausmache. „Aber ich habe dann einfach heimlich auf der Toilette weitergelesen – da brannte noch Licht.“ Für viele der Viertklässler war das Anlass zum Schmunzeln, und manche nickten wissend. Gessner ermutigte die Kinder auch, selbst kreativ zu werden. „Jeder kann Geschichten schreiben“, sagte sie. Man müsse nur anfangen, seine Ideen aufzuschreiben, egal wie klein sie anfangs seien. Dass Schreiben ein Beruf mit Höhen und Tiefen ist, verschwieg sie dabei nicht – aber ihr Enthusiasmus war spürbar.

Zum Schluss verriet die Autorin, dass im Januar der dritte und letzte Band der Reihe erscheinen wird. Diesmal führt die Reise nach Afrika, wo die Geschichte zu einem großen Finale kommt. „Da gibt es am Ende einen spannenden Höhepunkt“, versprach sie. Schon jetzt hat sie Projekte bis 2028 geplant, auch wenn sie sich manchmal frage, wie das Schreiben sich verändern wird: „Vielleicht schreibt in drei Jahren ja schon die KI Geschichten“, sagte sie nachdenklich. Zum Abschied erhielt jedes Kind eine signierte Autorenkarte – „die habe ich gestern Abend alle noch für euch unterschrieben“, erzählte Gessner stolz. Am Ende gab es langen Applaus für die Autorin. Auch die Stadtbücherei Zwingenberg zeigte sich zufrieden. „Wir haben die Autorin ins Boot geholt und freuen uns sehr, dass wir in diesem Jahr Teil von Leseland Hessen sein dürfen“, sagte Bibliothek-Leiterin Laura Rupp, die gemeinsam mit ihren Kolleginnen die Veranstaltung begleitete. Seit vielen Jahren besteht eine enge Zusammenarbeit zwischen der Melibokusschule und der Stadtbücherei. Alle Klassen kommen regelmäßig mit ihren Lehrkräften in die Bücherei, hören dort kleine Vorlesegeschichten und können Bücher für ihre Klassenräume ausleihen. Die Abschlusslesung sei dabei jedes Jahr ein besonderes Highlight – und in diesem Fall sogar eine kleine literarische Zeitreise in ferne Welten.

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