Zwingenberg. „Ich hoffe, dass ich mich noch in den Gastraum hineintrauen darf?“, meldete sich Marc-André Kaltwasser gegen Ende der Veranstaltung fragend zu Wort – die Antwort der Restaurantbesucher in „Kaltwassers Wohnzimmer“ kam postwendend, und sie fiel unmissverständlich aus: Für das Drei-Gänge-Menü, das der Spitzenkoch am Mittwochabend zubereitet hatte, gab es kräftigen Beifall.
Anlass für das große Schlemmen gab die als „kulinarische Buchvorstellung“ angekündigte Präsentation des Cittaslow-Kochbuches „Rezepte für eine lebenswerte Stadt“, zu dem auch Zwingenberg als eine von gegenwärtig 24 deutschen Mitgliedskommunen des internationalen Netzwerks der „lebenswerten Städte“ einen Beitrag geleistet hat. Die örtliche Stadtbücherei unter Leitung von Laura Rupp hatte zu der Buchvorstellung aus gutem Grund in „Kaltwassers Wohnzimmer“ eingeladen, denn von Koch und Inhaber Marc-André Kaltwasser, der sein Handwerk unter anderem in der Sterne-Küche gelernt hat, stammt der Zwingenberger Rezeptbeitrag.
Spargel ist typisch für Zwingenberg
Weil für das älteste Bergstraßenstädtchen der Spargelanbau typisch ist, kreierte Kaltwasser für das Buch ein raffiniertes Gericht mit dem „königlichen Gemüse“ in der Hauptrolle. Das allerdings stand nicht auf dem Menüplan bei der Präsentation am Mittwochabend: Im „Wohnzimmer“ an der Obergasse pflegt man eine saisonale Küche und zurzeit gibt’s nun mal keinen Spargel.
Stattdessen servierte man als Vorspeise ein winterliches Gemüse mit Onsen-Ei und Sauce Bernaise, gefolgt von einem Rinderrücken Rosa mit Wurzelgemüse in Texturen und Pommes Dauphine sowie als Abschluss Backapfelcreme mit Mandeln und Zimtblüteneis. Diese Speisenfolge lockte viele Gäste an: Wegen der überaus großen Nachfrage stellte Marc-André Kaltwasser nicht nur sein „Wohnzimmer“, sondern auch den Gewölbekeller zur Verfügung, und musste dennoch vielen Interessenten eine Absage erteilen.
Ein Getränk aus Weinblättern
In einer Doppelrolle – als Gäste und Akteurinnen – nahmen an der „kulinarischen Buchvorstellung“ auch die beiden promovierten Biologinnen Esther Gabor und Alice Kleber teil. Die beiden Wissenschaftlerinnen des ortsansässigen Forschungsunternehmens Brain Biotech AG beschäftigen sich mit der Herstellung eines Getränks aus Weinblättern. Die Berichterstattung über die entsprechende Forschungsarbeit ist neben dem Kaltwasser’schen Spargelrezept ein weiterer Beitrag Zwingenbergs zum Cittaslow-Kochbuch.
Denn darin präsentieren die „lebenswerten Städte“ sich eben nicht nur mit typischen Rezeptideen, sondern auch mit Innovationen, die vor Ort entstehen. Passend zum Zwingenberger Motto „Modernes Leben in historischen Mauern“ entschied man sich in Zwingenberg für das „Vinot“-Projekt des Brain-Teams, denn bekanntermaßen findet dessen Forschung – also das moderne Leben – ebenfalls in historischen Mauern, nämlich im unter Industriedenkmalschutz stehenden, ehemaligen Fissan-Gebäude statt.
Weil es die ersten Forschungsergebnisse in flüssiger Form allerdings nur in Glaskolben-großen Menge – „also winzigen Schlucken“ – aus dem Brain-Laboratorium gibt, verkostete man am Mittwochabend stattdessen einen neuartigen Secco, an dem die Zwingenberger Biotechnologen ebenfalls beteiligt sind.
Das Kochbuch „Rezepte für eine lebenswerte Stadt“
Dem dafür als Grundlage dienenden Wein wird der Alkohol entzogen und – jetzt kommt das Raffinierte daran – die unter dem Alkohol-Entzug leidenden Aromen werden anschließend mit Hilfe von Mikroorganismen wieder aufgepeppt. Esther Gabor und Alice Kleber stellten den Teilnehmern der „kulinarischen Buchvorstellung“ in Aussicht, dass bei den Zwingenberger Abendmärkten des Jahres 2025 auch der „Vinot“ aus dem Hause Brain verkostet werden könne.
Zum Dreiklang der Beiträge aus den Cittaslow-Kommunen für das Kochbuch „Rezepte für eine lebenswerte Stadt“ gehört überdies auch eine Darstellung der jeweiligen Stadt oder Gemeinde. „Und so ist das Werk quasi auch ein Reiseführer durch Deutschland zu ausnahmslos lebenswerten Städten, in denen man hervorragend Urlaub machen kann“, warb Bürgermeister Holger Habich am Mittwochabend für den Kauf des Buches.
Zu diesem Zweck hatte Michael Kolibius von der Buchhandlung „Lichtblick“ in Kooperation mit der Stadtbücherei einen Büchertisch am Rande des „Wohnzimmers“ aufgebaut.
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