Musik-Collagen - Langer Applaus für Anne-Sophie Bertrand, die mit ihrem Instrument klangvolle Sinnlichkeit erzeugte und zur musikalischen Kontemplation einlud

Betörendes Harfenkonzert in der Bergkirche in Zwingenberg

Von 
Thomas Tritsch
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Mit ihrem eleganten, sensiblen und ausgereiften Spiel hat die Harfenistin Anne-Sophie Bertrand am Samstag in der Bergkirche das zweite Wochenende der Zwingenberger Musik-Collagen eröffnet. © Thomas Zelinger

Zwingenberg. Musikalische Schönheit trifft räumliche Tiefe: Mit ihrem eleganten, sensiblen und ausgereiften Spiel hat die Harfenistin Anne-Sophie Bertrand am Samstag das zweite Wochenende der Zwingenberger Musik-Collagen eröffnet. Das Publikum in der gut besuchten Bergkirche erlebte eine gute Stunde musikalische Kontemplation und klangvolle Sinnlichkeit. Die Solistin bot aber nicht nur perlend feinen Wohlklang, sondern entlockte ihrem Instrument auch intensive Klangschattierungen voller Energie und differenzierter Farbigkeit.

Die auch optisch graziöse Verschmelzung von Harfe und Künstlerin stand unter der Überschrift „Saitentänze“ und erfüllte sämtliche mit diesem Titel vernetzten Assoziationen. Die in Paris geborene Anne-Sophie Bertrand überzeugte mit einem enorm nuancenreichen, nachdrücklichen und dichten Spiel, dass die gesamte Bandbreite der Harfe umfasste und zwischen stiller Kontemplation und wilder Dynamik changierte. Man erlebte helle, silbrige Klänge von faszinierender Brillanz und Klarheit im Ausdruck und impressionistische Ausflüge in betörende Klanggemälde von fragiler Schönheit. Mit Hingabe und Gestaltungskraft servierte Bertrand facettenreich aufgelöste Akkorde, ätherisch anmutende Glissandi und satte Akkorde, die musikalischen Entdeckergeist und gereifte Stärke offenbarten.

Bisweilen sogar experimentell

Jenseits aller Klischees, die über das uralte Instrument kursieren, präsentierte die Musikerin einen sehr modernen und bisweilen sogar experimentellen Ansatz bei der Interpretation der Werke, die am Samstag vom 18. bis ins 20. Jahrhundert reichten. Bereits bei der Sonate in G-Dur für Harfe von Carl Philipp Emanuel Bach zeigte sich das emotionale und technisch präzise Spiel der Musikerin, die an der Royal Academy of Music in London, am Königlichen Konservatorium in Brüssel sowie bei den Harfenpädagoginnen Germaine Lorenzini und Catherine Michel studiert hat und seit 2000 als Solo-Harfenistin des HR-Sinfonieorchesters reüssiert.

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Sie ist Preisträgerin des Cardiff International Harp Contest und „Associate“ der Royal Academy of Music in London. Als Solistin trat sie unter anderem beim International Arts Festival in Peking, bei den Weilburger Schlosskonzerten, dem World Harp Congress in Cardiff und in der Bolívar Hall Caracas auf. Anne-Sophie Bertrand unterrichtet an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt und gibt regelmäßig Meisterkurse an renommierten Institutionen wie dem Campos do Jordão (Brasilien), der Hochschule für Musik in Freiburg, dem Königlichen Konservatorium in Brüssel oder der Guildhall School for Music and Drama in London.

Voller Leidenschaft

Sie widmet sich leidenschaftlich dem Kammermusik-Repertoire für Harfe. „Die Lerche“ ist ein russisches Musikstück aus der Zeit der Romantik, das 1840 von Michail Glinka als zehnte von zwölf Romanzen des Zyklus` „Abschied von St. Petersburg“ geschrieben wurde. Bekannt wurde das Werk vor allem durch die Transkription von Mili Balakirew aus dem Jahr 1864. Die Harfenistin betonte den melancholischen und lyrischen Charakter dieser zauberhaften allegorischen Fantasie, die im Klangraum der Bergkirche aus dem 13. Jahrhundert auch akustisch eindrucksvoll zu Gehör kam.

Auch Gabriel Piernes „Impromptu-Caprice“ für Solo-Harfe aus dem Jahr 1887 offenbarte das Können der klanglich enorm feinsinnigen Instrumentalistin, die immer auch zeitgenössische Werke in ihre Programme einbaut.

„Jeux de Création“ wurde von Bertrand bei Geoffrey Gordon in Auftrag gegeben und zitiert die klangliche Ästhetik der 1920er Jahre in einem klassischen Duktus. Das etwa achtminütige Stück offenbart expressive Lebendigkeit mit xylophonischen Klängen, perlenden Höhenflügen und angetippten Glissandi, die - eingebunden in klassische Harfenstrukturen - ein vitales und dramatisches Bild unmittelbarer musikalischer Schöpferkraft vermitteln.

Das Zwingenberger Konzert war von Kontrasten geprägt: Seine „Rumänischen Volkstänze“ hat Bela Bartók direkt von rumänischen Musikanten abgelauscht – bei Dorffesten, auf dem Feld, in Gasthöfen und sogar im Kuhstall. Ursprünglich für Klavier komponiert, hat Anne-Sophie Bertrand die Vielfalt und Komplexität der Rhythmen und die Buntheit ihrer Melodien auf der Harfe interpretiert. Am Beginn stand der „Tanz mit dem Stabe“ mit einer tänzelnden Melodie, die mit neckischen Ornamenten versehen ist. Der Rundtanz „Brâul“ zeigt wiederkehrende Staccato-Einwürfe in einer dezent heiter verknüpften Form, während der „Stampftanz“ und die rumänische Polka Ausgelassenheit und Lebensfreude ins Spiel bringen. Im Finale rast die Harfe durch zwei „Maruntel“, paarweise aufgeführte Gruppentänze, durch schnelle, verspielte Melodien von großer Farbigkeit und emotionaler Tiefe.

Ergänzt wurde das Konzert von einem Werk des französischen Komponisten und Harfenisten Carlos Salzedo („Variations sur un thème dans le style ancien“), der als einer der wichtigsten Vertreter des Instruments im 20. Jahrhundert gilt.

Langer Applaus

Durch einen straffen musikalischen Spannungsbogen und ihr extrem ausdrucksstarkes, plastisch bildhaftes und funkelnd präzises Spiel hat Anne-Sophie Bertrand das Zwingenberger Publikum auch emotional tief berührt. Der warme und enorm fokussierte Klang offenbarte die musikalische Sensibilität einer Künstlerin, die der Harfe neue Facetten entlockt. Langer Applaus in der Bergkirche.

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